Als die Räder
schwimmen lernten:
Buch beleuchtet Ära der Schaufelraddampfer am See
Zwei Schifffahrt-Enthusiasten haben der Ära der Schaufelraddampfer am Bodensee ein Buch gewidmet
Die einzige Überlebende einer großen Zeit ziert das Titelbild und führt in eine spannende Geschichte ein: Mit der „Hohentwiel“ wollen Karl F. Fritz und Reiner Jäckle auf „das goldene Zeitalter der Schaufelraddampfer auf dem Bodensee“, so der Titel ihres neuen Buchs, aufmerksam machen. Erschienen ist das Werk im Sutton-Verlag.
„Von der ,Steh-Fahr-Nie‘ zum ,Seeschneck‘, „,Max Joseph‘ war ein Brandstifter“ oder beispielsweise „Der Überlebenskampf der ,Hohentwiel‘“ – auf 96 Seiten erzählen die Autoren in 20 Kapiteln die Geschichte verschiedener Schaufelraddampfer. Entstanden ist ein Buch, „das Lesestoff für alle bietet, die den Bodensee mögen“, versichert Schifffahrtshistoriker Karl F. Fritz. „Quasi als Ergänzung zum Bildband ,Vom Raddampfer zur Weißen Flotte – die Geschichte der Bodenseeschifffahrt'.“
Mit der „Wilhelm“, die 1824 ihre Jungfernfahrt hatte, begann für die Bodenseeschifffahrt eine neue Ära: die der Dampfschiffe. „Der See soll nicht trennen, sondern verbinden“, lautete das Motto des von König Wilhelm I., heißt es in dem Buch. „Vor dem Baubeginn galt es jedoch, die Widerstände der alteingesessenen Schifferzünfte zu überwinden. Ein dampfbetriebenes Wasserfahrzeug erschien den biederen Seeleuten ebenso utopisch wie der Bevölkerung um das Jahr 1900 eine Reise zum Mond. Der König musste seine ganze Autorität in die Waagschale werden, um die Schifferzünfte vom Nutzen der von Wind und Wetter unabhängigen Dampfkraft zu überzeugen.“
Nach vielen Schwierigkeiten waren die Schaufelraddampfer auf dem Bodensee etabliert: Fast 150 Jahre prägten sie mit ihren rauchenden Schornsteinen und beinahe unentwegt arbeitenden Schaufelrädern das Bild auf Deutschlands größtem Gewässer. Noch heute zieht die „Hohentwiel“, der letzte übriggebliebene Schaufelraddampfer, die Menschen in ihren Bann – selbst Hollywood ist schon auf ihn aufmerksam geworden.
Unterlagen, Bordbücher, Archive
Unterlagen aus Bordbüchern beispielsweise, Informationen aus dem großen Fritz-Archiv und teilweise bisher nicht veröffentlichte historische Abbildungen sind in dem Buch enthalten. Ein paar davon hat eine ältere Dame im Herbst Karl F. Fritz in die Hand gedrückt: „Das ist für Sie.“
Auch die Menschen kommen nicht zu kurz: So wird in dem neuen Buch von einem Hafenkommandanten, einem pensionierten Zollbeamten, erzählt. Bei jeder Schiffankunft habe er auch die Uhr geblickt und „peinlich genau das Anlegemanöver beobachtet“. Und weiter: „Sobald ein Schiff zu hart gegen die Dalben krachte, nahm er den Kapitän in die Pflicht: ,Heut bischt aber wieder schlampig hergfahre.‘ Die meisten Kapitäne lachten und versprachen sich zu bessern, andere zeigten weniger Sinn für einen solchen Verweis und drohten dem Hafenkommandanten mit erhobener Faust“, haben die Autoren recherchiert.
Blättert Karl F. Fritz in dem neuen Buch, wird es ihm wehmütig ums Herz: „Die Dampfer, die auch im Winter fuhren, sind ein Stück früher, lieber Kindheitserinnerungen“, sagt der 63-Jährige. „Ich bin froh, dass die ,Hohentwiel‘ überlebt hat und wir uns mit ihr in alte Zeiten zurückversetzen können.“ Karl F. Fritz wäre sich untreu, würde er nicht bereits an einem neuen Werk arbeiten: Darin dokumentiert er die Ära der Motorschiffe auf dem Bodensee. Bis das neue Werk erscheint, werden seiner Schätzung zufolge noch zwei Jahre vergehen - Karl F. Fritz arbeitet als Festmacher für die Bodensee-Schiffsbetriebe in Dingelsdorf und hat fürs Bücherschreiben nur begrenzt Zeit. „Als Schiffsliebhaber kann ich meinen Landesteg nicht im Stich lassen. Dafür ist er mir einfach zu sehr ans Herz gewachsen“, sagt er.
Reiner Jäckle, Karl . Fritz: „ Das goldene Zeitalter der Schaufelraddampfer auf dem Bodensee “, Sutton-Verlag, ISBN 978-3-95400-308-2, 18,95 Euro.
(Hildegard Nagler/Schwäbische
Zeitung v. 11.12.13)