Weitere Reedereien zu kaufen?
Rheinschiffe
und österreichische Flotte überdenken ihre Strukturen
Die
Konstanzer Stadtwerke wollen die Schweizerische Bodenseeflotte kaufen. Dass es
in ein paar Jahren nur noch einen Schiffsbetreiber auf Rhein und Bodensee gibt, schließt
keine Schifffahrtsgesellschaft aus.
Im Mai 2003 die deutschen
Bodensee-Schiffsbetriebe, im Sommer nun höchstwahrscheinlich die Schweizerische
Bodenseeschifffahrtsgesellschaft - die Konstanzer Stadtwerke sind auf
Einkaufstour (Ausgabe vom 7. April). Wann wird die nächste Bodensee-Flotte
einverleibt?
Vielleicht schon bald. Einerseits sind
die Konstanzer Stadtwerke in den kommenden Jahren weiteren Käufen nicht
abgeneigt. Andererseits geht bei beiden verbliebenen großen Reedereien, der
Schweizerischen Schifffahrtsgesellschaft für den Untersee und Rhein (URh) und
den Österreichischen Bundesbahnen Bodenseeschifffahrt Bregenz (ÖBB-Schifffahrt),
der Geschäftsführer bis Ende Jahr in Pension. «Deshalb sind wir natürlich
dabei, uns neu zu organisieren. Eine Aussage auf Jahre hinaus kann zwar nicht
gemacht werden, ein Verkauf ist aber nicht angedacht», erklärt der österreichische
Betriebsleiter Gerhard Mayer.
Geschäftsleitung auslagern
Konkreter tönt es bei der URh in
Schaffhausen, wo der abtretende Geschäftsleiter Konrad Eberle gleich selber
Auskunft gibt: «Der Verwaltungsrat möchte meine Pensionierung nutzen, um die
bisherige Führungsstruktur zu überprüfen.» Laut Eberle stehen zwei Varianten
zur Diskussion: Wieder einen neuen Direktor anzustellen oder den operativen
Bereich auszulagern. Dies würde bedeuten, anders als beim geplanten Verkauf der
Schweizer Flotte durch die SBB, dass das Aktienkapital in Schweizer Händen
bliebe. Derzeit halten Thurgau und Schaffhausen sowie zahlreiche Gemeinden 44
Prozent der Aktien, die restlichen 56 Prozent sind breit in der Bevölkerung
gestreut - was einen Verkauf sowieso erschweren würde. Auch die Besetzung des
Verwaltungsrats würde nicht verändert, einzig der Direktor und seine
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wären künftig zum Beispiel von den Konstanzer
Stadtwerken angestellt. Oder von den Schaffhauser Verkehrsbetrieben, die bereits
Interesse signalisiert haben. Der URh-Verwaltungsrat will bis Ende Juni
entscheiden, wie es weitergehen soll. Es ist nicht das erste Mal, dass über ein
Zusammengehen der Schiffsbetriebe auf dem Bodensee nachgedacht wird. Bereits vor
gut 20 Jahren gab es zwei Anläufe. Ein damaliges Hindernis, die fehlende Unabhängigkeit
von den jeweiligen Staatsbahnen, wurde seither mit der Gründung von
Aktiengesellschaften beseitigt. Die Vorteile eines Zusammengehens: Noch besser
abgestimmte Fahrpläne, größere Flexibilität beim Einsatz von Schiffen,
Einsparungen in der Verwaltung. Andere Dinge sind im Rahmen der Vereinigten
Schifffahrtsunternehmen bereits verwirklicht, wie der gemeinsame Betrieb von
Linien (Bregenz- Konstanz, Reichenau-Konstanz), ein gemeinsames Marketing und
einheitliche Tarife.
Identität geht verloren
Gerhard Mayer von den ÖBB verweist
aber auch auf die Nachteile einer weiter gehenden Zusammenarbeit: Die regionale
Verankerung gehe verloren, wie dies bereits in Leserbriefen kritisiert wurde,
und der Konkurrenzdruck, der oft zu besseren Leistungen animiert, entfalle.
Statistik
Gesunde Unternehmen
Die Schweizerische
Schifffahrtsgesellschaft für den Untersee und Rhein (URh) ist fast
selbsttragend: In den letzten Jahren mussten laut URh-Direktor Konrad Eberle bei
einem Umsatz von zirka 4 Mio. Franken nur die 200 000 Franken Defizitgarantie
der öffentlichen Hand beansprucht werden, um das Budget auszugleichen. Die 25
Mitarbeiter und sechs flussgängigen Schiffe beförderten 2004 370 000
Passagiere - bei der deutschen Flotte waren es gegen drei Millionen. Die sechs
Schiffe der Österreichischen Bundesbahnen transportieren jedes Jahr etwa 600
000 Passagiere. Der Betrieb arbeitet gewinnbringend, öffentliche Gelder fließen
außer bei Großinvestitionen keine.
(St. Galler
Tagblatt v. 16.04.05)
Windstille nach Übernahme
Der Kauf der Bodenseeflotte durch die
deutschen Nachbarn lässt Schweizer kalt
Ein symbolträchtiges Unternehmen geht in
deutsche Hände über. Doch die Schweizer Ufergemeinden interessieren sich vor
allem für die Leistung, die sie für ihr Geld erhalten.
«Die Schweizer Fahne am Heck ist gut und recht», sagt der Horner
Gemeindeammann Hannes Bommer, «mich interessiert vor allem die Leistung.» Der
Thurgau und Ufergemeinden mit Anlegestelle beteiligen sich seit 2002 am Defizit
der Schweizerischen Bodensee-Schifffahrtsgesellschaft (SBS).
Die SBB, die das Defizit zuvor trugen, wollen die SBS endgültig loswerden und
sie den Konstanzer Stadtwerken verkaufen (Ausgabe von gestern). Bommer will nun
sicherstellen, dass die Erträge aus dem Romanshorner SBS-Yachthafen weiter zur
Defizitdeckung verwendet werden. Dafür möchte der Gemeindeammann von
Romanshorn, Max Brunner, weitere 70 Liegeplätze im Fährhafen einrichten.
Brunner bedauert es grundsätzlich, «dass die SBS nicht als eigenständiges
Unternehmen erhalten werden kann». Wichtiger sei aber, dass die Kursschifffahrt
weiterbetrieben werden könne.
Konstanzer Busse
«Alles in einer Hand macht Sinn», sagt Josef Bieri, Stadtammann von
Kreuzlingen. Die Konstanzer Stadtwerke empfinde er nicht als Fremde, da der
Konstanzer Stadtbus, der «rote Arnold», seit Jahren in Kreuzlingen verkehre.
«Ich sehe es völlig wertfrei», sagt auch der Rorschacher Stadtpräsident
Thomas Müller. «Die Bodenseeregion versteht sich touristisch als eine Region.»
Die Übernahme komme nicht überraschend, da die Konstanzer Stadtwerke bereits
die Bodensee-Schiffsbetriebe (BSB) von der Deutschen Bahn übernommen hätten.
Bei Müller regen sich lokalpatriotische Gefühle: Rorschach betreibt mit Thal
und Rheineck zusammen einen eigenen Schifffahrtsbetrieb mit drei Schiffen,
daraus werde nun «die grösste Bodenseeflotte der Schweiz». Vielleicht werden
die Kursschiffe in Zukunft nicht mehr an Altnau vorbeifahren, hofft
Gemeindeammann Beat Pretali. Er wünscht vor allem seequerende Verbindungen etwa
nach Hagnau. Nach Romanshorn oder Kreuzlingen gebe es andere Verkehrsmittel.
Auch Velofahrer wünschten eine Alternative zu den bestehenden Fähren. «Der
Bodensee muss der Öffentlichkeit zugänglich sein und nicht nur dem Vergnügen
der Freizeitkapitäne dienen.»
Kommunen als Aktionäre
Querverbindungen werden jedoch vom Cabotage-Verbot behindert: Gemäß
internationalen Verträgen darf ein Schiffsbetrieb im andern Land keine
Passagiere aufnehmen. «Ich gehe davon aus, dass alles, was den Kundenservice
behindert, noch mal überdacht wird», sagt der Sprecher der Konstanzer
Stadtwerke, Franz Leinweber. Die SBS bleibe ein Schweizer Unternehmen. Die
Stadtwerke wollten das Aktienpaket vor allem übernehmen, damit die SBS ein
regionales Unternehmen bleibe. Theoretisch hätten es auch amerikanische oder
japanische Fondsgesellschaften erwerben können. Um ihre Wünsche besser
einzubringen, könnten sich die Kommunen laut Leinweber eventuell an der SBS
beteiligen.
Leitung bleibt schweizerisch
SBS-Geschäftsleiter Martin Böller sieht die Übernahme seiner Flotte positiv:
Wenn die SBB schon verkaufen wollten, dann am besten an ein regional verankertes
Unternehmen wie die deutschen Bodensee-Schiffsbetriebe (BSB). Zudem kooperieren
die SBS schon seit Jahren mit den BSB. Martin Böller geht davon aus, dass er
seine Stelle behalten wird. Anders der Verwaltungsrat, der bisher mit
SBB-Vertretern bestückt war. Auch künftig muss aber mindestens die Hälfte der
Verwaltungsräte den Schweizer Pass haben.
(St. Galler Tagblatt v. 09.04.05)