Neue Schiffsverbindung: Abenteuer inklusive

Hier wird man noch vom Kapitän persönlich begrüßt. „Grüezi“, flötet Reno Müller und lächelt einem von dem Ende der kleinen Einstiegsrampe entgegen. Die Schweizer Herzlichkeit auf der Rhyspitz ist im Preis mit inbegriffen. Seit Juni pendelt das kleine Schiff zur Probe zwischen Hagnau und Altnau. „Grüezi“, echot es gut gelaunt von den Fahrgästen wieder, die unter strahlendem Sonnenschein in Hagnau an Bord gehen. Auf der letzten Fahrt für heute an diesem perfekten Spätsommertag von Hagnau nach Altnau sind ausschließlich Schweizer auf dem Heimweg. Darunter Heidelinde Ibetsberger und Annelies Paganini. Die beiden Freundinnen haben sich die alten Häuser in Hagnau und Immenstaad angeschaut – seit langem mal wieder. Seit im Mai die neue Schiffsverbindung zwischen Immenstaad, Hagnau und Altnau ins Leben gerufen wurde, sind die Tourismusdörfchen auf der deutschen Seite auf einmal ganz nah für sie. 25 Minuten dauert die Überfahrt.

Die deutschen Gäste sollen das neue Angebot am Anfang dagegen eher weniger genutzt haben. Mag es am stolzen Preis von 18 Franken, umgerechnet etwa 16 Euro liegen, oder daran, dass man sich auf der touristisch eher unerschlossenen schweizer Seite erst mal zurechtfinden muss. „Aber in der Zwischenzeit hat sich der Anteil ausgeglichen“, so Hagnaus Bürgermeister Simon Blümcke. Auch wenn das Schiff nicht immer voll ist. Die Rückmeldung, die er bekomme, sei aber eindeutig: „Bitte, bitte macht weiter – das ist das, was wir von den Gästen hören“, erzählt er. Trotzdem ist auch Blümcke nicht sicher, ob das Schiff nächste Saison weiter zwischen Hagnau und Altnau pendeln wird. Es hängt noch vom Geld ab.

Kapitän Reno Müller steht gut gelaunt in seiner Führerkabine. Hier hat es mindestens 35 Grad, aber er dreht gut gelaunt an dem großen Holzlenkrad. Anders als in den großen Fähren hat man auf der Rhyspitz noch ein richtiges Boots-Erlebnis: Das kleine Schiff wackelt und schwankt im gemächlichen Tempo von einem Ufer zum anderen. Das Wasser spritzt auch mal auf den Bug, wo die Gäste eng zusammengerückt auf einer Holzbank sitzen. Die Fahrt ist ein richtiges kleines Abendteuer: „Auf zu der unerforschten Schweizer Seite!“ möchte man rufen und sich auf den Bug stellen, aber der ist ja voll. Auch der Kapitän mag die „alte Dame Rhyspitz“ und die neue Route. Er würde die Probesaison sofort aufheben. „ Wir haben das ja nicht erfunden“, sagt er und lacht herzlich.

Nein, erfunden haben es die Bürgermeister von Hagnau, Immenstaad und Altnau. Im Herbst wollen sie sich aber mit dem Schiffsbetreiber zusammensetzen und eine dauerhafte Lösung finden. Denn noch ist die Schiffsverbindung auf Investoren angewiesen - Über 30 Banken, Einzelhändler und Firmen aus Immenstaad tragen die Kosten zusammen mit dem Kanton Thurgau, der Gemeinde Altnau und der Schweizerischen Bodenseeschifffahrt. Nach der Probesaison soll sie sich aber selbst tragen können. „Für mich ist es eine Herzensangelegenheit“, sagt Blümcke, er ist ein richtiger Fan der neuen Schiffsverbindung. Denn schließlich profitieren nicht nur die Tourismusbetriebe auf beiden Seeseiten – es ist auch ein politisches Projekt: „Die Freundschaft zwischen Hagnau und Altnau ist schon lange sehr eng. Mit der Schiffsverbindung wollen wir die Partnerschaft in die Bürgerschaft tragen“, erklärt Blümcke. Nachbarschaftzusammenführung auf dem kürzesten Seeweg also.

„Grüezi!“, begrüßt Reno Müller die neuen Passagiere. Dieses Mal sind es allerdings nur vier. „Hallo“, antworten die – es sind ausschließlich deutsche Abenteurer auf dem Heimweg. Anton und Anita Rauber haben vor Anstrengung noch ganz gerötete Wangen. „Wir hätten vielleicht das Fahrrad mitnehmen sollen“, lacht Anita Rauber, „aber es ist wirklich eine wunderschöne unberührte Natur dort drüben.“ Das Ehepaar hat einen Gasthof in Immenstaad und wollte das neue Angebot vorab testen, bevor sie ihre Gäste auf unerforschtes Gebiet schicken. Die beiden berichten von einem anstrengenden Aufstieg ins Dorf und dann zu einer Hütte. „Dort muss man an einer Glocke schellen und dann bekommt Vesper serviert“, erzählen sie begeistert, „wunderbar“.

Andererseits wartet kein Bus am Ende des Steges auf einen und wenn man eine Pferdekutsche will, muss man sich das am besten schon auf der Deutschen Seite überlegen und der Besatzung melden. Aber noch ist es ja erst der der Anfang einer neuen Verbindung zwischen Hagnau und Altnau. Noch mit Abenteuer inklusive.

(St. Galler Tagblatt v. 06.09.11)

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