Zwei
Stunden lang ist die Bodensee-Fährverbindung zwischen Meersburg und Konstanz
gestern Morgen unterbrochen gewesen. Der Grund: Ein Warnstreik der Bedien-steten
der
Die
wartenden Autofahrer in der Meersburger Unterstadt bleiben überraschend ruhig.
Berthold Graf aus Wolpertswende bei Ravensburg sitzt entspannt in seinem
Firmenwagen. Kann man nix machen, lautet seine Devise. Graf sagt: "Ein
Streik ist das einzige Mittel dagegen." Gegen was?
Die
Verdi-Fahnen
wehen im Wind
Ungefähr
ein Dutzend Mitarbeiter legt die Arbeit nieder. An einer Anlegebrücke wehen
zwei Verdi-Fahnen im Wind. Die Mitarbeiter lehnen am Brückengeländer,
beantworten die Fragen der Fahrgäste oder diskutieren mit ihnen über die fünf
Millionen Arbeitslosen im Land.
Wie
ein Feuer flackert von Zeit zu Zeit eine Grundsatzdiskussion auf. Ein früherer
Geschäftsmann mit alpenländischem Akzent lässt die streikenden Fähremitarbeiter
wissen, dass er von ihrem Tun wenig hält. Einer gibt tapfer contra: "Es
geht ums Geld, es geht darum, dass wir unsere Miete bezahlen müssen", sagt
ein Stadtwerke-Mitarbeiter und zündet sich hektisch eine Zigarette an.
Seit
acht Uhr läuft keine Fähre mehr aus. Die Gewerkschaft hat den Warnstreik auf
den späten Morgen gelegt, damit die Pendler pünktlich zur Arbeit kommen. Zwei
Stunden lang will das Fährepersonal die Arbeit unterbrechen. Trotzdem geht es
auf dem Vorplatz relativ geordnet zu: Drei Mitarbeiter fangen die Autos frühzeitig
ab. Geduldig erklären sie, was los ist. Viele Autofahrer hätten für den
Warnstreik Verständnis, sagt Thomas Hill, der selber Gewerkschaftsmitglied ist
und dem Warnstreik offen gegenüber steht. "Ehrlich gesagt, ich hab"s
mir schlimmer vorgestellt."
Auf
Handzetteln ist beschrieben, wie die Autofahrer Konstanz auf dem Landweg
erreichen. Weil die meisten umdrehen, bildet sich auf der Serpentinenstraße
kein Stau. Erst gegen halb zehn füllt sich der Vorplatz. Zehn Minuten vor zehn
gehen die Schranken wieder auf, um fünf nach zehn legt die erste Fähre ab, so
der Plan. Auf dem Fußweg am See warten derweil Hunderte von Fußgängern, bis
der Betrieb wieder aufgenommen wird.
Keine
schnelle Einigung
Um
elf Uhr treffen sich beide Parteien in Konstanz am Verhandlungstisch zur dritten
Runde. "Für alle geht"s um viel", sagt Hans Anthöfer, der
leitende Verkehrsmeister. Er rechnet nicht mit einer schnellen Einigung.
Wahrscheinlich wird"s Winter, bis der neue Manteltarifvertrag steht, meint
er. Ein westfälisch sprechender Urlauber macht den Streikenden wenig Hoffnung:
"Ihr werdet nicht drum rum kommen und auf Geld verzichten müssen."
Der Feriengast aus Immenstaad hat Münteferings Kapitalismus-Schelte
verinnerlicht: "Das Kapital hat die Macht", lautet seine Position,
"da können Sie sagen, was sie wollen." Der Angesprochene schweigt.
Seit er aus der Gewerkschaft ausgetreten ist, hält er sich zurück.
(Schwäbische
Zeitung v. 25.06.05)