Machtkampf am Bodensee

SBB wollen die Bodenseeflotte gegen den Willen der Mitarbeiter an Konstanz verkaufen

Die Mitarbeiter der Bodensee-Schifffahrtsgesellschaft blockieren mit ihrem Vorkaufsrecht den Verkauf der Firma. Die SBB machen ihnen ihre Rechte als Minderheitsaktionäre streitig.

150 Jahre ist sie alt, die Schweizerische Bodensee-Schifffahrtsgesellschaft SBS. Ausgerechnet im Jubiläumsjahr soll die alte Dame verkauft werden. Das zumindest wollen die SBB, die 97,4% der Aktien halten. Verhökern wollen die SBB die Schifffahrtsgesellschaft, die vier Ausflugsdampfer und eine Fähre, zwei Häfen und die Werft in Romanshorn betreibt, an die deutschen Stadtwerke Konstanz, welche eine Flotte auf deutscher Seite in Betrieb halten. Diesen Verkauf haben die SBB bereits vor zwei Monaten angekündigt und davon geredet, dass die Verhandlungen weit gediehen? seien. Doch seit wenigen Tagen ist der Verkauf blockiert. Die SBB haben die Rechnung ohne die Mitarbeiter der SBS gemacht. Einige von ihnen besitzen Aktien ihres Arbeitgebers. Und wer eine Aktie besitzt, hält gemäß Statuten der Firma ein Vorkaufsrecht. Offensichtlich ist, dass die SBB diese Minderheitsaktionäre aushebeln wollten. Nachdem Bern Anfang April die Mitarbeiter über den bevorstehenden Verkauf ihrer Schifffahrtsgesellschaft informiert hatte, forderten die SBB die Minderheitsaktionäre auf, schriftlich auf ihr Vorkaufsrecht zu verzichten. Nicht darauf verzichten will aber Flavio Cason, seit 17 Jahren bei den SBS tätig. Er hat die SBB letzte Wochen wissen lassen, dass er von seinem Vorkaufsrecht Gebrauch machen wolle. Dies, obwohl ihm die SBB vorgängig keine Einsicht in den Kaufvertrag mit den Deutschen gewährt hatten. Auch einen Kaufpreis für das Aktienpaket gaben die SBB nicht bekannt. In Konstanzer Kreisen redet man von rund 4 Millionen Euro. Die Verweigerungshaltung der SBB findet Cason nicht in Ordnung: "Wir müssen doch prüfen können, was wir kaufen wollen." Zwar sei man nach Bern geladen worden, doch nur um zu hören, dass die SBB nicht gewillt seien, den Minderheitsaktionären irgendwelche Informationen zu geben. Man suche nicht Streit mit den SBB, meint Cason, wolle aber die Aktionärsrechte ausüben können. Unterstützung erhält Cason von Expertenseite. Die Zuger Anwältin Lorella Callea hält fest, dass mit dem Vorkaufsrecht ein Eigentümer einer Sache einer anderen Person das Recht einräume, im Falle eines Verkaufes die Sache an sich zu ziehen. Im Klartext: Cason ist berechtigt, die SBS zu den Verpflichtungen und Bedingungen zu übernehmen, welche die SBB mit den Stadtwerken Konstanz vereinbart haben. Der Kaufpreis darf dabei nicht über dem "wirklichen" Wert der Firma liegen. Für nicht korrekt hält Callea das Vorgehen der SBB: "Die Vorkaufsberechtigten haben das Recht, über die Verkaufskonditionen informiert zu werden. Nur so können sie eine Kaufentscheidung fällen." Die SBB müssten Cason in den nächsten Tagen eine Kopie der Vereinbarung zustellen. Änderungen daran dürften nicht vorgenommen werden. "Insbesondere darf der Verkaufspreis nicht über dem Preis liegen, welche die Konstanzer bereit sind zu zahlen, da ansonsten davon ausgegangen werden muss, dass ein Dumpingpreis vereinbart worden ist." Das könnte für die SBB gar haftungsrechtliche Folgen haben, urteilt Callea. Auch ein Verkaufsverzicht durch die SBB scheint der Zuger Anwältin nicht mehr möglich. "Der Vorkaufsfall wurde am 26. Mai 2005 schriftlich bestätigt. Damit ist ein Rückzug auf Feld eins eigentlich ausgeschlossen." Anders sehen das die SBB. Zwar bestätigt die Pressestelle das Vorkaufsrecht, dieses berechtigte aber nicht zum Eintritt in den Kaufvertrag, weshalb auch keine Einsicht gewährt werden müsse. Unklar ist allerdings, worauf sich die SBB rechtlich stützen. Nach Ansicht der SBB garantieren die Konstanzer eine "nachhaltige Weiterführung der SBS". Wenn dem so ist, stellt sich die Frage, wieso die rund 80 Mitarbeiter, in deren Interesse angeblich gehandelt wird, nicht besser informiert werden. Mittlerweile weiß Cason nicht nur die große Mehrheit der Mitarbeiter hinter sich, sondern auch einen Investor, der gewillt ist, "weit mehr als den Kaufpreis in die Entwicklung der Schifffahrt, der Häfen und der Werft am Schweizer Bodenseeufer zu investieren". Ziel sei es, "die SBS in Schweizer Händen zu belassen, in der Bevölkerung zu verankern und gemeinsam mit den deutschen Partner Schifffahrt und Tourismus weiterzuentwickeln." Im Fall der Stadt Romanshorn wäre das dringend erwünscht: Die SBB lassen nämlich seit Jahren unmittelbar am Hafen Gebäude und Gelände vergammeln. Öffentlich nicht kommentieren wollen die Stadtwerke Konstanz die Angelegenheit. Offensichtlich ist jedoch, dass die Deutschen weniger am "je nach Wetter defizitären" Ufer- und Fährbetrieb interessiert sind, umso mehr aber am Filetstück der SBS, der Werft in Romanshorn. Diese arbeitet effizient und verfügt über ungenutzte Kapazitäten. Mit dem Besitz der Ostschweizer Werft würden die Deutschen auch von der eigenen Werft in Kressbronn unabhängig.

(NZZ v. 19.06.05)

 

 Übernahme auf Eis gelegt

 

Die Übernahme der Bodenseeflotte schien schon perfekt, doch jetzt meldet ein Kleinaktionär sein Interesse an. Die SBB haben ihm eine Frist gesetzt.


Zwei Jahre lang haben die SBB mit den Stadtwerken Konstanz verhandelt: Jetzt wurde das Übernahmegeschäft für die Bodenseeflotte auf Eis gelegt. Für 30 Tage zumindest - so lange dauert die statutarische Bedenkfrist, die die Hauptaktionärin SBB - sie kontrolliert 97,4 Prozent der Aktien der Schweizerischen Bodensee-Schifffahrtsgesellschaft AG - einem Kleinaktionär einräumt, nachdem dieser sein Interesse an einer Übernahme der SBS AG gegenüber signalisiert hat. Laut SBB-Mediensprecher Roland Binz sind 24 private Aktien im Umlauf - jeder dieser Aktionäre besitze laut Statuten ein Vorkaufsrecht.

«Wir nehmen das deponierte Kaufinteresse ernst», sagte Binz gestern. Mit Rücksicht auf das laufende Verfahren wollte er keine Angaben über die Höhe des Kaufpreises machen, das auch mit Rücksicht auf den Erstinteressenten, die Stadtwerke Konstanz. «Darüber ist Stillschweigen vereinbart worden.» «Der Entscheid - Verkauf oder nicht - liegt bei den SBB», sagte Binz. Mit Ablauf der Frist wird der Kleinaktionär seine Karten auf den Tisch legen müssen. «Die SBB sind an einer langfristigen Lösung interessiert», betonte Binz. «Die SBS soll als rechtlich eigenständiges Schweizer Unternehmen, eine AG mit Sitz in der Schweiz, bestehen bleiben. Und der Käufer solle den Weiterbetrieb garantieren und die Mitarbeiter übernehmen. Einigkeit herrscht im Bregenzer Rathaus: Ein Verkauf der ÖBB-Bodenseeschifffahrt kommt nicht in Frage. Die Stadtvertretung richtete am Donnerstagabend einen eindringlichen Appell an Bundesregierung und ÖBB, die Schifffahrt ja nicht zu verkaufen. Das erklärte Ziel aller Parteien ist es, Spekulationen mit dem lukrativsten Platz der Stadt, den Hafenanlagen, zu verhindern.

(St. Galler Tagblatt v. 18.06.05)

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