Die Meuterei geht weiter

Bodensee-Schifffahrt wirft hohe Wellen - SBB und ÖBB wollen ihre Flotten verkaufen - Romanshorner Aktionär gibt Kaufabsichten nicht auf

 

Der Verkauf der Bodensee-Flotte der SBB ist vorläufig gestoppt. Flavio Cason als Inhaber der Aktie Nr. 888 mit Vorkaufsrecht will seine Kaufabsichten nicht aufgeben. Im Gegenteil.

 

Die Schweizerische Bodensee-Schifffahrtsgesellschaft SBS AG soll, so der Wille von Hauptaktionärin SBB, an die Stadtwerke Konstanz verkauft werden. Dennoch hat die SBB mit ihren 97,4 Prozent Aktienanteil den Verkauf letzte Woche gestoppt. An einer außerordentlichen Generalversammlung sollen die Statuten so geändert werden, dass man trotz des Vorkaufsrechts von Flavio Cason an die Stadtwerke Konstanz verkaufen kann. Der Antrag an die Generalversammlung sei noch nicht formuliert, gibt Michèle Bamert, Mediensprecherin der SBB, Auskunft. Auf den Betrieb der Flotte habe der Verkaufsstopp keine Auswirkungen. Für die Belegschaft allerdings sei die Verzögerung mit Unsicherheit verbunden. Finanzielle Einbussen befürchtet sie ebenso wenig wie die Stadtwerke Konstanz (siehe Interview). Die SBB suche vor allem eine nachhaltige Lösung. Auch auf den nach wie vor unbekannten Verkaufspreis habe der Stopp keine Auswirkungen. Ausser Flavio Cason habe noch ein Aktionär auf sein Vorkaufsrecht nicht verzichtet, bestätigt die Pressesprecherin. Verkaufen wolle man die SBS AG, weil sich die SBB auf das Kerngeschäft konzentrieren wolle, und da gehöre die Schifffahrt nicht dazu.

 

Nicht ausbooten lassen

 

Unterdessen geht die Meuterei in Romanshorn weiter. Flavio Cason, Maschinist bei der SBS AG, kämpft für den Kauf seiner Arbeitgeberin. Inzwischen hat er sich den Rechtsbeistand einer Spezialanwältin gesichert. Er will verhindern, dass er mittels einer Statutenänderung ausgebootet wird und seine Kaufpläne platzen. Seine Motivation schöpft er aus dem Kaufauftrag, den SBS-Mitarbeiter ihm gegeben haben. Außerdem will er, dass die Schweizer Flotte weiterhin in Schweizer Hand bleibt. Dafür hat er auch die Unterstützung eines Romanshorner Unternehmers. Der bislang als Berater im Hintergrund tätige Rolf Beerli tritt nun auch ins Rampenlicht. Beerli ist Inhaber einer Immobilienfirma in Romanshorn und eines Geschäftes für Diamantbohrwerkzeuge in St. Gallen.

 

Strategie in Arbeit

 

Der SBB wirft er Einschüchterungsversuche vor. Und noch immer werde Cason der Einblick in Unterlagen, die auch den Verkauf an die Stadtwerke Konstanz betreffen, verwehrt. Auch der Verkaufspreis werde nicht genannt. Sie würden derzeit ein Strategiepapier entwickeln, das der SBB im August vorgelegt werde.

Befragt
Etwas enttäuscht

Frau Rockenstein, was bedeutet der Verkaufsstopp für die Stadtwerke Konstanz?

 

Für die Stadtwerke Konstanz bedeutet der Verhandlungsstopp hoffentlich nur eine Verzögerung der Verhandlungen. Wir sind nach wie vor an dem Kauf der SBS AG interessiert.

 

Haben Sie durch den Stopp finanzielle Einbussen?

 

Nein.

 

Müssen Sie preislich Ihr Angebot noch einmal nachbessern?

 

Darüber wurde nicht gesprochen.

 

Können Sie die Motivation von Herrn Cason verstehen?

 

Die Einstellung von Herrn Cason ist uns nicht ganz verständlich, da die SBS auch bei einem Kauf durch die Stadtwerke Konstanz eine Schweizer Firma bleiben wird und ja auch Schweizer Gemeinden und der Kanton Thurgau bis zu 30 Prozent der Aktien übernehmen möchten. Die SBB und die Stadtwerke Konstanz sind überzeugt davon, dass bei einem Kauf durch die Stadtwerke Konstanz die SBS wirtschaftlich gefestigt wird und somit auch die Arbeitsplätze gesichert bleiben.

 

Könnten Sie sich eine Kooperation mit den SBS vorstellen, wenn Sie sie nicht kaufen können?

 

Wir kooperieren bereits sehr gut in der Vereinigung Schweizer Schifffahrtsunternehmen. Über Weiteres müsste man dann verhandeln.

 

Wie war Ihre erste Reaktion, als Sie hörten, dass es Widerstand gegen die Pläne der Stadtwerke Konstanz gibt?

 

Etwas enttäuscht waren wir schon.

 

Silke Rockenstein ist Pressesprecherin der Stadtwerke Konstanz/Bodensee-Schiffsbetriebe GmbH.

 

Bregenz will ÖBB-Flotte

 

Auch auf der österreichischen Seite sorgt der Verkauf der Bodenseeflotte für Schlagzeilen. Laut einem Bericht der «Vorarlberger Nachrichten» haben die Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) den Verkauf ihrer Bodensee-Flotte gestartet, obwohl ein gemeinsames Vorgehen mit der Stadt Bregenz und dem Land vereinbart war. Das Management der ÖBB hat die Flotte samt Hafengelände im Amtsblatt als Interessensbekundung zum Verkauf ausgeschrieben. Mündlich sei ein gemeinsames Vorgehen vereinbart gewesen, sagte der Vorarlberger Landeshauptmann Herbert Sausgruber. Die ÖBB hätten diese Absprache nun gebrochen, wird er zitiert. Weiter heißt es, die ÖBB könnten sich auf eine härtere Gangart einstellen. Das werde kein Sonntagsspaziergang. Als Wasserrechts- und Raumplanungsbehörde habe man ein gewichtiges Wort mitzureden. Auch der Bregenzer Bürgermeister Markus Linhart ist enttäuscht. Die Ausschreibung als Interessensbekundung sei der weicheste Schritt. Gestern nun meldete Linhart im Rahmen eines Frühstücks mit Bundespräsident Heinz Fischer das Interesse seiner Stadt am Kauf der ÖBB-Flotte an.

Wörtlich
Potenziale entwickeln

Kuno Werner, Chef der Stadtwerke Konstanz, sagt zur Motivation die SBS zu kaufen: «Die Schifffahrt ist eine der wichtigsten touristischen Attraktionen der Region. Wenn wir die Schifffahrt weiterentwickeln und mit anderen touristischen Attraktionen verbinden, werden wir der Bodenseeregion vor allem im Hinblick auf ihre Attraktivität weitere Potenziale und damit für die hier lebenden Menschen eine nachhaltige Lebensqualität erschließen.»

(St. Galler Tagblatt v. 23.07.05)

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