Zwei Stunden stehen die Fähren still

Zwei Stunden lang ist die Bodensee-Fährverbindung zwischen Meersburg und Konstanz gestern Morgen unterbrochen gewesen. Der Grund: Ein Warnstreik der Bedien-steten der Stadtwerke Konstanz . Die 135 Mitarbeiter des Fährbetriebs sollen länger arbeiten und weniger verdienen.

Die wartenden Autofahrer in der Meersburger Unterstadt bleiben überraschend ruhig. Berthold Graf aus Wolpertswende bei Ravensburg sitzt entspannt in seinem Firmenwagen. Kann man nix machen, lautet seine Devise. Graf sagt: "Ein Streik ist das einzige Mittel dagegen." Gegen was?

Die Stadtwerke Konstanz wollen ihre 135 Mitarbeiter des Fährbetriebs in den mit der Gewerkschaft ausgehandelten Nahverkehrstarifvertrag einstufen. Den Mitarbeitern passt das nicht. Freiwillig wollen sie nicht auf einen Teil ihrer Löhne verzichten. Gesprächsbereit sind sie, was die Mehrarbeit angeht. "Die nehmen wir in Kauf", sagt Verkehrsmeister Otto Frömel, der im Hafen in Meersburg den Streik organisiert.

Verdi-Fahnen wehen im Wind

Ungefähr ein Dutzend Mitarbeiter legt die Arbeit nieder. An einer Anlegebrücke wehen zwei Verdi-Fahnen im Wind. Die Mitarbeiter lehnen am Brückengeländer, beantworten die Fragen der Fahrgäste oder diskutieren mit ihnen über die fünf Millionen Arbeitslosen im Land.

Wie ein Feuer flackert von Zeit zu Zeit eine Grundsatzdiskussion auf. Ein früherer Geschäftsmann mit alpenländischem Akzent lässt die streikenden Fähremitarbeiter wissen, dass er von ihrem Tun wenig hält. Einer gibt tapfer contra: "Es geht ums Geld, es geht darum, dass wir unsere Miete bezahlen müssen", sagt ein Stadtwerke-Mitarbeiter und zündet sich hektisch eine Zigarette an.

Seit acht Uhr läuft keine Fähre mehr aus. Die Gewerkschaft hat den Warnstreik auf den späten Morgen gelegt, damit die Pendler pünktlich zur Arbeit kommen. Zwei Stunden lang will das Fährepersonal die Arbeit unterbrechen. Trotzdem geht es auf dem Vorplatz relativ geordnet zu: Drei Mitarbeiter fangen die Autos frühzeitig ab. Geduldig erklären sie, was los ist. Viele Autofahrer hätten für den Warnstreik Verständnis, sagt Thomas Hill, der selber Gewerkschaftsmitglied ist und dem Warnstreik offen gegenüber steht. "Ehrlich gesagt, ich hab"s mir schlimmer vorgestellt."

Auf Handzetteln ist beschrieben, wie die Autofahrer Konstanz auf dem Landweg erreichen. Weil die meisten umdrehen, bildet sich auf der Serpentinenstraße kein Stau. Erst gegen halb zehn füllt sich der Vorplatz. Zehn Minuten vor zehn gehen die Schranken wieder auf, um fünf nach zehn legt die erste Fähre ab, so der Plan. Auf dem Fußweg am See warten derweil Hunderte von Fußgängern, bis der Betrieb wieder aufgenommen wird.

Keine schnelle Einigung

Um elf Uhr treffen sich beide Parteien in Konstanz am Verhandlungstisch zur dritten Runde. "Für alle geht"s um viel", sagt Hans Anthöfer, der leitende Verkehrsmeister. Er rechnet nicht mit einer schnellen Einigung. Wahrscheinlich wird"s Winter, bis der neue Manteltarifvertrag steht, meint er. Ein westfälisch sprechender Urlauber macht den Streikenden wenig Hoffnung: "Ihr werdet nicht drum rum kommen und auf Geld verzichten müssen." Der Feriengast aus Immenstaad hat Münteferings Kapitalismus-Schelte verinnerlicht: "Das Kapital hat die Macht", lautet seine Position, "da können Sie sagen, was sie wollen." Der Angesprochene schweigt. Seit er aus der Gewerkschaft ausgetreten ist, hält er sich zurück.

Um kurz vor zehn machen sich die Streikenden wieder an die Arbeit. Die Männer mit den grünen Leibchen legen ihre Infozettel zur Seite und weisen die Autos ein. Bis der Betrieb wieder normal läuft, dauert es seine Zeit. Und der nächste Streik kommt bestimmt, sind sich die Stadtwerke-Mitarbeiter sicher

(Schwäbische Zeitung v. 25.06.05)

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