Wettrüsten der Werften am See

Die Großwerft

Erst vor gut einem Jahr unterzeichneten die internationalen Schifffahrtsbetriebe am Bodensee einen Kooperationsvertrag, mit dem man die Werftkapazitäten bündeln wollte. Nun aber sickerte durch, dass die Vorarlberg Lines in Fussach ein riesiges Trockendock bauen wollen, in dem sogar die «Sonnenkönigin» trockengelegt werden kann. Die über 50 Jahre alte Slipanlage in Fussach ist gebrechlich geworden, vorab an den Geleisen der schiefen Ebene nagte der Zahn der Zeit. Noch immer wurden zwar große Fahrgastschiffe und Fähren bis zu 500 Tonnen Verdrängung damit ins Trockene gezogen, nun wäre aber eine teure Erneuerung unausweichlich. Dieses Geld will sich die Klaus Holding GmbH, unter deren Flagge die Vorarlberg Lines fahren, ersparen und stattdessen ein modernes Trockendock errichten. Der Betontrog, der nach dem Einfahren der Schiffe leergepumpt werden kann, soll auch die größten Einheiten wie die 70 Meter lange und 950 Tonnen schwere
«Sonnenkönigin» oder sogar die riesige Konstanzer Fähre «Lodi» mit über 80 Metern Länge aufnehmen können.

Baubeginn im Spätherbst

«Es ist richtig, dass wir bei der zuständigen Bezirkshauptmannschaft Bregenz die Baugenehmigung für das Dock erreicht haben», räumt Werner Netzer, Geschäftsführer der Bregenzer Klaus Holding, ein. Den behördlichen Segen habe man bekommen, weil die bestehende Slipanlage ein Sanierungsfall geworden sei, ein Trockendock bedeute zudem eine landschaftliche Verbesserung im Fussacher Hafengelände. Die Schiffe werden nicht mehr hoch aus dem Wasser gehoben, zudem werde der Lärm bei Wartungsarbeiten im Erholungsgebiet mit Hunderten Liegeplätzen von Freizeitbooten gedämpft und die Staubverbreitung eingeschränkt, weil sich die Anlage auf niedrigem Niveau nur auf Höhe des Wasserspiegels befinde.

Baubeginn für das Dock könnte schon im Spätherbst sein, aber erst werde man den Markt noch gründlich auf Aufträge abklopfen, bevor man die veranschlagten 5,5 Millionen Euro investiere, heißt es in Bregenz. Durch die Wartung der eigenen Flotte samt «Sonnenkönigin», die bisher nirgends am Bodensee ausgewassert werden kann, und den Wegfall der Kapazität der insolvent gewordenen Bodan-Werft in Kressbronn erhofft man sich für das Dock eine gute Auslastung. Auf der Brücke der Werft der Schweizerischen Bodensee-Schifffahrt in Romanshorn ist man von den Plänen der Vorarlberger überrascht und sieht das abgeschlossene Kooperationsabkommen in Frage gestellt. «Ich weiß nicht, was die Vorarlberger im Sinn haben, es sieht mir nach einer eigenen Schiene aus, die sie da jetzt fahren wollen», sagt Oberkapitän Erich Hefti, Mitglied der SBS-Geschäftsleitung.

SBS will selber ausbauen

Tatsache ist, dass das private Schweizer Schifffahrtsunternehmen aber selbst die Werft in Romanshorn erweitern will und dafür zwischen acht und zehn Millionen Franken budgetierte. Die Halle soll Schiffe jeder Größe und Höhe aufnehmen können und weiter einen gedeckten Arbeitsplatz bieten.

Beteiligt an den Ausbauplänen ist auch die deutsche Bodensee Schiffsbetriebe GmbH (BSB), das Unternehmen der Konstanzer Stadtwerke. Selbst die Detailpläne sind weit gediehen, sagt Damien Baker, technischer Leiter der Werft in Romanshorn: «Im Februar 2013 wollten wir eigentlich loslegen.» Laut Geschäftsführer Werner Netzer von den Vorarlberg Lines ist der vor einem Jahr geschlossene Vertrag über ein Kooperationskonzept durch die Investition in Fussach nicht tangiert. «Die Schweizer werden auf jeden Fall bauen, vielleicht kleiner.» Aber Aufträge gäbe es für beide Werften, zumal besonders für die Konstanzer Flotte mit über 30 Schiffen nach dem Wegfall der Bodan-Werft in
Kressbronn Handlungsbedarf bestehe.

Die Erweiterungspläne der SBS-Werft in Romanshorn sind weit gediehen. Künftig sollen auch längere und höhere Schiffe als der Nostalgiedampfer Hohentwiel (hier im Jahr 2010) ins Trockene geschleppt werden können. Mit der ausgewasserten «Vorarlberg» erreichte die Slipanlage in Fussach ihre Kapazitätsgrenze. Um Kosten zu sparen und die Infrastruktur nach der Stilllegung der Bodan-Werft in Kressbronn auszunutzen, haben die vier Schifffahrtsgesellschaften am Bodensee im April 2011 eine Kooperation für 30 Jahre beschlossen. Hauptaufgabe der Werften in Romanshorn, Friedrichshafen und Fussach ist die Instandhaltung der Flotte von 34 Schiffen.

(St. Galler Tagblatt v. 26.07.12)

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