Mehr
als zehnmal ist er zum Wrack des Schaufelraddampfers "Jura"
hinunter getaucht, hat mit dem Entdecker gesprochen und in Archiven gewühlt:
Der Amateurfilmer Josef Pettinger stellt seinen Unterwasserfilm "Die Jura -
Tauchfahrten in die Vergangenheit" vor.
Atmen,
schwerfälliges Atmen eines Tauchers hört man zu Beginn der 55-minütigen
Dokumentation über den Schaufelraddampfer. Eindrückliche Wrackaufnahmen
folgen, umrahmt von einer unaufdringlichen Musik. Fast gespenstisch wirkt das
alte Schiff auf dem dunklen Seegrund, das im Film von allen Seiten beleuchtet
und gezeigt wird. Nach den ersten Bildern des Wracks gibt es Informationen zur
"Jura": Gesunken ist sie am 12. Februar 1868 vor Bottighofen nach
einer Kollision in dichtem Nebel mit dem schweizerischen Dampfboot "Zürich".
Es dauerte nur wenige Minuten bis das Schiff auf dem Grund lag. Ein Matrose kam
dabei ums Leben, die Passagiere konnten sich auf die "Zürich" retten.
"Die
alte Jura ist für viele eine gute Bekannte", sagt der Sprecher im Film. So
auch für den Göppinger Amateurfilmer Josef Pettinger. Schon seit vielen Jahren
beschäftigt er sich mit dem Schiff: "Ich war schon immer von der «Jura"
fasziniert." Im August 1998 tauchte er das erste Mal in Begleitung eines
Tauchlehrers in die Tiefen des Sees hinab, um das Wrack zu sehen. "Es war
großartig. Beim ersten Tauchgang hatten wir allerdings die Kamera noch nicht
dabei. Wir haben uns nur auf das Wrack konzentriert, denn dort unten ist es
extrem dunkel und kalt."
Pettinger
tauchte noch weitere zehn Mal hinunter. Gerade mal 15 Minuten lang konnte er
jeweils filmen. "Nach einer viertel Stunde musste ich wieder ans Auftauchen
denken", sagt Pettinger, der sich schon seit 30 Jahren mit Filmen beschäftigt
und seit zehn Jahren taucht. Immer mit dabei war der Göppinger Tauchlehrer Jörg
Knöll. "Ich hab" zu ihm gesagt: Ich mach das Video, du passt auf mich
auf", erklärt Pettinger. Denn selbst hätte er wohl den Zeitpunkt zum
Auftauchen verpasst. "Ich war voll auf den Film konzentriert."
Vergnüglich
seien die Tauchgänge nicht gewesen. "Der Bodensee ist dunkel wie die
Nacht. Nach ein paar Metern ist es stockfinster. Außerdem hatte das Wasser nur
vier Grad. Da bin ich mit meinem Nasstauchanzug fast erfroren", sagt
Pettinger. Einmal seien seine Finger erst nach der Ankunft Zuhause in Göppingen
wieder aufgetaut. Einiges an Filmmaterial beigesteuert hat Tauchlehrer Jörg Knöll.
"Ich hab ihm die Kamera erklärt und er hat noch bei weiteren Tauchgängen
gefilmt", so Pettinger.
Insgesamt
hat der 56-Jährige fünf Jahre lang das Material für seinen Film "Die
Jura - Tauchfahrten in die Vergangenheit" gesammelt und auf mehr als 30
Filmkassetten festgehalten. Auch Reinhard E. Kloser, Kapitän der "Hohentwiel",
dem einzigen noch verkehrenden Schaufelraddampfer auf dem Bodensee, wird in dem
Film interviewt. "Er ist ein Brummbär, kennt sich aber gut aus", sagt
Pettinger. Kloser macht in dem Film deutlich, was das Besondere an der
"Jura" ist. "Die Jura ist ein Raddampfer der ersten Generation
und historisch äußerst wertvoll."
Auch
der Entdecker der "Jura", der heute 80-jährige Ludwig Hain,
ehemaliger Mitarbeiter der Firma Bodenseetaucher, kommt zu Wort: "Es war
purer Zufall, dass ich die Jura 1953 gefunden hab." Eigentlich tauchte er
im Auftrag einer Witwe, die ihn bat, das versunkene Flugzeug ihres im Krieg
gefallenen Mannes zu finden. "Zuerst merkte ich gar nicht, dass ich ein
Schiff gefunden hab", sagt er.
"70
bis 80 Arbeitsstunden" benötigte Pettinger für den Schnitt. Als der
Streifen im Sommer dieses Jahres fertig war, übermannte ihn Stolz. "Es war
ein tolles Gefühl und ich war selbst richtig begeistert." Leider kann er
im Film keine Relikte zeigen, weil bereits alles von Tauchern geplündert und
abmontiert wurde. Lediglich ein Teller ist zu sehen. Dafür zeigt Pettinger die
"Jura" von allen Seiten, blendet Querschnitte ein und filmt Details
wie Rost, der sich wie Tropfstein am Rumpf niederlässt, oder das immer noch
eingeschlagene Ruderblatt. Nicht-Taucher bekommen das Gefühl, selbst unter
Wasser zu sein. Auch Josef Pettinger möchte noch einmal zur "Jura"
hinunter tauchen. "Dann aber ohne Kamera."
Pettinger
fertigte aus seinem Filmmaterial zwei Filme an: Beim Wettbewerb
"Seestern" belegte er mit der kurzen Version "Tauchfahrten zur
Jura" den dritten Platz. Im nächsten Jahr nimmt er mit der gekürzten
Version des 55-minütigen Dokumtarfilms "Die Jura - Tauchfahrten in die
Vergangenheit" daran teil. Beide Filme kann man in den Kreismedienzentren
Friedrichshafen und Konstanz ausleihen. Eine Kopie gibt es auch direkt bei Josef
Pettinger: Telefon 0 71 61 / 81 67 17, email:
josef.pettinger@t-online.de.
(Schwäbische Zeitung v. 05.11.03)