Über
die Ochsentour auf die Brücke
Sie schippern über den See, haben jährlich
Millionen von Menschen an Bord und sind für Millionenwerte verantwortlich. Die
Rede ist von den amtlich so genannten „Schiffsführern“ der
Bodensee-Schiffsbetriebe (BSB), landläufig als „Kapitäne“ bezeichnet.
„Wir sind 46 Schiffsführer, mit den Mannschaften über 100 Fahrensleute auf
unseren Schiffen einschließlich der Fähre zwischen Friedrichshafen und
Romanshorn“, berichtet Kapitän Norbert Horstmann, ein gebürtiger Westfale,
gerade unterwegs auf der „Graf
Zeppelin“ von Friedrichshafen nach Konstanz. Der 48-jährige gelernter
Maschinenschlosser heuerte 1984 am Bodensee bei den Bodensee-Schiffsbetrieben
an, die damals noch der Deutschen Bundesbahn gehörten. „Viele von uns kamen
über die Ochsentour zum Patent, also Hafendienst, Matrose, Kassierer und
Steuermann. 1990 habe ich mein Patent gemacht“, erinnert sich Horstmann stolz.
Was macht ein Bodensee-Kapitän im Herbst und
Winter, also außerhalb der Touristensaison? „Wir feiern Überstunden ab,
haben Fährdienst oder bilden uns weiter, denn wir müssen immer auf dem
neuesten technischen Stand sein“, sagt er. Langeweile hat er nie. Für ihn ist
sein Beruf Berufung und Traumjob, genauso wie für seinen Kollegen, den 41-jährigen
Ingo Obermann aus Langenargen-Oberdorf. Der gelernte Schreiner arbeitete zunächst
in der Friedrichshafener Werft, bevor auch er auf die „Ochsentour“ ging. Er
ist seit 2001 Schiffsführer, verheiratet, ein Kind. „Wir müssen eigentlich
alles können, unseren Job auf den großen Pötten erledigen wie hier auf
unserem Flaggschiff ‚Graf Zeppelin', aber auch im Fährverkehr oder auf den
Katamaranen“.
Für Ingo Obermann ist es das schönste Gefühl,
das er in seinem Beruf verspürt, wenn er noch frühmorgens mit der Fähre nach
Romanshorn die erste Spur durch den See ziehen kann. „Das klingt zwar etwas
abgehoben, aber ich empfinde es halt so“, äußert er sich und schaut vom
Steuerhaus des Schiffes auf den Hagnauer Hafen, dessen Konturen sich an diesem
Morgen aus dem leichten Nebel schälen.
Norbert Horstmann dagegen freut sich am
meisten, wenn Mütter oder Väter anfragen, ob sie mit ihren Kindern einmal das
Steuerhaus besichtigen dürften. „Wenn ich danach noch Briefe von den glücklichen
Reisenden bekomme, ist das für mich etwas Tolles.“ Unangenehmes haben sie
beide, soweit sie sich erinnern können, an Bord noch nicht erlebt. „Kleinere
Verletzungen oder ein vorübergehendes Unwohlsein gibt's schon mal“, weiß
Horstmann, der sich im Übrigen in seiner zweiten, schwäbischen Heimat, in der
er Wurzeln geschlagen hat, „sauwohl“ fühlt.
„Ein bisschen durchgeschüttelt kann man als
Gast schon mal werden, aber über Windstärke zehn geht's grundsätzlich nicht
mehr raus auf den See, dann bleiben wir auf jeden Fall im schützenden Hafen“,
berichtet Ingo Obermann.
Seit zwei Jahren läuft der Kursbetrieb von
Friedrichshafen nach Meersburg zur Mainau und dann nach Konstanz. „Dieser Kurs
wird sehr gut angenommen und gehört wohl zu den schönsten und
abwechslungsreichsten auf dem Bodensee“, finden die beiden Kapitäne, die sich
nun um das Anlegemanöver in Meersburg kümmern müssen, das sie ohne Hektik und
in aller Ruhe erledigen. Jedes Kommando, jeder Griff sitzt perfekt.
(Südkurier v. 23.05.09)