Seit
139 Jahren liegt die "Jura"
auf dem Grund des Bodensees. Doch ist der Schaufelraddampfer nicht in
Vergessenheit geraten. Ganz im Gegenteil: Jahr für Jahr tauchen Menschenmassen
zu dem Unterwasser-Kulturdenkmal hinunter. Mit Folgen: Wertvolle Gegenstände
wurden geplündert und die "Jura" teils schwer beschädigt.
"Jahrelang
haben Taucher alles abgeschraubt, was nicht niet- und nagelfest war. Die Jura
ist total geplündert", bedauert Helmut Schlichterle, Leiter der
Feuchtboden- und Unterwasserarchäologie des Landesdenkmalamtes in der
Dienststelle Hemmenhofen am Untersee. Demnach verschwanden seit der Entdeckung
der "Jura" 1953 die wertvolle Schiffsglocke, das Tafelservice, das
Essbesteck und der Schraubenschlüsselsatz aus dem Maschinenraum. Nicht mal die
Bullaugen haben die diebischen Taucher dran gelassen. Sogar die Kurbelwelle der
Dampfmaschine ist ausgebaut worden. "Wenn man schon hinunter taucht, dann
wenigstens denkmalverträglich", sagt Schlichterle.
Noch
schlimmer als die Plünderungen findet Martin Meinberger, Unterwasserarchäologe,
die Schäden an dem wertvollen Schiffswrack, das in 40 Meter Tiefe vor dem
schweizerischen Bottighofen liegt: "Mittlerweile gibt es nichts mehr zum
Abschrauben. Aber das Wrack ist massiv beschädigt." Die Anker der Boote,
die die Taucher bringen, würden daran den größten Anteil tragen. Achtlos
werden die Anker ins Wasser geworfen und verhaken sich im Schiff. "Ein
Schornstein und viele Bretter wurden aus diesem Grund bereits abgerissen und
beschädigt", sagt Martin Meinberger.
Unzählige
Male ist der Unterwasserarchäologe des Landesdenkmalamtes schon zur
"Jura" hinunter getaucht und hat sich ein Bild von dem alten
Schaufelraddampfer gemacht. "Die Jura ist das faszinierendste Tauchziel am
Bodensee. Doch wenn es so weiter geht wie in den vergangenen 15 Jahren, dann ist
da unten bald nur noch Schrott", befürchtet Martin Meinberger.
Wenn
die Menschen angebracht mit dem "Kulturdenkmal hohen Ranges" umgehen würden,
so bleibe das Wrack noch mindestens 100 Jahre erhalten. "Die
Erhaltungsbedingungen in so tiefem Wasser sind hervorragend", sagt
Meinberger. "Das ist wie in einer Tiefkühltruhe. Doch der Mensch zerstört
es."
(Schwäbische Zeitung v. 05.11.03)