Über den Verkauf der Bodenseeflotte 
wird das Gericht entscheiden müssen

 

Der Romanshorner Flavio Cason hat im Streit um den Verkauf der Schweizer Bodenseeflotte eine superprovisorische Verfügung erwirkt. Die Frist läuft am 14. Oktober aus.

Rund um den Bodensee sind die Flotten feil, weil sich die Eigentümer, die Österreichischen und die Schweizerischen Bundesbahnen, auf ihr Kerngeschäft konzentrieren und ihre Schiffe loswerden wollen. Am Schweizer Bodenseeufer wäre der Verkauf längst über die Bühne, streute nicht der Romanshorner Minderheitsaktionär Flavio Cason Sand ins Getriebe. Das Engagement des Maschinisten bei der Schweizer Bodenseeflotte, der sich als Winkelried und Patriot gegen einen Verkauf ins Ausland wehrt, basiert auf einem Vorkaufsrecht, das es seit 1996 gibt. Verdiente Mitarbeiter wurden bei der Umwandlung der Bodensee Schifffahrt SBB zur Schweizerischen Bodensee-Schifffahrtsgesellschaft (SBS) mit einer Namenaktie zu 5000 Franken am Aktienkapital von 4,6 Millionen Franken beteiligt. Zehn Jahre später wird das Vorkaufsrecht für Kleinaktionäre jetzt zum Gerichtsfall.

Gerichtliche Verfügung erwirkt

Dass die SBS-Aktionäre dieses Vorkaufsrecht Anfang September an einer außerordentlichen Generalversammlung aus den Statuten gestrichen haben, schreckt Cason nicht ab. Im Gegenteil. Er hat inzwischen beim Thurgauer Handelsregisteramt eine Einsprache gegen die Eintragung der Statutenänderung deponiert. Mit dieser superprovisorischen Verfügung hat der Romanshorner bis zum 14. Oktober Zeit, einen gerichtlichen Entscheid zu erwirken, der die definitive Eintragung der Statutenänderung im Handelsregister untersagt.

Die SBB lassen es darauf ankommen. «Wir warten ab», sagt Pressesprecher Fritz Sterchi auf Anfrage. «Verstreicht die Frist ungenutzt, wird die Änderung eingetragen. So aber verlieren wir Zeit. Wir möchten den Handel gerne abschließen.» Unter den Nägeln brenne der Verkauf aber nicht, schwächt er ab. Wie angekündigt stellte Flavio Cason, einziger namentlich bekannter Kleinaktionär, der Presse am Montag einen Businessplan zu. Dieser enthält Angaben zur beabsichtigten Aufteilung in drei Geschäftseinheiten – darunter der defizitäre Schiffsbetrieb und die rentable Werft – unter dem Dach einer Holding unter dem Namen «BSG Bodensee Schifffahrt Gesellschaft». Oder zum mutmaßlichen Gewinn, den er bereits im ersten Betriebsjahr erwirtschaften will. Bezüglich der Finanzierung beziehungsweise Angaben über private Geldgeber bleibt Cason aber vage. Cason, der sich als designierter Verwaltungsratspräsident der BSG-Gruppe schwergewichtig um den technischen Teil des Schiffs- und Werftbetriebes kümmern will, möchte die heute aus fünf Schiffen bestehende Flotte um zwei kleinere Schiffe ergänzen und das MS Thurgau zu einem Charterschiff für Veranstaltungen umbauen.

 

Der Preis ist heiß

 

Casons Businessplan basiert auf einem Kaufpreis von einem Franken. Dass die SBB die Bodenseeflotte zu diesem symbolischen Wert an die Stadtwerke Konstanz abtreten wollen, stellt SBS-Verwaltungsratspräsident Norbert Wohlkinger in Abrede. «Das Unternehmen wurde sauber nach kaufmännischen Grundsätzen bewertet.» Und wie viel ist es wert?

Wohlkinger hatte Flavio Cason im Mai eine Frist gesetzt, in der er das zum Verkauf stehende Aktienpaket von 896 Aktien im Gesamtnennwert von 4,48 Millionen Franken zum Preis des wirklichen Wertes der Aktien übernehmen könne. Was hinter der nebulösen Formel «zum wirklichen Wert» steckt, will Wohlkinger partout nicht sagen – «um die laufenden Verhandlungen nicht zu verfälschen».

Damit deutet der SBS-Verwaltungsratspräsident an, dass die SBB nach wie vor nicht gewillt sind, ihre Flotte an Flavio Cason zu veräußern. Casons Anwältin und designierte Vizepräsidentin der BSG-Gruppe, Lorella Callea, geht freilich davon aus, «dass wir jetzt mit den SBB ins Gespräch kommen». Dazu wird es vorerst kaum kommen: Die SBB haben aus der Presse von Casons Konzept erfahren. Gesehen haben sie es noch nicht.

 

Rechtlich umstritten

 

«Wie die Chancen für den Minderheitsaktionär tatsächlich stehen, ist schwer zu beurteilen. Sie dürften sich mit der Statutenänderung aber eher verschlechtert haben», sagt Aktienrechts-Experte Jean Nicolas Druey. Für den emeritierten HSG-Professor für Zivil- und Handelsrecht ist zumindest fraglich, ob ein Vorkaufsrecht in die Statuten gehört oder in einen Aktionärsbindungsvertrag, wie dies SBS-Verwaltungsratspräsident Wohlkinger behauptet. «Die Statutenänderung ist gemäß geltender Schweizer Rechtssprechung auf jeden Fall möglich», sagt Druey.

Im Schweizer Börsenrecht ist eine Schwelle von zwei Prozent des Aktienkapitals festgelegt, bis zu der die Aktien von Kleinaktionären aufgekauft werden können. Mit 2,6 Prozent wäre sie in diesem Fall überschritten. Casons Anwältin Lorella Callea aus Zug ist felsenfest überzeugt: «Flavio Cason hat sein Vorkaufsrecht rechtsgültig ausgeübt.» Das letzte Kapitel im Streit um den Verkauf der Bodenseeflotte ist noch nicht geschrieben. Die Interessenabwägung ist Juristenfutter.

(St. Galler Tagblatt v. 07.10.05)

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