Der 87-jährige
„Die
Fähre Staad-Meersburg hat vorgestern um 14 Uhr den Betrieb auf unbestimmte Zeit
eingestellt.“ So schrieb der SÜDKURIER in seiner Ausgabe vom Samstag, 9.
Februar 1963. Damit standen zum ersten Mal in der Geschichte die Fähren
zwischen den beiden Orten still, selbst im Zweiten Weltkrieg war ein dauerhafter
Verkehr gewährleistet. Bis heute bleibt das Ereignis einmalig. Nicht einmal die
stärksten Schiffe seien den bis zu 30 Zentimeter dicken Eisschollen gewachsen
gewesen, das Fährpersonal sei pausenlos im Einsatz gewesen, berichtete der SÜDKURIER.
Einer
dieser Männer war Schiffsführer
Doch das Eis hatte auch sein Gutes: „Wir sind mit den Kindern auf Schlitten von Wallhausen nach Überlingen über den See gewandert“, erzählt der Schiffsführer in Rente. Genug zu tun gab es für das Schiffspersonal dennoch: Zwar fuhren die Schiffe nicht mehr, doch in der Werkstatt oder im Büro gab es genug Arbeit: „Ich musste Telefondienst machen, ständig haben Leute angerufen und gefragt, warum die Schiffe nicht mehr fahren“, erzählt Carolus. Einige Kollegen hätten die Eiszeit zum Abfeiern von Überstunden genutzt.
Für ihn selbst war der mit Eis überzogene Bodensee aber nichts Ungewöhnliches: „Ich kannte das aus meiner Heimat, da waren die Seen und Flüsse jedes Jahr zugefroren“, erzählt der aus Kiel an den Bodensee Gezogene. Ursprünglich stammt er aus dem Frischen Haff an der Ostsee, das seinerzeit zu Preußen gehörte. Die Familie seiner Verlobten wurde im Jahr 1950 nach Konstanz umgesiedelt, Carolus begleitete sie und hoffte, dort wieder einen Job als Schiffsbauer zu bekommen. Vom hohen Norden ans andere Ende Deutschlands – ein Kulturschock war es für Carolus aber nicht. „Schiffe gab es hier ja auch“, scherzt er.
Doch mit dem Job als Schiffsbauer wurde es nichts. Enttäuscht arbeitete er als Zimmermann: „Zu dieser Zeit musste man froh sein, überhaupt Arbeit zu haben.“ Doch seine gefiel ihm nicht: „Das war mir zu grob.“ Zu seinem „schönsten Beruf“ kam der 87-Jährige durch Zufall. Ein Bekannter erzählte ihm im Jahr 1951 von der Arbeit auf der Fähre und ermunterte ihn, dass dieser Job auch etwas für ihn sei. „Dann bin ich zum Oberbürgermeister gegangen und habe eine Bewerbung abgegeben“, schildert Carolus. Diese wurde, wenn auch etwas irritiert, vom Bürgermeister angenommen. Mehrere Monate hörte er nichts mehr von seiner Bewerbung, er rechnete mit einer Absage. Doch wie aus dem Nichts bekam er Bescheid, dass er den Posten erhalten habe. Der Lohn: 1,85 Mark pro Stunde. „Am 11. August war mein erster Tag auf der ‚Meersburg’“, erzählt Carolus. Drei Jahre später sei er dann zum Schiffsführer befördert worden, mit damals 28 Jahren der jüngste aller Zeiten – „bis heute“, wie er sagt. Einmal auf der Fähre, wollte er nichts anderes mehr machen: „Das Tolle an der Arbeit war, dass es nie langweilig wurde und man immer andere Leute getroffen hat.“ Allein der Nachtdienst sei schlimm gewesen, „wenn man nur das Summen der Motoren hört“.
Bei der ersten Fahrt nach der Seegfrörne im März, wurde das Fährschiff in Meersburg von Schaulustigen, Musikkapellen und dem Meersburger Bürgermeister begeistert empfangen, wie Carolus erzählt. „Ich war bei der ersten Fahrt leider nicht dabei, meine Kollegen haben es mir aber stolz erzählt.“
(Sascha
Meißner/Südkurier v. 08.03.13)