Zur Fatima-Schiffsprozession werden Tausende erwartet

Er war ein glühender Marienverehrer mit Organisationstalent und Neigung zum Spektakel - doch hätte es sich der im Oktober 2002 verstorbene Tischler Ferdinand Andreatta nie träumen lassen, was aus seiner Initiative einmal werden würde. Die von ihm 1979 zum Fest Mariä Himmelfahrt aus der Taufe gehobene "Fatima-Schiffsprozession" auf dem Bodensee hat in den vergangenen Jahren einen beispiellosen Aufschwung genommen.

Kurienkardinal Walter Kasper - er war vor einem Jahr zum ersten Mal dabei - will am Freitag zwar nach Lindau kommen und dort ein Pontifikalamt halten, nicht aber an der Schiffsprozession teilnehmen. Dafür kommt der Moskauer Erzbischof Tadeusz Kondrusiewicz. Außerdem sind der Feldkircher Bischof Klaus Küng, sein Kollege Ivo Fürer aus dem Schweizer St. Gallen und der Augsburger Weihbischof Anton Losinger mit an Bord. Zwei weitere Bischöfe werden aus Kroatien und Nigeria erwartet. Küng, der Opus Dei angehört, hat die früher privat organisierte und von der Kirche verschämt verschwiegene Wallfahrt zur offiziellen Veranstaltung des Mitteleuropäischen Katholikentages aufgewertet.

Wallfahrten haben üblicherweise Gnadenorte zum Ziel. Damit aus dem Bodensee ein solcher wurde, half Andreatta etwas nach. Er versenkte eine kleine Fatima-Statue in den Fluten - "zum Schutz für das Dreiländereck", sagt seine Witwe. "So, wie bei uns auf den Berggipfeln Kreuze angebracht werden." Der Tischler aus Bludenz in Vorarlberg musste wegen eines Rückenleidens seinen Beruf früh aufgeben. Umso mehr Zeit widmete er seiner Leidenschaft: Marienerscheinungen. Allein nach Fatima in Portugal pilgerte er 50 Mal. Die Idee einer Schiffsprozession ließ ihn nicht los.

Am Caldonazzo-See in Norditalien, der Heimat seiner Eltern, hatte Andreatta bereits 1972 eine Madonnenfigur auf den Grund sinken lassen, "feierlich, mit einer Taucherorganisation", erinnert sich seine Frau. Vom Wörthersee, wo es bereits seit mehr als 50 Jahren eine vergleichbare Prozession zu Mariä Himmelfahrt gibt, nahm er sich weitere Anleihen für die Ausgestaltung "seiner" Wallfahrt. Nach dem Kärntner Vorbild wird auch am Bodensee auf dem Schiff eine lebensgroße Muttergottes verankert, auf einem Blumenthron und mit einer überdimensionalen Krone versehen.

Viele Vorarlberger Pfarrer wollten von der Wallfahrt nichts wissen. "Übertriebene Marienfrömmigkeit", lautete das Verdikt. Den Fatima-Freunden von der "Blauen Armee Mariens" gefielen Andreattas Inszenierungen. Auch gewann der Bludenzer immer wieder zugkräftige Zelebranten, etwa den umstrittenen Erzbischof Wolfgang Haas, damals Chur, heute Vaduz. Aber selbst ein enger Mitarbeiter des Feldkircher Bischofs, der das Ganze jetzt in "geordnete Bahnen" lenken will, räumt ein: "Manchmal ist der Gaul mit Andreatta durch."

Da ist zum Beispiel die Sache mit dem Hubschrauber. Weil die Prozessions-Madonna so schwer an Bord zu kriegen war, ließ sie Andreatta im Bregenzer Hafen per Helikopter aufs Schiff hieven. Im Sommer 2000 nahm der Mann Kontakt zur Gebetsstätte Wigratzbad auf der deutschen Seite des Sees auf. Auch in Wigratzbad soll in den 30er-Jahren Maria einer jungen Frau erschienen sein. Die katholische Kirche erkannte diese Erscheinung nicht an, errichtete allerdings eine Gebetsstätte. Andreatta vertraute sein Projekt dem Leiter der Einrichtung, Monsignore Thomas Maria Rimmel, an.

"Die Wigratzbader führen das viel größer weiter", freut sich Andreattas Witwe. "Es wirkt sich günstig aus, dass jetzt die Kirche dahinter steht." 2002 kamen 4500 Menschen. Auf sechs vollbesetzten Booten, geschmückt mit Kreuzen und Girlanden, starteten sie nicht nur von Bregenz, sondern auch von Lindau und Rorschach aus zur abendlich-andächtigen Ausfahrt auf den See und sangen dort Maria zu Ehren "Meerstern ich dich grüße", bevor ein Feuerwerk den Nachthimmel erleuchtete.

In diesem Jahr gibt es an Mariä Himmelfahrt vor der Prozession rund um den See einen ganzen Reigen von Pontifikalämtern mit Bischöfen - in der Wigratzbader Sühnekirche gleich drei. Galt früher schlicht das Motto "für Frieden und Hoffnung auf dem Bodensee", geht es heute darum, "ganz Europa dem Schutz des Himmels anzuempfehlen", schreibt Rimmel in seiner Einladung. "Wie noch nie" drohe dem Kontinent die "Gefahr des Abgleitens in die Gottlosigkeit". Vor dem Segen auf dem See soll Europa "dem Unbefleckten Herzen Mariens" geweiht werden. Dazu erklingt die Eurovisionsmelodie.

Rimmel hat acht Ausflugsdampfer angemietet, das ist praktisch die gesamte Flotte des östlichen Bodenseeraums. Nach Westen hin sieht er weiteres Entwicklungspotenzial für die Wallfahrt. Wegen der begrenzten Kapazität der Schiffe "müssen wir wahrscheinlich dieses Jahr einigen Leuten absagen", bedauert Monsignore.

Familie Andreatta hat sich aus der Organisation zurückgezogen. Trotzdem freut sich die Witwe: "Ich glaube, er wäre enttäuscht gewesen, wenn alles eingeschlafen wäre."

(Schwäbische Zeitung v. 12.08.03)

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