Töpfe voller Spaghetti Richtung Überlinger See

SZ-Praktikantin Miriam Jesenik testet eine Spaghetti-Fahrt auf einem Bodenseedampfer

Während mein kompletter Mund schon zum wiederholten Mal mit Tomatensoße verschmiert ist, stelle ich fest, dass es einfach unmöglich ist beim Spaghetti-Essen eine gute Figur zu machen – für mich zumindest. Da alle Gäste an diesem Abend soviel Spaghetti zu sich nehmen können, wie das Schiff hergibt, habe ich noch einige Zeit zu üben. Deswegen macht es auch nichts, dass das Schiff mit einer halbstündigen Verspätung ausläuft – das Buffet ist bereits eröffnet und die Gäste sind vollends zufrieden und mit den langen Nudeln beschäftigt.

Es kommt Urlaubsstimmung auf. Die Ansage am Ufer „your next ship connection..“ ,sowie der laue Sommerabend lassen vermuten, weit weg von der Heimat zu sein. An Bord ist jeder Tisch reserviert, während sich draußen an Deck die normalen Rundfahrtengäste – ohne Spaghetti-Option – befinden. Scheinbar haben jedoch dort auch einige von dem Buffetanblick Hunger bekommen. Eine Frau hat sich wohl heimlich mit Spaghetti eingedeckt, die sie nun genüsslich draußen an Deck verschlingt. Zugegeben, im Innenraum ist es auch merklich warm. Fast vermisse ich eine kühle Fahrtbrise, wie man sie sich auf einem Schiff vorstellt.

Als es endlich los geht, merke ich, dass ein Schiff selbst auf dem Bodensee ganz schön schaukeln kann. Ich mag mir nicht vorstellen, wie es dort bei schlechterem Wetter zugeht. Ich nehme eine weitere Portion Spaghetti – schließlich muss ich nach der Bolognese-Soße auch noch Napoli ausprobieren. Nur die weiße Soße mit Schinken lasse ich aus.

Lange Schlangen, volle Teller

Zum Teil stehen die Gäste mit ihren leeren Tellern ungeduldig vor dem Spaghetti-Behältnis, wenn der Nachschub einmal kurze Zeit auf sich warten lässt. Wer einen kulinarischen Festschmaus erwartet hat, der ist an Bord fehl am Platze. Das Essen ließe sich vielmehr unter guter Hausmannskost beschreiben. Mit den Papieruntersetzern und den großen Soßentöpfen fühle ich mich fast in die Zeiten versetzt, als man noch mit der Schule in Jugendherbergen einkehrte. Dennoch schmecken die Spaghetti lecker. Für mich sind sie auch eher eine Art Zugabe zu dem eigentlichen Höhepunkt – der Schiffsrundfahrt. Viele der Gäste sind mit Kindern unterwegs, für die solch ein Essen natürlich doppelt geschaffen ist.

Nach zwei Nachschlägen am Buffet begeben sich mein Begleiter und ich an Deck, um den lauen Sommerabend vollends auszukosten. Wir beobachten, wie die Sonne langsam untergeht und den See schräg mit Sonnenstrahlen umzieht. Da wir die meiste Zeit nahe am Ufer fahren, können wir einige interessante Häuser und Gegenden beobachten. Zugegeben, die meiste Zeit haben wir keine Ahnung, wo wir uns eigentlich gerade befinden. Unsere Strecke führt von Meersburg nach Überlingen – so viel wissen wir. Doch all die kleinen Orte dazwischen, die nicht per Lautsprecher durchgesagt werden, sind uns ein Rätsel. Die meiste Zeit könnte ich nicht einmal die grobe Richtung einschätzen, in der wir uns befinden. Doch das macht nichts. Ortskenntnisse braucht man nicht, um den Charme dieser Schifffahrt auszukosten. Eine leichte Brise weht, ich schließe die Augen und bin einfach rundum glücklich. Alles in allem hat sich der Abend für mich sehr gelohnt.

Vielleicht habe ich dann bis zum nächsten Mal auch schon besser geübt, meine Tomatensoße etwas galanter rund um meine Mundwinkel zu verteilen.

(Miriam Jesenik/Schwäbische Zeitung v. 20.08.13)

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