Hohentwiel goes Hollywood

Um die Hohentwiel in seinem neuen Film „Eine dunkle Begierde“ mit dabeizuhaben, machte Starregisseur David Cronenberg den Bodensee kurzerhand zum Zürisee.

Kapitän Adolf Franz Konstatzky ist es fast schon gewöhnt, Drehanfragen für den Schaufelraddampfer Hohentwiel zu bekommen. Hin und wieder aber wird auch er noch überrascht. Im Sommer 2009 erhielt Konstatzky den Anruf einer deutschen Filmproduktionsfirma und wurde durch die Aussage verblüfft, David Cronenberg hätte sich das Schiff angesehen. Er wäre begeistert davon und möchte es unbedingt für seinen neuen Film haben. Der Kapitän fragte sich, wie Cronenberg es geschafft hatte, sich an ihm vorbeizuschmuggeln, um sein Schiff unbemerkt zu begutachten. Erst da erinnerte er sich wieder an eine Episode aus dem Jahr davor: Der Dampfer lag eines Sonntagmorgens in Bodman am deutschen Bodenseeufer, als die nautische Crew von drei englischsprachigen Männern gebeten wurde, sich an Deck umsehen zu dürfen. „Viele haben diese Bitte und sagen, sie wollen einen Film auf der Hohentwiel drehen. Aber meistens sind es nur Hobbyfilmer oder regionale Fernsehstationen“, sagt Kapitän Konstatzky. Er habe die ganze Angelegenheit nicht ernst genommen und kurz darauf sogar vergessen. Dass einer der Herrn der preisgekrönte kanadische Regisseur Cronenberg („Die Fliege“, „Naked Lunch“) war, wurde ihm erst ein Jahr später klar.

Strengste Geheimhaltung

„Eine dunkle Begierde“ handelt von dem Verhältnis zwischen den Psychoanalytikern Sigmund Freud, C. G. Jung und deren Patientin Sabina Spielrein. Da Jung in Zürich lebte, sollten die Szenen am Zürisee auch dort gedreht werden. Da Cronenberg aber nicht auf die Hohentwiel verzichten wollte, verlegte er die Drehorte vom Zürisee kurzerhand an das Bodenseeufer. „Den Schönheitsfehler, dass am Zürisee die Hohentwiel fährt, hat Cronenberg in Kauf genommen“, erzählt Konstatzky. Unter der Bedingung, das gesamte Filmprojekt strengstens geheim zu halten, handelten Kapitän und Produktionsfirma den Drehtermin für das Jahr 2010 aus. Und schließlich kam David Cronenberg mit seiner Crew aus London und einer der begehrtesten Hollywood-Schauspielerinnen – Keira Knightley – nach Bodman, wo für nur zwei Szenen einen Tag lang alles im Zeichen der Psychoanalyse stand.

Stars und Allüren

„Keira war sehr zurückhaltend und unnahbar, zog sich in den Drehpausen immer in den für sie reservierten Raum unter Deck zurück. Ganz anders war Schauspieler Michael Fassbender (Sigmund-Freud-Darsteller). Er plauderte mit allen, genoss die Sonne an Deck und benahm sich wie ein richtiger Tourist“, erzählt der Kapitän, der die Hohentwiel während der Drehs auch steuerte. Die Fahrtszene musste einige Male wiederholt werden. „Wir sind direkt auf die Kamera zugefahren. Ich dachte schon, jetzt fahren wir das Ding gleich über den Haufen, aber über Funk haben wir ganz genaue Anweisungen von Cronenberg bekommen.“ Die Kamera war dabei auf einem anderen Schiff an einem langen „Arm“ befestigt. Cornenberg hätte immer nur „good job, good job“ gesagt und war zufrieden mit den Ergebnissen des Drehs. „David wirkte am Set wie ein ruhiger Dirigent. Er führte Schauspieler, Techniker und Komparsen wie ein Orchester. Er legte keinerlei Starallüren an den Tag“, meint Konstatzky. Die Hohentwiel wurde übrigens unentgeltlich zur Verfügung gestellt. „Es freut mich, dass Hollywood so auf unseren Dampfer abfährt. Für uns ist das ein wichtiger Imagefaktor.“

(Angelika Drnek/Neue VN v. 17.11.11)

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