Rätselhaftes Wrack im Bodensee könnte Sensation sein
Historische Schiffsreste bei Langenargen gefunden – Ungewöhnliche Bauweise
Beim Ferienort Langenargen ist ein rätselhaftes Schiffswrack im Bodensee gefunden worden. Es wird gegenwärtig noch erforscht. Womöglich sind Taucharchäologen jedoch auf eine kleine Sensation gestoßen.
Für den normalen Besucher Langenargens sieht es am Ufer aber erst einmal aus wie bisher: Das Schloss Montfort beherrscht die Seepromenade der östlich von Friedrichshafen gelegenen Gemeinde. Der Wind treibt Wellen gegen dessen Mauern. Schon in alten Zeiten war der heutige Schlossgrund eine gute Beobachtungsstelle für den Schiffsverkehr. Weshalb hier einst auch eine Burg stand. Dies ist bekannt und erforscht. Im Dunkeln lag bisher, dass es unweit des Ufers auf dem Seegrund ein Wrack gibt, dessen Reste Neues für die Schifffahrtsgeschichte bringt.
Sechs Meter breit, 30 Meter lang
Man könnte von einem Aufsehen erregenden Fund sprechen, auch wenn das baden-württembergische Landesdenkmalamt jegliche Aufregung dämpft. Dabei lässt die Beschreibung des Wracks aufhorchen. Es handelt sich um ein Holzschiff mit mindestens sechs Metern Breite und einer Länge von rund 30 Metern. Einstufung: historisch. Taucharchäologen haben Holzproben entnommen, um mittels einer dendrochronologischen Datierung das Alter herauszufinden. Ergebnisse liegen noch nicht vor. Aber schon jetzt scheint klar zu sein, dass das Wrack das größte bisher im Bodensee festgestellte Holzschiff aus alten Zeiten ist. Daneben könnte seine Bauart noch für Wirbel sorgen.
Christopher Paul, einer der Taucharchäologen, lässt sich folgendermaßen zitieren: Die Wrackteile würden zu nichts passen, was auf dem Bodensee verwendet worden sei. Die Reste seien deutlich stabiler als gängige Modelle. Ihn erinnere die Gestalt des Wracks an die Formen nordischer Schiffe.
Nun sind die Wikinger im 9. und 10. Jahrhundert zwar weit nach Mitteleuropa hinein vorgestoßen und haben selbst den Mittelrhein auf ihren Raubzügen befahren. Den Bodensee erreichten sie jedoch nicht. Vielleicht war dort aber zu anderen Zeiten ein robuster, und damit kriegstauglicher Schiffstyp nötig? Beispielsweise im Dreißigjährigen Krieg von 1618 bis 1648? Seinerzeit fuhren spezielle Kampfboote auf dem Bodensee, Jagdschiffe genannt. Es kam zu Seegefechten – auch bei Langenargen. Bei einem der Kriegszüge wurde die dortige Burg zerstört.
Vielleicht stammt das Wrack aus jener Zeit? Dies ist jedoch reine Spekulation. Der Landesdenkmalschutz will sich dazu nicht äußern. Er lässt die Reste des Schiffes weiter untersuchen und dokumentieren. Der Rumpf wird als bauchig geformt beschreiben. Deshalb dürfte das Wrack wohl nicht aus dem Mittelalter stammen. Seinerzeit schufen mitteleuropäische Schiffszimmerleute kastenartige Boote. Der Fund weist dagegen grob auf später am Bodensee gebräuchliche Bauweisen hin.
Zwischen dem 15. und 20. Jahrhundert waren auf vielen europäischen Binnengewässern Lädinen üblich, Lastensegler für den Handel. Auf dem Bodensee hat sich über Wasser keines dieser Schiffe erhalten. Durch kleinere Funde in den vergangenen Jahrzehnten, bildliche Darstellungen und Überlieferungen aus anderen Regionen hat die Forschung aber eine Vorstellung, wie solche Lädinen aussahen.
Auch diese Lastensegler hatten bauchige Rümpfe – so wie das Wrack. Weshalb es aber noch lange kein Lädine gewesen sein muss. Das Landesdenkmalamt zeigt sich nämlich nicht nur wegen der robusten Bauweise überrascht, sondern ebenso wegen einiger technischer Details. Sie habe man bisher von Bodenseefunden nicht gekannt, heißt es. Als Beispiele werden die innere Verkleidung der Bordwand und spezielle Eisennieten für die Verbindung der Bordwand-Planken genannt.
Dass es überhaupt zu diesem Fund kam, ist Zufall. Bereits vor einem Jahr waren einem Fischer Holzreste aufgefallen. Sie waren von Ablagerungen bedeckt. Der Fischer informierte das nahe Institut für Seenforschung. Von dort aus ging die Nachricht an die Außenstelle des Landesdenkmalamtes in Hemmenhofen am Untersee. Worauf sich die dortigen Taucharchäologen mit dem Schiff befassten.
Eine Hebung des Wracks ist nicht geplant. Wegen des schlechten Zustands sei sie aufwendig, sagen die Denkmalschützer. Das gleiche gelte für eine Konservierung. Zudem wisse man nicht, wohin mit dem Schiff. Im Landesdenkmalamt überlegt man sich nun, wie sich der Fund an Ort und Stelle erhalten lässt.
(Uwe Jauß/Schwäbische Zeitung v. 15.11.13)