Ein versunkenes Zeitzeugnis

Wo heute Passagiere auf Kursschiffe warten, war früher ein bedeutender Warenumschlagplatz: Archäologen haben die Altnauer Stelli, die unter der Wasseroberfläche beim neuen Steg liegt, erforscht. Das Ergebnis ist nun für alle sichtbar.

Mittwochmorgen, Viertel nach zehn. Die «Thurgau» legt in Altnau an, am Ende des 250 Meter langen Stegs an der Kante der Flachwasserzone. Menschen steigen ein und aus. Schon in den letzten Jahrhunderten hatte die Schifffahrt eine große Bedeutung für das Dorf am See. Damals transportierten die Schiffe aber nicht Ausflügler und Touristen, sondern Waren, zum Beispiel Getreide. Damit man die Frachten auch bei tiefem Wasserstand ausladen konnte, bauten die Bewohner rund um den See Stellinge.

Diesen Frühling erforscht

Die Anlage in Altnau befindet sich exakt unterhalb des neuen Stegs. Je nach Witterung und Wasserstand ist sie mehr oder weniger gut zu sehen. Mitarbeiter des kantonalen Amtes für Archäologie haben die Stelli vergangenen Frühling eingehend untersucht. Für die Nachforschungen mussten sie sogar in den Tauchanzug steigen.

Grabungstechniker Matthias Schnyder berichtet von den Pfählen und Sandsteinplatten, die er erfasst und dokumentiert hat. Dazu wurde ein Gerüst über die Stelli gelegt. Die Umrisse hat man dann eins zu eins auf Plexiglasscheiben eingezeichnet. Später konnte die Anlage maßstabgetreu rekonstruiert werden.

Keine genaue Datierung

Zwei Pfostenreihen aus Tannenholz wurden mit Hölzern und Bruchgestein aufgefüllt, die Sandsteinplatten bilden sozusagen den Deckel. Leider sei es nicht gelungen, die Anlage zu datieren, sagt Schnyder. Die Archäologen gehen aber davon aus, dass die Altnauer Stelli aus dem 17. oder 18. Jahrhundert stammt. Damals waren solche Anlagen weit verbreitet. Am Obersee sind noch gut ein Dutzend zu sehen. Erst mit der Einführung der Eisenbahn im 19. Jahrhundert verlor die Binnenschifffahrt an Bedeutung.

Die am besten erhaltene Stelli befindet sich in Kesswil. Jene in Altnau ist vergleichsweise klein, auch wenn die Schenkel des L, das sie bilden, 10 und 25 Meter lang sind.

2010 wiederentdeckt

Mit der Fertigstellung des neuen Stegs für die Schifffahrt 2010 wurde die Altnauer Stelli, die zuvor nur mit Luftaufnahmen dokumentiert war, wiederentdeckt. Das Ergebnis der Arbeit des Amtes für Archäologie wurde nun zusammengefasst und wird auf einer Tafel präsentiert. Diese steht vor Ort auf dem Steg, etwa zehn Meter vor der Haltestelle im See. Gestern enthüllten Vertreter des Amtes für Archäologie und der Gemeinde das Werk. «Es ist schon interessant, dass die Schifffahrt heute an der genau gleichen Stelle ein Revival erfährt», so Gemeindeammann Beat Pretali. Und Kantonsarchäologe Hansjörg Brehm sagt: «Es ist für uns immer eine Herausforderung, im See zu arbeiten.»

(Martina Eggenberger Lenz/Thurgauer Zeitung v. 06.09.12)

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