Auf Vorgänger der Güterzüge segeln

Ein nachgebautes Bodensee-Lastschiff nimmt morgen während des Bahnfestes Fahrgäste an Bord

Getreide für die Ostschweiz wurde einst auf Lastschiffen (Lädinen) über den See transportiert zum Rorschacher Kornhaus . Auf einer rekonstruierten Lädine kann man morgen während des Bahnfestes vom Rorschacher Hafen ausfahren .

Am 21 . Mai 1760 versank während eines Sturmes auf dem Bodensee eine mit 153 Kornsäcken beladene Lädine samt den zehn Schiffsleuten . Das Schiff war von Friedrichshafen ausgelaufen und wollte via Romanshorn nach Rorschach segeln .

Es war eines der vielen Lastschiffe auf dem See, die damals den Rorschacher Kornmarkt, einen der wichtigsten der Schweiz, von deutschen Häfen aus mit Getreide versorgten .

Von Hunger zu Vergnügen

Keine Untergangsgefahr besteht mit dem Lastensegler, der morgen Samstag als erster seit bald einem Jahrhundert wieder in den Kornhaushafen einlaufen wird . Die rekonstruierte Bodensee-Lädine darf 50 Personen aufnehmen und entspricht den heutigen Sicherheitsvorschriften .

Ein alter Stich im Museum zum Kornhaus zeigt, wie die erste mit Korn beladene Lädine nach der Hungersnot 1817/18 in den Hafen segelt und von der Rorschacher Bevölkerung freudig begrüßt wird . Lädinen transportierten auch den weit über die Region hinaus begehrten Sandstein aus Rorschacher und Staader Steinbrüchen .

Lädinen und Segner

Die Lädinen, die grössten Segelschiffe der damaligen Zeit, waren 33 Meter lang und 4,2 Meter breit . Der 25 Meter hohe Mast reichte bis zum Dach des Kornhauses . Sie waren mit einem flachen Rumpf gebaut, weil sie auch den Rhein hinauf bis Rheineck fuhren . Der Tiefgang von 1,2 bis 1,5 Meter entsprach dem Kiel einer heutigen Sportsegelyacht . Sieben bis acht Schiffsknechte bedienten das Schiff, welches eine Last von 120 Tonnen Waren zu tragen vermochte . Es segelten auch etwas kleinere Halblädinen, welche aber nach 1750 aus dem Verkehr kamen .

Handlichere, etwa 17 Meter lange Schiffe waren die Segner, welche eine Besatzung von fünf bis sechs Schiffsknechten benötigten . Sie konnten mit 30 Tonnen Getreide oder 100 Salzfässern beladen werden .

Alle diese Lastschiffe segelten mit einem einzigen großen Rahsegel, konnten daher nicht gegen den Wind aufkreuzen . Bei Flaute wurden sie gerudert oder im flachen Wasser in Ufernähe ähnlich den Gondeln in Venedig gestakt . Die Segner waren einfacher zu handhaben als die Lädinen . So segelte der Uttwiler Schiffsmann Johann Ulrich Uhler im August 1775 einen Segner ganz allein in nur drei Stunden von Uttwil bis Lindau, dreimal schneller, als man sonst für die 25-km-Strecke brauchte . Ab 1824 begannen Dampfer diese hölzernen Lastensegler zu verdrängen . Und nach dem Bau der Bahnlinie vor 150 Jahren verlagerte sich der Güterverkehr auf Züge – eine Zeit lang auch noch auf Fähren, die Bahnwagen aufnehmen konnten .

«St . Jodok» aus Immenstaad

1988 gründeten einige Segelbegeisterte am deutschen Ufer, in Immenstaad, den Lädinenverein Bodensee mit dem Ziel, einen Segner nachzubauen . Da kaum jemand diesen Begriff noch kannte, bezeichneten sie das in der Größe eines Segners nachgebaute, 1999 auf den Namen des Immenstaader Dorfpatrons «St . Jodok» getaufte Schiff als Lädine . Seither ist es im Sommer von Immenstaad, Meersburg, Überlingen und Langenargen aus unterwegs, ließen sich schon Tausende von dieser historischen Bodenseefahrt begeistern .

Erstmals in Rorschach

Nun ist dieses Schiff, das auch gechartert werden kann für Anlässe wie Hochzeiten oder Betriebsausflüge, erstmals auch in Rorschach zu besteigen . Bei günstigem Wetter wird der Bevölkerung morgen Samstag die Möglichkeit geboten, zu einer Fahrt unter dem großen Rahsegel auszulaufen und sich mit etwas Fantasie ins Zeitalter der Segel-Lastschiffe zurückzuversetzen .

26 . August von 11 bis 17 Uhr stündlich ab Hafen Rorschach; 15 Fr . für Erwachsene und 8 Fr . für Kinder

(Otmar Elsener /St. Galler Tagblatt v. 25.08.06)

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