238 000 Mal Konstanz-Meersburg

Nach 50 Dienstjahren hat die «Thurgau» als schwimmende Brücke zwischen Konstanz und Meersburg ausgedient

Ende Januar steuerte die «Thurgau» ihr letztes Ziel an, die Schrottpresse. Kosten für die Entsorgung: 20 000 Euro.

Rund zwei Millionen Kilometer hat das Fährschiff «Nr. 5» der Stadtwerke Konstanz seit seinem Stapellauf am 25. Mai 1954 zurückgelegt - das ist über 238 000 Mal die Dienststrecke Konstanz-Meersburg und zurück; und theoretisch ist die «Thurgau» sogar 50 Mal um den Globus gefahren. Ende Januar trat der Stahlkoloss seine letzte Fahrt an - nach Österreich in die Schrottpresse der Öswag-Werft in Fussach.

Geschichte der Vorgänger

Als am 30. September 1928 der motorisierte Fährbetrieb zwischen Konstanz-Staad und Meersburg begann, war die «Konstanz», Vorgängerin der «Thurgau», die erste europäische Binnenfähre überhaupt, die in Betrieb genommen wurde. Ihr Erfolg führte dazu, dass schon im Juni 1930 das zweite Schiff seinen Dienst aufnahm. Während des Zweiten Weltkrieges wurden die zwei Fähren von der Kriegsmarine beschlagnahmt. Nach Kriegsende dienten die Schiffe kurzzeitig der französischen Besatzungsmacht als Transportmittel für Truppen und Panzer. Schon im Herbst 1945 nahmen sie ihren regulären Linienbetrieb wieder auf.

«Thurgau» dank Aufschwung

Die «Thurgau» war eine der drei zwischen 1951 und 1956 in Auftrag gegebenen Fähren. Das Wirtschaftswunder, der zunehmende Automobilverkehr und der wieder aufblühende Tourismus machten die Bestellungen trotz etlicher Diskussionen im Konstanzer Stadtrat möglich. Gebaut wurde in der Bodan-Werft. Mit den Worten «Fahre gut und lange in segensreichen Friedensjahren» wurde die «Thurgau» am 25. Mai 1954 getauft und nahm am 5. Juni ihren Dienst auf. Als Geste der guten Beziehungen zur Schweiz wurde das Fährschiff «Nr. 5» nach dem Kanton Thurgau benannt.

Einsatz bei der «Seegfrörni»

Ein Leck in einem Motor der «Thurgau» war am 20. Dezember 2003 Auslöser für den letzten größeren Ölunfall auf dem Bodensee, als die «Thurgau» den Grund im Staader Fährehafen berührte. Seit 2003 war das Schiff nicht mehr für den Linienverkehr zugelassen, es wurde nur noch als Arbeits- und Transportschiff beim Umbau der Landebrücken in Konstanz-Staad und Meersburg eingesetzt. Schon vor rund 40 Jahren war die «Thurgau» einmal nicht als Autofähre, sondern als Arbeitsschiff eingesetzt worden: Bei der «Seegfrörni» im Winter 1963 verhinderte sie mit nächtlichen Fahrten das Einfrieren der Fahrrinne; zumindest bis die Eisschollen eine Dicke von über 30 Zentimetern erreicht hatten. Dann musste der Betrieb der «schwimmenden Brücke» über den Bodensee vom 7. Februar bis zum 15. März nach 35 Jahren zum ersten Mal seit dem Bestehen eingestellt werden.

«Schätze» entfernt

Das 50-Jahr-Dienstjubiläum der «Thurgau» im Mai 2004 war zugleich auch ihr Abschied: Die letzte offizielle Tätigkeit übte sie als Begleitschiff während der Taufzeremonie der neuen «Tábor» aus. Im Januar wurden die «Schätze» der «Thurgau» im Staader Hafen demontiert: Bullaugen, Radaranlage, Sirenen, Anker, Türklinken und die seitlich angebrachten Lettern des Fährenamens. Für die Zerschweißung und Entsorgung in der österreichischen Schrottpresse müssen die Stadtwerke Konstanz rund 20 000 Euro berappen.


Stichwort

«Thurgau»: Die größte und teuerste

Mit 54 Metern Länge, 11,60 Metern Breite, einer möglichen Zuladung von 150 Tonnen und Platz für 40 Autos war die «Thurgau» das bis zum Baujahr größte und mit über einer Million D-Mark Anschaffungskosten teuerste Schiff der Flotte - und das erste, das nicht mit Propellerdoppelschrauben, sondern mit «Voith-Schneider-Propellern» ausgestattet war. Bei dieser Antriebsart greifen vier oder fünf Flügel senkrecht ins Wasser ein und sind auf einem kreisförmigen Antriebsrahmen befestigt. Während sich der Antriebsrahmen dreht, kann der Stellwinkel der Flügel geändert werden: Die Wasserverdrängung lässt sich so in jede beliebige Richtung lenken. Eine Ruderanlage unter den Schiffen ist überflüssig, denn der Voith-Schneider-Propeller ist Antrieb, Bremse und Steuerung zugleich. Das erklärt, weshalb sich die Fähren auf der Stelle drehen können. Bis Ende 60er-Jahre waren fünf Mann auf der «Thurgau» beschäftigt. Ein Schiffsführer, drei Matrosen für den Kassierdienst und ein Maschinist.

(St. Galler Tagblatt v. 08.02.05)

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