Zeitenwende für die Schifffahrt
Der Bodenseeraum war zwar während des Ersten Weltkrieges kein Kriegsschauplatz, dennoch war die
zivile Schifffahrt an der Grenze der neutralen Schweiz zu den kriegführenden Ländern – dem Deutschen Reich und der
Österreichisch-Ungarischen Doppelmonarchie – vom Krieg betroffen. Der bis Kriegsausbruch äusserst lebhafte Verkehr mit Dampfschiffen und
Dampffähren erlebte einen markanten Einbruch. Schiffe wurden im Grenzschutz eingesetzt und einige Routen für den Gütertransport auf dem
Bodensee dauerhaft aufgehoben.
Weniger Transport
Als unmittelbare Folge trat Mangel an Waren auf. Importe lebenswichtiger Güter erfolgten nicht mehr aus den
kriegführenden Staaten. Kohle, Baumwolle, Getreide, Zucker wurden verstärkt aus den USA bezogen. Eine drastische Reduktion der
Transportmengen sowie Kohlemangel führten zu einem stark eingeschränkten Fahrplan der Bodenseeschiffe, besonders auf den internationalen
Linien. In den ersten Kriegstagen – vom 31. Juli bis 21. August 1914 – war der Grenzverkehr unterbrochen. Deutschland sicherte der Schweiz
dann aber am 11. August die Durchfuhr von Getreide und die Lieferung von Kohle zu. Nach Kriegseintritt Italiens 1915 ging der
Eisenbahnfährenverkehr, der sogenannte Trajektverkehr, zwischen Friedrichshafen und Romanshorn um etwa 50 Prozent zurück. Wegen des
mangelnden Verkehrsaufkommens wird die uralte, 1884 erbaute, bayrischen Dampffähre 1916
ausser Betrieb genommen.
Der Trajektverkehr von Bregenz nach Friedrichshafen wird 1913, nach Romanshorn 1915 und nach Konstanz 1917
eingestellt. Bald danach aber, am 18. August 1917, erreicht – wie die Zeitungen vermelden – ein erster vom
Dampfschleppboot «Vorarlberg» gezogener Schleppzug aus mehreren Schiffen von Österreich her die
Schweiz. Doch dieser und weitere Versuche bis 1925, die Trajektschifffahrt auf dieser Strecke wieder aufleben zu lassen, sind nicht
erfolgreich. Die Bregenzer Trajektverkehrsanstalt wird 1920 aufgelöst.
Der Trajektverkehr zwischen Romanshorn und Lindau beziehungsweise Friedrichshafen bleibt jedoch auch während des
Ersten Weltkriegs aufrecht und wird noch bis 1939 beziehungsweise 1976 weitergeführt.
Grenzschutz verstärkt
Durch Verfügung des württembergischen Kriegsministeriums vom März 1915 wurde zum Zweck des Grenzschutzes gegen die
Schweiz die Einrichtung der österreichisch-deutschen Bodenseeflottille angeordnet, deren Oberleitung das Kriegsministerium in Stuttgart
innehatte. Sie gliederte sich in vier Ländergruppen: Die württembergische Gruppe war mit dem Stab des Kommandos in Friedrichshafen
beziehungsweise Langenargen untergebracht. Die preussisch-badische war in Konstanz beziehungsweise Meersburg, die bayrische in Lindau und
die österreichische in Bregenz stationiert. Dieser diente das österreichische Schiff «Habsburg»
als Unterkunft und Verpflegungsstation. Für den Lindauer Grenzschutz kam das 1908 gebaute Motorboot
«Gemmingen» zum Einsatz, das ab 1919 die Hafenmeisterei übernahm.
Auflösung der Klassen
Die Kriegszeit brachte mit dem vorläufigen Ende der touristischen Blüte auch eine Einschränkung der Ausflugsfahrten
mit den um die Jahrhundertwende zahlreich gebauten Salondampfern. Die bekannte «Hohentwiel»
verkehrte auch während der Weltkriege zwischen Bregenz und Friedrichshafen sowie Friedrichshafen und Romanshorn beziehungsweise Rorschach.
Nach dem Ersten Weltkrieg traten an Stelle des vorwiegend elitären Publikums breite Bevölkerungsschichten: Die
Erste-Klasse-Räume auf den Bodenseeschiffen wurden eingeschränkt und schliesslich ganz aufgehoben, das Vorschiffdeck und das Salondeck für
Passagiere der zweiten Klasse freigegeben.
Wende nach dem Krieg
Mit dem Ersten Weltkrieg vollzog sich auch eine technologische Wende. Schon vor dem Krieg wurden zahlreiche
Glattdeckdampfschiffe ausgemustert, das einzige noch nach dem Ersten Weltkrieg erbaute grössere Dampfschiff war die
«Stadt Überlingen». Es war nun auch nicht mehr der bekannte Zürcher Schiffsbaubetrieb
Escher-Wyss, sondern unter anderem die 1919 in Kressbronn entstandene Bodan-Werft, die die Motorschiffe für rationellere Betriebsführung
lieferte.
Schliesslich brachte der Zusammenbruch der Monarchien auch eine Neuorganisation der
Bodensee-Schifffahrtsgesellschaften. Die nach Mitgliedern der Herrscherhäuser benannten Schiffe aus Österreich, Bayern und Baden wurden
teilweise umbenannt und erhielten zumeist Ortsnamen. Einzig die württembergischen Schiffe behielten ihre Namen, doch die Königskronen auf
den Radkästen wurden gegen einen neutralen Strahlenkranz ausgetauscht. Die Bodenseeschiffe wurden nun auch von den Eisenbahngesellschaften
der neu sich konstituierenden Staaten Österreich und Deutschland übernommen.
Der erst ein halbes Jahr amtierende österreichisch-ungarische Kaiser Karl I. machte mit seiner Gattin Zita von Bourbon-Parma am 5. Juni 1917 von Lochau bei Bregenz aus auf dem Salondampfer Kaiser Franz Josef I. eine Spazierfahrt auf dem Bodensee.