Viel Wehmut prägt die
letzten Fahrten der MS "Überlingen" auf dem See
Freude über einen sonnigen Wintertag auf dem
Bodensee mischte sich mit Wehmut, als die "MS
Überlingen" zu ihren letzten Fahrten ablegte. Auf beiden Seeseiten
kamen die Sonderfahrten gut an. Einige entbehrungsreiche Jahre wird es für die
Taufpatenstadt geben, doch 2010 könnte ein neues Fahrgastschiff wieder den
Namen "Überlingen" tragen.
Seemannslieder des Shantychors an der Reling,
flatternde Taschentücher und feuchte Augen am Überlinger Landungsplatz. Die
Zeichen standen ganz auf Abschied, als das Fahrgastschiff "MS Überlingen"
der
Am Landungsplatz empfingen leibhaftige Engel
des Wirtschaftsverbunds (WVÜ) die Konstanzer Gäste, die Überlingen bei einer
Stadtführung näher kennen lernten, auf Wochen- und Weihnachtsmarkt die Atmosphäre
genießen konnten.70 Jahre sind auch für ein Schiff ein gesegnetes Alter. Im
Jahr 1935 war es als MS "Deutschland" vom Stapel gelaufen, im Mai 1970
schließlich auf MS "Überlingen" umgetauft worden. Rund 2,5 Millionen
Euro müssten die BSB jetzt investieren, um die auslaufende Zulassung um zehn
Jahre zu verlängern, schätzt Geschäftsführer Jörg Handreke: "Doch dann
hätten wir immer noch ein altes Schiff." Betriebswirtschaftlich mache dies
keinen Sinn.
Doch die Zeichen scheinen nicht schlecht zu
stehen, dass die MS "Überlingen" in absehbarer Zeit eine Nachfolgerin
bekommt. Dazu hat sicher auch die Leseraktion des SÜDKURIER einen Beitrag
geleistet. Nach der Ankunft aus Konstanz übergab Martin Baur, Leiter der Überlinger
SÜDKURIER-Lokalredaktion, an BSB-Geschäftsführer Handreke die nahezu 400
Zuschriften mit dem Appell, möglichst bald wieder einem Schiff "Überlingen"
das Leben zu schenken, sei es durch Neubau oder Umbenennung eines anderen.
"Wir sind uns dieser Verantwortung durchaus bewusst", erklärte
Handreke, der später an Bord die Flottenpolitik im allgemeinen erläuterte und
die Begründung für den Abschied von der MS "Überlingen" im
speziellen darlegte. Nach einem kleineren Neubau 2007 könnte die Stadt Überlingen
einem größeren Fahrgastschiff Pate stehen, das voraussichtlich 2010 in Betrieb
gestellt werden soll.
Dass die Erinnerung an das bislang älteste
Schiff der Flotte nicht verblassen wird, dafür wird nicht nur der Konstanzer
Experte und Buchautor Karl Fritz sorgen. Vor laufenden SWR-Kameras beschrieb er
mit Begeisterung die ehemalige Täfelung des Salons, längst vergessene
Speisekarten und die Entwicklung der Maschinenleistung, die auf einer noch
blitzblanken Messingtafel ausgewiesen ist (zu sehen in der heutigen Landesschau
im "Dritten" des SWR).
Weit angereist waren Schiffsfreunde, um die
letzten Fahrten der "Überlingen" zu erleben und fest zu halten. Die
Mannschaft hatte zwischenzeitlich alle Hände voll zu tun, mit handschriftlich
ausgestellten Fahrscheinen einen Computerausfall zu kompensieren. Schon bei der
zweiten Abfahrt in Konstanz drängten fast 200 Passagiere auf das Schiff in
Richtung Überlingen. Unterdessen konnten an die zehn alt gediente Kapitäne im
Ruhestand längst vergessene Geschichten aufleben lassen, kurzweilige Anekdoten
austauschen und bei einem Glas Sekt vielleicht auch etwa Seemannsgarn spinnen
(Hanspeter Walter/Südkurier
v. 12.12.05)
Jetzt ist die MS Überlingen Seegeschichte
Mit Wehmut und einem würdigen Fest haben die Überlinger am Samstag Abschied genommen von "ihrer" MS Überlingen. Das älteste Schiff der Bodensee-Schiffsbetriebe startete zur letzten Fahrt.
Lange Schlangen hatten sich schon um 11 Uhr an
der Anlegestelle gebildet, so groß war die Anteilnahme der Überlinger am
Abschiedfest für das beliebte Motorschiff, mit 70 Jahren das älteste seiner
Art. Schöner hätte kein Regisseur die Abschiedsszene planen können: In der
Wintersonne tauchte die MS Überlingen gegen 11.30 Uhr am Horizont auf, während
am Anlegesteg die Überlinger Dampfkapelle mit dem Marsch "Preußens
Gloria" die "große alte Dame" würdig empfing.
Mancher träumt von Restaurant
Viel Applaus von den Überlingern für das schöne
Schiff, das an seinem letzten Tag noch einmal anmutig über die Wellen glitt.
Einhelliger Tenor: Dieses schöne Schiff darf nicht in die Schrottpresse. Doch
genau dieses Ende wird die MS Überlingen vermutlich Anfang 2006 ereilen -
obwohl es einige Ideen gibt, das Schiff zu erhalten. So könnte sich Thomas Götz,
Geschäftsführer der Kur und Touristik Überlingen GmbH, vorstellen, dass die
Seniorin im Hafen bleibt und etwa zum Restaurant umfunktioniert wird.
Dafür müsste aber ein Investor gefunden
werden und die wasserrechtliche Genehmigung erteilt werden - dies alles wird die
MS Überlingen wohl nicht mehr erleben. Allerdings, so machte Jörg Handreke,
Geschäftsführer der BSB, Hoffnung, wird ins Auge gefasst, eines der drei
weiteren "Oldtimer" aus den 30er-Jahren, die MS
Stuttgart - die MS Baden oder die MS
Schwaben - als Denkmal zu erhalten.
Zuvor hatte er geschildert, dass die MS Überlingen
aus Gründen der Wirtschaftlichkeit, Umweltverträglichkeit und Sicherheit
ausgemustert werden müsse. Bei einem Treibstoffverbrauch von 2,4 Millionen
Litern pro Jahr für die vierzehn BSB-Schiffe sei der geringere Verbrauch von
neuen Schiffen von 20 bis 30 Prozent ein gewichtiger Faktor, so Handreke.
In der Kressbronner Bodanwerft werde derzeit
ein neues Schiff gebaut, das Nachfolger der MS Überlingen werden könnte.
Irgendein Schiff in MS Überlingen umzutaufen, um die 110-jährige Ära, während
der vier Schiffe diesen Namen trugen, nicht zu beenden, hält Handreke für
falsch. Zuvor war eine Petition mit 300 Unterschriften übergeben worden, die
den Erhalt des Namens fordert. Oberbürgermeister Volkmar Weber plädierte
ebenfalls dafür, dass es weiter eine MS Überlingen geben müsse. Er erinnerte
daran, dass die Schiffe zur Vernetzung der Städte am See erheblich beitragen.
"Abschied vom Meer" sang der Shanty-Chor Überlingen, "Anker
gelichtet" spielte die Dampfkapelle zur letzten Fahrt über den See.
An Bord wurden Geschichten ausgetauscht.
Ehemalige Kapitäne waren gekommen, Gerhard Kubas zum Beispiel. "Ich hatte
die MS Überlingen sehr gerne. Keine Fahrt war gleich", schwärmte er. Am
Ufer winkten die Überlinger ihrer alten Dame zum Abschied hinterher - nach über
einer Million Kilometer quer über den See.
Ganz am Anfang hieß die Dame MS
Deutschland
Juni 1935: Jungfernfahrt der MS Deutschland -
das Schiff wird als "Kraft-durch-Freude-Dampfer" der Deutschen
Reichsbahn in Lindau in Dienst gestellt. Baukosten: 470 000 Reichsmark,
gebaut in Deggendorf.
1940: Stilllegung in Lindau und Bregenz, das
Schiff wird zum Schutz vor Fliegerangriffen in der Tarnfarbe Grau gestrichen.
Verlegung ins Schweizerische Exil nach Romanshorn als Schutz vor
Fliegerangriffen.
1945: Rückkehr in den Lindauer Hafen.
Beschlagnahme durch die Franzosen und Umbenennung in Rhin et Danube, durch 100
deutsche Kriegsgefangene weiß gestrichen. Wegen rauschender Ballnächte als
"Königin der Nacht" bekannt.
1949: Freigabe des Schiffes und Umbenennung in
Lindau.
1952: Rückbenennung in Deutschland. Einsatz für
Sonderfahrten.
1965: MS Deutschland kommt in den Hafen nach
Konstanz.
1970: Anlässlich der 1200-Jahr-Feier von Überlingen
Umtaufe in MS Überlingen.
1993: Umbau zum Bistro-Schiff.
2005: Letzte Fahrt.
(Stefanie Wex/Schwäbische Zeitung v. 12.12.2005)
Anmerkung der Red. v. Bodenseeschifffahrt.de:
Die drei verbleibenden Oldtimer der BSB aus den dreißiger Jahren sind MS
Baden, MS Karlsruhe und MS
Schwaben. MS Stuttgart wurde
erst 1960 gebaut.