Der Traum von der Großschifffahrt
Im St. Margrether Eselschwanz ist viel los:
Mitarbeiter des großen Hafens entladen mit Hilfe der Maschinen ein Schiff, das
soeben im Unterrheintal Anker geworfen hat. Von Basel her war es via Rhein nach
St. Margrethen gekommen. Auf der anderen Seite des Flusses fährt ein anderes
Schiff wieder in die Richtung der Läckerli-Stadt. Die Szene tönt nach einem
Science-Fiction-Film mit Lokalkolorit, hätte aber durchaus Realität werden können.
Armin Hanselmann besucht derzeit die vierte
Klasse der Kantonsschule und wohnt in St. Margrethen. «Für die Maturaarbeit
wollte ich ein lokalhistorisches Ereignis ergründen», sagt Hanselmann. Im «Mosaik»
– so heißt das St. Margrether Gemeindemitteilungsblatt – vom März 1992 ist
der 18-Jährige schließlich auf einen Beitrag gestoßen, der von der Rhein-Großschifffahrt
handelte. Geschrieben hatte den Artikel damals sein Vater.
In seiner über fünfzigseitigen Arbeit
schildert Armin Hanselmann das Vorhaben der St. Margrether Vorfahren
detailliert. Er erklärt die Pläne zum geplanten Rheinhafen-Projekt im
Eselschwanz, stellt die treibenden Kräfte hinter der Idee vor und ordnet das
Geplante in einen europäischen Kontext ein. Von Basel bis zum Bodensee,
respektive bis nach St. Margrethen, sollte die Schifffahrtsstrasse führen, das
Unterrheintaler Dorf wäre somit zum wichtigen Knotenpunkt in der europäischen
Schifffahrt und der Bodensee zu einem Zentrum im internationalen Wasserstraßennetz
geworden. Unsummen an Geld wurden während der langen Projektphase investiert,
das Thema war ab 1908 der Inhalt von so mancher Gemeinderatssitzung. «Am Anfang
dachte ich:
Kurz nachdem er den Satz beendet hat, fügt er
an: «Ich finde es aber vernünftig, dass der Hafen nicht gebaut wurde. Schließlich
ist das Schiff heute in unserer Region nicht mehr das gefragteste
Transportmittel.»
«Wie sähe denn St. Margrethen heute aus,
wenn der Hafen gebaut worden wäre?» – «Das Dorf hätte sich wohl ganz
anders entwickelt, die Bedeutung von St. Margrethen wäre größer geworden.»
– «Und wirtschaftlich?» – «Der Hafen hätte wohl Arbeitsplätze gebracht.
Es ist aber fraglich, ob ein derart großer Hafen heute noch rentieren würde.
Zudem wäre der Eselschwanz dann kein schönes Naturschutzgebiet, wie er es
heute ist.»
Armin Hanselmann bilanziert schließlich, wie
St. Margrethen heute aussähe, sei der Phantasie der Leser überlassen. «Wissen
tut es niemand», sagt er. Auch was seine weitere schulische Ausbildung
betrifft, grübelt Hanselmann noch. «Historiker wäre aber schon eine
ernsthafte Option», schmunzelt er.
(Samuel Tanner/St. Galler Tagblatt v. 10.02.11)