Technisch
möglich, aber praktisch viel schwieriger als erwartet: Der Schaufelraddampfer
«Jura» lässt sich doch nicht so einfach vom Grund des Bodensees heben.
Die
Realität hat die Visionäre der Stiftung «Historische Schifffahrt Bodensee»
eingeholt. «Das Projekt verzögert sich», sagt Geschäftsführer Peter Schottmüller.
Schiffbruch hat die Initiative zwar nicht erlitten, aber sie verlor schnell an
Fahrt, weil nicht alle an Bord gingen, die als Crew vorgesehen waren.
Vor allem von den
Tourismus-Verantwortlichen im Thurgau fühlt sich die Stiftung alleine gelassen.
Die meisten würden sich zu passiv verhalten – und nicht nur dem «Jura»-Projekt
gegenüber macht Schottmüller eine ideenlose Verwaltermentalität in breiten
Kreisen aus, wobei in jüngster Vergangenheit auch Zeichen einer Verhaltenswende
erkennbar seien. Symptomatisch ist für ihn der verpatzte Auftritt von Thurgau
Tourismus von Ende September im Konstanzer Einkaufszentrum Lago. So würden
viele Chancen verpasst, kritisiert der 26-Jährige, der an der Uni Konstanz
Politik und Management studiert.
Mit viel Enthusiasmus und
ohne Erfahrung ging die Stiftung mit Sitz in Tägerwilen vor einem Jahr an die
Arbeit mit dem Ziel, das berühmteste Süsswasserwrack Europas auf dem Grund des
Bodensees vor Bottighofen aus einer Tiefe von etwa 38 Meter zu bergen. Am 12.
Februar, dem Tag des Unterganges der «Jura» im Jahr 1864, sollte für das
Vorhaben eine «Actiengesellschaft» gegründet werden, getragen von breiten Bevölkerungskreisen
dank Anteilscheinen von 20 Franken. Der Termin wurde in den Sommer verschoben
aufs erste internationale Dampfboottreffen in Kreuzlingen – ein Projekt der
Stiftung, das sie viel Lehrgeld kostete und den Fahrplan nochmals durcheinander
brachte. «Der Anlass war mit rund 15 000 Besuchern zwar ein voller Erfolg. Wir
mussten aber viel mehr Arbeit selber übernehmen als geplant, da Kreuzlingen
Tourismus nicht mitmachte», sagt Schottmüller.
Folge: Die «Actiengesellschaft»
gibt es heute noch nicht. «Wir hatten nicht genügend Zeit für die
Vorbereitung», erklärt der Geschäftsführer, der keinen Schnellschuss will.
Denn der «Jura» solle es nicht wie der Fähre «Meersburg» gehen, deren
Restauration in Konstanz nun schon sieben Jahre dauere. Wann die «Jura»-Volksaktie
ausgegeben werden soll, will Schottmüller nicht sagen. Man ist vorsichtiger
geworden in Tägerwilen nach den ersten Erfahrungen.
Trotz Rückschlägen ist die
Stiftung in den letzten zwölf Monaten auch einen entscheidenden Schritt vorwärts
gekommen. Die Hebung des 46 Meter langen und 10 Meter breiten Glattdeckdampfers
mit einem knickbaren Schornstein und Holzrumpf soll technisch möglich sein.
Diese Meinung vertreten Spezialisten der französischen Bergungsfirma Comex, die
derzeit die Details ausarbeitet. Dazu gehört auch eine Kostenberechnung.
Stiftungspräsident Otto Egloff hatte wiederholt eine Summe von mindestens 5
Millionen Franken genannt, die nötig sei, um die «Jura» flott zu machen.
Schottmüller will sich heute
nicht mehr zu Zahlen äußern. Dafür bringt er eine neue Variante ins Spiel:
Geprüft werde auch ein Neubau der «Jura». Damit könnte der Widerstand
einzelner Taucher gebrochen werden, die mit der Zerstörung des Wracks gedroht
haben, falls es gehoben werden sollte.
(St.
Galler Tagblatt v. 24.10.05)