Alle Stürme und politische Wechselbäder unbeschadet überstanden

Motorschiffe "Schwaben" und "Karlsruhe" 80 Jahre auf dem Bodensee unterwegs

Die beiden großen Dreideck-Motorschiffe des Jahres 1937 sind bei Schiffsliebhabern und Stammferiengästen längst zu einer festen Institution geworden. Ihre markanten und maritimen Silhouetten prägen zusammen mit den moderneren Einheiten der Nachkriegsgeneration das Erscheinungsbild der „Weißen Flotte“. Erste Entwürfe und Planungen begannen im Jahre 1935. Beide Neubauten waren als Ersatzschiffe für die damals nicht mehr zeitgemäßen Raddampfer „Königin Charlotte“ und „Zähringen“ vorgesehen. Dank der guten Erfahrungen mit der am 6. Juni 1935 in Dienst gestellten „Deutschland“, der späteren „Überlingen“ (IV), musste in der Hamburger Schiffbau-Versuchsanstalt kein neues Schleppmodell mehr angefertigt werden. Bei einem Vergleich mit den beiden Vorgängerschiffen „Baden“ und „Deutschland“ wurde zum ersten Mal ein ausgewogenes Konzept zwischen Innenräumen und Freideckplätzen angestrebt. Die Bauausführung der beiden Schiffbauunternehmen, bei der „Schwaben“ die Bodanwerft in Kressbronn unter dem Vorsitz von Diplomingenieur Kempf und der Werft in Deggendorf an der Donau, die für die „Karlsruhe“ zuständig war, erfolgte in enger Zusammenarbeit mit dem Reichsbahnzentralamt in München. Nach Auffassung des zuständigen Reichsbahn-Oberrates Rudolf Grassl, sollten beide Schiffe einen betont  maritimen Gesamteindruck hinterlassen. Ebenso wie die „Deutschland“ erhielten beide Schiffe ein den Raddampfern nachempfundenes Rundheck mit den ausfallenden Anbauten für die Voith-Schneider-Propeller im Bereich der Wasserlinie. Als Antrieb wurden für beide Schiffe zwei Sechszylinder-Viertakt-Dieselmotoren der Motorenwerke Mannheim des Typs RH 242 S mit einer Regelleistung von 2 x 400 PS und einer Höchstleistung von 2 x 440 PS gewählt. Für die Innenausstattung der „Schwaben“ wurde poliertes Birnbaumholz, bei der „Karlsruhe“ gebeiztes Eichen- und gewachstes Lärchenholz verwendet.

Der Stapellauf der „Schwaben“ erfolgte am 28. November 1936. Der Innenausbau wurde größtenteils am schwimmenden Schiff vorgenommen. Der Zusammenbau der „Karlsruhe“ begann im November 1936 auf der Konstanzer Werft und am 10. März 1937 konnte das Schiff eingewassert werden. Während der ersten Probefahrten stellte sich allerdings ein starkes Durchglühen der beiden Auspufftöpfe heraus, sodass diese gegen eine größere Ausführung ausgetauscht werden mussten. Zu den wichtigsten Unterscheidungs-Merkmalen zwischen der „Schwaben“ und der „Karlsruhe“ zählt die Form der Kamine. Während der Kamin der „Schwaben“ tropfenförmig mit einem pilzförmigen Rauchabschluss konstruiert wurde, erhielt die „Karlsruhe“ einen nach achtern spitz zu laufenden Kamin. Beide Formen sollten eine optimale Abströmung der Auspuffgase und eine möglichst geringe Rußbelästigung der Fahrgäste auf dem Sonnendeck gewährleisten. Wegen den baulichen Verhältnissen der damaligen Konstanzer Werfthalle, wurde für den Kamin der „Karlsruhe“ eine leicht abnehmbare Ausführung gewählt. Auch die Nockstände der Kommandobrücke sind bei einem Vergleich mit der „Schwaben“ von geringerer Breite. Ab 1971 wurden die Auspuffleitungen bei beiden Schiffen durch das Heck verlegt. Die markanten Kamine dienen seither nur noch als Rauchabzug von Heizung und Bordküche. An den Linienriss der „Schwaben“ orientierte sich auch ein Jahr später der österreichische Schiffbauingenieur Karl von Umlauff für seine ersten Entwürfe für das Motorschiff „Austria“, das von 1939 bis 1946 zwangsläufig den Namen „Ostmark“ trug. Ebenso bleibt die „Verwandtschaft“ des 1952 für die Flotte auf dem Zürichsee erbauten Motorschiffes „Linth“ mit der „Schwaben“ unverkennbar. Die Baukosten der „Schwaben“ beliefen sich auf 521.000 Reichsmark, während für die „Karlsruhe“ 511.000 Mark aufgewendet werden mussten.

Die Jungfernfahrt der „Karlsruhe“ erfolgte am 28. April 1937, die „Schwaben“ wurde am 7.Mai 1937 offiziell in Dienst gestellt. Als Besonderheit der „Schwaben“ sei noch eine speziell eingerichtete „Trinkstube“ im Deckshaus unterhalb des Kaminaufbaus auf dem  Sonnendeck I. Klasse erwähnt. Während die Personenzahl von 800 Fahrgästen bei der „Karlsruhe“ unverändert blieb, konnte die „Schwaben“ nach einem weiteren Krängungsversuch im Frühjahr 1938 für 1.000 Personen zugelassen werden.

Beide Schiffe wurden in den ersten Betriebsjahren vorzugsweise für Sonderfahrten der staatlich geförderten NS-Organisation „Kraft durch Freude“ verwendet und leisteten nur sporadisch Kursdienste auf dem Ober- und Überlingersee. Nach einer vermeintlichen Entspannung der Kriegslage durch den aus deutscher Sicht erfolgreich verlaufenen Frankreich-Feldzug, wurde die „Karlsruhe“ ab Juli 1940, wenn auch zurückhaltend wieder für Ausflugsfahrten verwendet. Die „Schwaben“ unterstand schon ab der zweiten Jahreshälfte 1941 der Marine zur Erprobung von Unterwasser-Horchgeräten der Bremer Atlaswerke. Diese Versuche wurden nach dem Einmarsch der französischen Streitkräfte noch über einen längeren Zeitraum fortgesetzt. Bis 1948 trug die „Schwaben“ den Namen „St. Corenthin“. Von einer Umbenennung der beiden Konstanzer Motorschiffe „Baden“ und „Karlsruhe“ wurde jedoch Abstand genommen, was vermutlich auf einen Besuch von General de Gaulle in Konstanz zurückgeführt werden kann. Denn schon im Mai 1945 hatte das spätere französische Staatsoberhaupt den Wunsch geäußert, das sich insbesondere die Beziehungen zwischen Frankreich und dem Land Baden bald wieder normalisieren mögen.

Ab Juli 1944 wurde die „Karlsruhe“ nach Unteruhldingen verlegt, wo die hohen Pappelreihen einen gewissen Schutz gegen aus westlicher Richtung einfliegende Tiefflieger boten. Später wurde das Schiff mit Tarnnetzen abgedeckt und am Ufer zwischen Bodman und der Marienschlucht verankert. Nach der Besetzung von Konstanz am 26. April 1945, wurden auch alle in diesem Hafen stationierten Schiffe sofort beschlagnahmt. Bis zum Jahresende 1948 diente die „Karlsruhe“ als schwimmende Unterkunft für die französischen Streitkräfte. In diesem Zeitraum verschwand auch die von der Deggendorfer Bauwerft angefertigte Schiffsglocke. Aber Werkmeister Held hatte noch mehrere Signalglocken ausgemusterter Dampfschiffe in der Konstanzer Werft aufbewahrt. Diesem Umstand verdankt die „Karlsruhe“ die 1871 von der bekannten Glockengießerei Carl Rosenlächer angefertigte Schiffsglocke für den ersten Salondampfer „Kaiser Wilhelm“, die ab 1949 als besonderes Schmuckstück über dem Ankerspill angebracht wurde. Während die „Schwaben“ schon 1948/49 ihr weißes Kleid zurückerhielt, verkehrte die „Karlsruhe“ noch über die gesamte Saison 1949 im blaugrauen Tarnanstrich der Kriegsjahre. An der Verwendung als Renommierschiffe der Verwaltungen in Konstanz und Friedrichshafen gab es bis 1960 keine Veränderungen. Während des 1949 ins Leben gerufenen „Seehasenfestes“, war die „Schwaben“ wieder zum ersten Mal nach gut 10-jähriger Zwangspause wieder als festlich beleuchtetes Tanzschiff unterwegs.

Nach Indienststellung des neuen Motorschiffes „Stuttgart“, wurde die „Schwaben“ vermehrt dem Kursverkehr zwischen Friedrichshafen, Bregenz und Konstanz zugeteilt. Zwei Jahre später hatte in Konstanz auch die „München“, das neue Schwesterschiff der „Stuttgart“ der „Karlsruhe“ den Rang abgelaufen. Als erstes Motorschiff der Vorkriegsgeneration wurde im Jahre 1965 die „Karlsruhe“ mit zwei neuen Achtzylinder-Motoren des Fabrikates MWM-RH 435 mit einer Regelleistung von 2 x 400 PS ausgerüstet. Drei Jahre später wurde auch die „Schwaben“ mit einer identischen Antriebsanlage neumotorisiert. Die ursprünglichen Motoren waren zwar noch nicht am Ende ihrer Lebensdauer angelangt, aber Probleme bereiteten die Beschaffung von Ersatzteilen, die teilweise manuell angefertigt werden mussten.

Um bei kühler Witterung für die Fahrgäste der II. Klasse einen zusätzlichen Raum zu schaffen, wurde 1968/69 bei beiden Schiffen in der vorderen Hälfte des bisher offenen Achterdecks ein geschlossener Salon eingebaut. Da die „Karlsruhe“ nach dem Einbau der neuen Motorenanlage bei Bedarf über eine höhere Leistungsreserve verfügte, verdrängte das Schiff die um zwei Jahre ältere „Baden“ immer mehr aus der Stammrolle im Obersee-Längsverkehr.

Im Jahre 1978 erhielt die „Karlsruhe“ neue Voith-Schneider-Propeller, einen neuen Heizung und ein Radargerät. Auf der „Schwaben“ wurde der bisherige Windfang im vorderen Drittel des Sonnendecks zu einem größeren Fahrgastraum erweitert. Das auf diese Weise verbesserte Gastronomie-Angebot wurde allerdings mit einem Eingriff in die  schiffbauliche Ästhetik des Originalzustandes erkauft, der nach neuesten Informationen wieder hergestellt werden soll. Als im Jahre 2006 die „Stuttgart“ nach Konstanz verlegt wurde, wechselte die „Schwaben“ von Friedrichshafen nach Lindau. Die Neugestaltung der Fahrgasträume auf der „Karlsruhe“ im Jahre 2005 fand bei den Stammgästen keine ungeteilte Zustimmung. Die Holzvertäfelung des früheren Speisesalons II. Klasse, der diesem Raum eine betont anheimelnde Atmosphäre verlieh, wurde vollständig ausgebaut und nach den Vorschriften einer inzwischen wieder außer Kraft gesetzten Rheinschifffahrts-Ordnung durch nicht brennbare Materialien ersetzt. Erhalten geblieben ist das zwar liebevoll ausgestaltete „Karlsruhe“-Stüble im vorderen Teil des Mitteldecks, das aber nicht dem Originalzustand des Schiffes aus den 1930er Jahren entspricht. Bei diesem Salon handelt es sich um ein Patengeschenk der Stadt Karlsruhe anlässlich des 50-jährigen Jubiläums im Jahre 1987. Zu einem besonderen Höhepunkt gestaltete sich am 9. September 2009 die Abschiedsfahrt des altgedienten Kapitäns Heinz Maier, der nach 46 Dienstjahren bei den BSB in den Ruhestand trat. Die Boote der Wasserschutzpolizei und der österreichischen Gendarmerie gaben von Bregenz bis zur Lindauer Hafeneinfahrt der bei diesem Anlass über die Toppen beflaggten „Karlsruhe“ mit ihrem populären und beliebten Kapitän das Ehrengeleit.

Während die Zukunft der seit 2014 unter Denkmalschutz stehenden Schiffe „Baden“ und „Schwaben“ gesichert zu sein scheint, bleibt das Schicksal der „Karlsruhe“ in absehbarer Zeit ungewiss. Es bleibt zu hoffen, dass auch dieser charakteristische „Klassiker“ des Bodenseeverkehrs in irgendeiner Form erhalten bleiben möge.

(Karl F. Fritz)

Quellenangabe:
Hans Georg Brunner-Schwer/Karl F. Fritz „Von der „Allgäu“ zur „Graf Zeppelin“ /Labhard-Verlag Konstanz 1998
Michael Berg: „Die Motorschifffahrt auf dem Bodensee“, Verlag Regionalkultur Ubstadt-Weiher 2010
Karl F. Fritz/Reiner Jäckle „Der Siegeszug der Motorschiffe“, Sutton-Verlag
Erfurt 2015

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