Über den
Verkauf der Bodenseeflotte
wird das Gericht entscheiden müssen
Der Romanshorner Flavio
Cason hat im Streit um den Verkauf der Schweizer Bodenseeflotte eine
superprovisorische Verfügung erwirkt. Die Frist läuft am 14. Oktober aus.
Gerichtliche Verfügung
erwirkt
Dass die SBS-Aktionäre
dieses Vorkaufsrecht Anfang September an einer außerordentlichen
Generalversammlung aus den Statuten gestrichen haben, schreckt Cason nicht ab.
Im Gegenteil. Er hat inzwischen beim Thurgauer Handelsregisteramt eine
Einsprache gegen die Eintragung der Statutenänderung deponiert. Mit dieser
superprovisorischen Verfügung hat der Romanshorner bis zum 14. Oktober Zeit,
einen gerichtlichen Entscheid zu erwirken, der die definitive Eintragung der
Statutenänderung im Handelsregister untersagt.
Die SBB lassen es darauf
ankommen. «Wir warten ab», sagt Pressesprecher Fritz Sterchi auf Anfrage. «Verstreicht
die Frist ungenutzt, wird die Änderung eingetragen. So aber verlieren wir Zeit.
Wir möchten den Handel gerne abschließen.» Unter den Nägeln brenne der
Verkauf aber nicht, schwächt er ab. Wie angekündigt stellte Flavio Cason,
einziger namentlich bekannter Kleinaktionär, der Presse am Montag einen
Businessplan zu. Dieser enthält Angaben zur beabsichtigten Aufteilung in drei
Geschäftseinheiten – darunter der defizitäre Schiffsbetrieb und die rentable
Werft – unter dem Dach einer Holding unter dem Namen «BSG Bodensee
Schifffahrt Gesellschaft». Oder zum mutmaßlichen Gewinn, den er bereits im
ersten Betriebsjahr erwirtschaften will. Bezüglich der Finanzierung
beziehungsweise Angaben über private Geldgeber bleibt Cason aber vage. Cason,
der sich als designierter Verwaltungsratspräsident der BSG-Gruppe
schwergewichtig um den technischen Teil des Schiffs- und Werftbetriebes kümmern
will, möchte die heute aus fünf Schiffen bestehende Flotte um zwei kleinere
Schiffe ergänzen und das MS Thurgau zu einem Charterschiff für Veranstaltungen
umbauen.
Casons Businessplan basiert
auf einem Kaufpreis von einem Franken. Dass die SBB die Bodenseeflotte zu diesem
symbolischen Wert an die Stadtwerke Konstanz abtreten wollen, stellt
SBS-Verwaltungsratspräsident Norbert Wohlkinger in Abrede. «Das Unternehmen
wurde sauber nach kaufmännischen Grundsätzen bewertet.» Und wie viel ist es
wert?
Wohlkinger hatte Flavio Cason
im Mai eine Frist gesetzt, in der er das zum Verkauf stehende Aktienpaket von
896 Aktien im Gesamtnennwert von 4,48 Millionen Franken zum Preis des wirklichen
Wertes der Aktien übernehmen könne. Was hinter der nebulösen Formel «zum
wirklichen Wert» steckt, will Wohlkinger partout nicht sagen – «um die
laufenden Verhandlungen nicht zu verfälschen».
Damit deutet der
SBS-Verwaltungsratspräsident an, dass die SBB nach wie vor nicht gewillt sind,
ihre Flotte an Flavio Cason zu veräußern. Casons Anwältin und designierte
Vizepräsidentin der BSG-Gruppe, Lorella Callea, geht freilich davon aus, «dass
wir jetzt mit den SBB ins Gespräch kommen». Dazu wird es vorerst kaum kommen:
Die SBB haben aus der Presse von Casons Konzept erfahren. Gesehen haben sie es
noch nicht.
«Wie die Chancen für den
Minderheitsaktionär tatsächlich stehen, ist schwer zu beurteilen. Sie dürften
sich mit der Statutenänderung aber eher verschlechtert haben», sagt
Aktienrechts-Experte Jean Nicolas Druey. Für den emeritierten HSG-Professor für
Zivil- und Handelsrecht ist zumindest fraglich, ob ein Vorkaufsrecht in die
Statuten gehört oder in einen Aktionärsbindungsvertrag, wie dies
SBS-Verwaltungsratspräsident Wohlkinger behauptet. «Die Statutenänderung ist gemäß
geltender Schweizer Rechtssprechung auf jeden Fall möglich», sagt Druey.
Im Schweizer Börsenrecht ist
eine Schwelle von zwei Prozent des Aktienkapitals festgelegt, bis zu der die
Aktien von Kleinaktionären aufgekauft werden können. Mit 2,6 Prozent wäre sie
in diesem Fall überschritten. Casons Anwältin Lorella Callea aus Zug ist
felsenfest überzeugt: «Flavio Cason hat sein Vorkaufsrecht rechtsgültig ausgeübt.»
Das letzte Kapitel im Streit um den Verkauf der Bodenseeflotte ist noch nicht
geschrieben. Die Interessenabwägung ist Juristenfutter.
(St. Galler Tagblatt v.
07.10.05)