Der letzte Raddampferveteran geht von Bord

Am Sonntag ging für die URh die Saison zu Ende - und für Kapitän Giovanni Antoniol die Nautikerkarriere.

Es war ein regnerischer, trüber Sonntag - ein Tag wie geschaffen zum Abschiednehmen. Doch ein nautisches Urgestein vom Format eines Giovanni Antoniol (61) ist zu sturmerprobt, um an einem Tag seine Gefühle zu zeigen - außer natürlich der Dankbarkeit seinen ganzen URh-Kollegen gegenüber. Denn die haben den dienstältesten URh-Nautiker (insgesamt 41 Jahre, 3 Monate und 2 Tage, wie er ausgerechnet hat) über mehr oder minder lange Etappen begleitet.

Es ging aber auch der letzte Raddampferveteran und der letzte gelernte Matrose der URh von Bord. Denn bevor der am 1. Februar 1944 (und damit im Sternzeichen «Fische») in einer Uttwiler Fischerfamilie geborene Giovanni Antoniol am 1. Juli 1964 bei der Schweizerischen Schifffahrtsgesellschaft Untersee und Rhein anheuerte, hatte er den Beruf des Rheinmatrosen von der Pike respektive Trosse auf gelernt und war dabei mit zwei «Express»-Kähnen der Basler Reederei Neptun bis Brüssel und Antwerpen gefahren.

Rauch und Dampf

Und Giovanni Antoniol ist der letzte Fahrensmann, der noch Rauch und Dampf geschnuppert hat: Drei Jahre lang - bis zur 1967 erfolgten Abwrackung - fuhr Matrose Antoniol noch auf dem Raddampfer «Schaffhausen». Im Hochwasserjahr 1965 wurde dann die «Thurgau» in Dienst gestellt - und sie sollte 16 Jahre später gleichsam zur Heimat Antoniols werden: Nachdem er bis 1981 als Maschinist vorab auf der «Kreuzlingen» gefahren war, absolvierte er in jenem Jahr die Schiffsführerprüfung und übernahm 1984 als Kapitän die «Thurgau». Zwei Schiffsführer und zehn Maschinisten hat er seither ausgebildet, wobei er bis zuletzt etwa auf der «Konstanz» immer noch auch als Maschinist an Bord war - und dies leidenschaftlich gern. Wie oft Giovanni Antoniol in seinen vier Berufsjahrzehnten von Schaffhausen nach Kreuzlingen und zurück gedampft oder gedieselt ist - niemand hat's gezählt, aber es waren viele, viele Tausend Mal. Und er hat Heerscharen von Fahrgästen transportiert, darunter viele Prominente aller Sparten.

Leidenschaft: alte Uhren

Nun also hat der Leib-und-Seele-Kapitän die Planken verlassen, die ihm so lange das Leben bedeutet haben. Wobei: Dem Kapitän a. D., der am Sonntag auf seinem letzten Kurs von Schaffhausen nach Kreuzlingen und zurück von Passagieren, Freunden und Mitarbeitern zu Land und zu Wasser verabschiedet wurde, wird es auch in Zukunft nicht langweilig werden. Er pflegt anspruchsvolle Hobbys, und für die wird er nun einfach mehr Zeit und Muße haben: etwa das Sammeln alter Uhren. Die repariert und pflegt Giovanni Antoniol mit viel Liebe zum Detail - aber sie haben ihm nichts mehr zu diktieren. Vor allem keinen Fahrplan mehr.

(Schaffhauser Nachrichten v. 04.10.05)

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