Schwimmender Konzertsaal schlägt hohe Wellen
Größtes Schiff im Alpenraum: Die "Sonnenkönigin".
Das Schiff, das auf der Bodan-Werft in Kressbronn gebaut wird, sprengt mit einer Länge von 69,16 Metern, einer Breite von 14,55 Metern und einer Höhe von 11,20 Metern alle bisherigen Dimensionen. Rund um den Bodensee, auf dem das Schiff fahren soll, schlagen schon jetzt die Wellen hoch. Der Mann breitet die Arme weit aus. "Willkommen", ruft er und schaut erwartungsvoll. Der Blick der Besucherin schweift durch den knapp 50 Meter langen und 14 Meter breiten Raum. Auf der einen Längsseite ist eine Bühne, auf der anderen die Tribüne. Der Blick wandert über die drei Galerien, die den Raum umgeben, weiter nach oben, bis unters Dach.
So sehen Nobel-Kaufhäuser aus. Oder Konzertsäle. Oder Vortragsräume. Oder Messehallen. Oder Tanzsäle. Stopp, es gibt doch etwas, was diesen Raum von all den genannten unterscheidet: Er befindet sich auf der "Sonnenkönigin", dem größten Schiff im Alpenraum - nicht einmal auf dem mondänen Genfer See gibt es dergleichen. Derzeit wird dieses Schiff am Bodensee gebaut, im Herbst soll sie getauft und dann für Eventfahrten eingesetzt werden. Weitere Besonderheit: Im Innern des Passagierschiffes ist ein Beiboot, das jederzeit zu Wasser gelassen werden kann.
Der "Schrecken des Bodensees"
Jean-Baptiste Felten, ein redegewandter Luxemburger und studierter Wirtschaftswissenschaftler, hat sich mit seiner PR- Agentur um den Auftrag, Öffentlichkeitsarbeit für die "Sonnenkönigin" zu machen, beworben. Und den Zuschlag bekommen. Jetzt steht er an Bord des riesigen Schiffes und will seinen nicht leichten Auftrag erfüllen - im österreichischen Vorarlberg ist, seit Details des Schiffes an die Öffentlichkeit gelangt sind, eine Welle der Beschimpfungen über die "Sonnenkönigin" hereingebrochen. Als "grausliges Ungetüm" oder "Schrecken des Bodensees" wurde sie bezeichnet. Eine Beleidigung fürs Auge sei das Schiff, das Walter Klaus bauen lässt, ein deutscher Millionär mit österreichischer Staatsbürgerschaft. Hoch über dem Bodensee residiert er, und ist die Sicht gut, kann er sich an seinem 13-Millionen- Projekt - mancherorts ist gar von 18 Millionen die Rede - freuen.
Felten kann der Kritik an der "Sonnenkönigin" nichts abgewinnen. Als "Bekenntnis zum Standort" wertet er die Investition von Walter Klaus. Der Radtourismus bringe "kein Geld" in die Region. Das neue Projekt ziele auf die "Wohlhabenden dieser Welt", so Felten. "Erkennt die Region erst einmal die Chancen, die die ,Sonnenkönigin' mit sich bringt, wird die Kritik verstummen." Walter Klaus sei ein Mann mit Visionen und Zeithorizont. Der Klimawandel, argumentiert der Millionär, bringe neue Chancen für die Bodensee-Region: In einigen Jahren werde niemand mehr an die Adria reisen, sondern wegen der dort zu erwartenden Hitze in heimischen Gefilden bleiben. Dafür brauche es Kapazitäten, und die wolle Klaus bereitstellen.
Schon vor Jahren ließ der Unternehmer, der die österreichische Flotte am Bodensee sein Eigen nennt und auch an der schweizerischen beteiligt ist, wissen, dass er ein Schiff mit Platz für rund 1000 Passagiere bauen lassen wolle. Ein Multifunktionsobjekt sollte es sein, vibrationsfrei, damit auch für klassische Konzerte geeignet, und luxuriös obendrein.
Schiff fordert die Konstrukteure
Einwände, die anderen Schiffsgesellschaften am Bodensee bauten zunehmend kleinere Schiffe, interessieren Klaus nicht. Er war und ist überzeugt, dass der Fahrtwind für sein Projekt günstig ist. Doch am Bodensee hatte es noch nie ein derart großes Schiff gegeben. Die Bodan-Werft in Kressbronn stand deshalb vor einer riesigen Aufgabe. Es brauchte gleich vier Schleppversuche in Wien: Ein Modell des Schiffes wird dabei in einen Windkanal gesetzt, um günstige Strömungsverhältnisse und gute Stabilität bei unterschiedlichen Windstärken herauszufinden. Und nach welchen Kriterien sollte das Schiff zertifiziert werden, um die Sicherheit der Passagiere zu garantieren - bietet die "Sonnenkönigin" doch eine riesige Angriffsfläche für starke Stürme, die am Bodensee innerhalb kürzester Zeit entstehen? Die Vorarlberger Landesregierung, die das Schiff abnimmt, drängte auf die des Germanischen Lloyd, der weltweit Schiffe zertifiziert. Zum ersten Mal hörte man, wie Fachleute, die dem Unternehmen sehr kritisch gegenüberstanden, ein kleines bisschen aufatmeten. Denn klar war: Eine Schmach wie sie die "Panta Rhei" (zu deutsch: "Alles fließt") am Zürichsee brachte, konnte und wollte sich die Region nicht leisten. Das 9,5 Millionen Franken teure Schiff, das seit Frühling 2007 das Flaggschiff auf dem Schweizer Gewässer sein sollte, wird mittlerweile als "Konstruktionsflop" bezeichnet. Eine Woche nach seiner offiziellen Vorstellung war es aus dem Verkehr gezogen worden, trotz Umbau ist es nicht seetüchtig. Ein Schicksal, das auch die "Sonnenkönigin" ereilen könnte? Nach außen ließen die Verantwortlichen kein Sterbenswörtchen verlauten. Immer und immer wieder wurde der Stapellauf verschoben. Auch die Probefahrt am 3. April wurde geheim gehalten - von ihr gibt es nur ein Foto, das ein Fischer gemacht hat.
Events sollen die Reichen locken
Vielleicht weil die Versuchs-Crew von den bei
der Probefahrt gemachten Erfahrungen positiv überrascht war, wagen sich die
Macher um die "Sonnenkönigin" jetzt aus der Versenkung. Als
Begleitboot der Bregenzer Festspiele oder des Match- Race in Langenargen
beispielsweise könnte die "Sonnenkönigin" unterwegs sein.
Unternehmen, so die Vorstellung, könnten ihre
Events auf dem neuen Schiff abhalten, als da wären Firmenkongresse,
Autovorstellungen, Modeschauen oder Medienkonferenzen.
"Die Voraussetzungen sind hervorragend", sagt PR-Mann Felten.
"Wir legen in der Nähe der großen Bahnhöfe ab, zudem können
wir das Potenzial der Flughäfen in Friedrichshafen und im Schweizer Altenrhein
nutzen." Letzteres möchte er besonders
den Reichen dieser Welt ans Herz legen: Die können mit ihren Privatjets
einfliegen und beispielsweise Geburtstage
an Bord feiern - ohne Angst haben zu müssen, "dass ihren Gästen wie
beispielsweise an der Côte d'Azur droht,
ausgeraubt zu werden".
Walter Klaus rechnet, was die Schifffahrt anbelange, in Dimensionen von 50 Jahren, heißt es. Vielleicht befürchtet er, dass an der Silvretta Nova in einigen Jahren mit dem Skitourismus kein großes Geld mehr zu machen ist. Er, der gerne als Liftkönig bezeichnet wurde, hat die Lifte abgestoßen - mit Ausnahme einer Anlage am Großglockner, wo es einen Gletscher gibt. Am Bodensee will er das zurückgewinnen, was vor 100 Jahren war. Damals flanierten reiche und edel gekleidete Menschen über die Uferpromenaden, die Region erlebte eine Hochzeit. Felten sagt: "Die Sonnenkönigin könnte der Leuchtturm für die Region sein."
(Schwäbische Zeitung v. 24.05.08)