Für Taucher ist es ein magischer
Anziehungspunkt: Das Dampfschiff Jura, das zwischen Bottighofen und Münsterlingen
seit 145 Jahren auf Grund liegt. Der Untergang damals dauerte nur wenige
Minuten. So waren es denn auch Taucher, die vor vier Jahren unter anderem in
Internet-Chats protestierten, als Pläne laut wurden, dass die Jura geborgen
werden und wieder den Bodensee befahren sollte.
Die Stiftung historische Schifffahrt Bodensee
hat mit Elan die Geldbeschaffung für ein solches Projekt gestartet. Neben
vielen Aktivitäten wurde der Friedrichshafener Modellbauer Frank Rheiner
beauftragt zwei Modelle der Jura zu fertigen. Diese Modelle wollte man präsentieren
und damit für das Projekt werben. Ein Modell sollte gar schwimmfähig sein.
Doch dann geriet die Stiftung in schwere See.
Die frische Startbrise geriet zum Unwetter, als die öffentliche Hand, der
Kanton und die Stadt Kreuzlingen die finanzielle Unterstützung verweigerten.
Die Stadtwerke Konstanz sind zwar nach wie vor interessiert, aber bis dort das
Portemonnaie geöffnet wird, dauert es eben auch. Zweimal wechselte der Geschäftsführer
der Stiftung. Von einer Mitarbeiterin, die Archivmaterial auswerten sollte,
trennte man sich. Jetzt haben der Präsident, Otto Egloff, und seine Frau auch
die Geschäftsführung übernommen.
Von Flaute will Otto Egloff aber nicht
sprechen. Im Gegenteil. Eine Bergung im eigentlichen Sinn, an deren Ende die
Reparatur und Wiederinbetriebnahme des Schiffes stehe, sei sowieso unmöglich.
Dem stimmt auch Frank Rheiner zu. Der Spezialist für alle Maschinen, die mit
Dampf betrieben werden, sagt aber, dass die Maschine der «Jura» vermutlich
durchaus funktionstüchtig restauriert werden könnte.
Er ist besorgt, dass Taucher zu viele
Souvenirs davon mit nehmen könnten. Dem ist ein Ende gesetzt worden. Otto
Egloff betont, es sei ein Erfolg, dass Taucher von der «Jura» nichts mehr
mitnehmen dürfen. Derzeit werde die Geschichte der «Jura» aufgearbeitet.
Dabei seien schon interessante Ergebnisse auch
über den Zusammenstoss ans Tageslicht gekommen. So würden sich die Aussagen
von Passagieren und den Kapitänen teils widersprechen. War der Zusammenstoss
vielleicht gewollt? Man werde der Sache nachgehen.
Hilfestellung leistet der Chef der Konstanzer
Museen, Tobias Engelsing, ein ausgewiesener Spezialist für Bodenseegeschichte.
Von solchen Spekulationen unbeschadet baut Frank Rheiner an seinen «Jura»-Modellen
weiter. Eines davon werde er wohl noch im Mai ins Seemuseum nach Kreuzlingen
bringen, sagt er. Für das schwimmfähige Modell brauche er noch etwas Zeit.
Mehr als 2.000 Stunden hat er bereits in die «Jura»-Modelle investiert.
Der Stapellauf des Raddampfers Jura, gebaut von Escher Wyss, erfolgte 1854 auf dem Neuenburgersee. Wegen Überkapazitäten verhandelte schon wenige Jahre später die Société bateaux à vapeur mit der Luzerner Gesellschaft über einen Verkauf. Zu dieser Zeit (1861) ereignete sich auf dem Bodensee ein schweres Schiffsunglück. Der Raddampfer «Zürich» der NOB (Nordostschweizerischen Bahnen) stieß in einem schweren Sturm mit dem bayrischen Dampfer «Ludwig» zusammen und bohrte diesen in den Grund.
Nach Geheimverhandlungen mit der «Königlich
Bayrischen Dampfboot Gesellschaft» wurde die «Jura» verkauft, auf dem Landweg
an den Bodensee nach Lindau gebracht und wieder zusammengebaut und 1862 in
Betrieb genommen.
Am 12. Februar 1864 lag dichter Nebel über dem Bodensee. Auf Höhe Münsterlingen kollidierte die «Jura» mit der «Zürich». Ein Mann kam dabei ums Leben. Alle anderen wurden gerettet.
Länge: 42 m
Breite: 5,20 m
Über Radkasten Breite: 10,50 m
Tiefgang: 1,10 m
Verdrängung: ca. 100 t
Anzahl Passagiere: 400
Geschwindigkeit: 19 km
Betriebsdruck: 2,5 Atm
Schaufelrad: 12teilig
Umdrehungen: 36 U/min
(Stefan Borkert/St. Galler Tagblatt v. 29.04.09)