Schiffsführer Jürgen Müller schippert mit der MS Bodman auf dem See
Wenn Jürgen Müller morgens aufsteht, fällt er vom Bett in sein Steuerhaus: "Ich wohne zu Fuß nur drei Minuten vom Hafen." Zuvor hat er schon ein ordentliches Frühstück genossen. Selbst gemacht - denn seine Frau ist dann schon aus dem Haus. Sie arbeitet in einem Kiosk in Überlingen. "Bei mir gibt's Marmeladenbrot und Kaffee", sagt der 59-Jährige. "Das brauche ich" - um gestärkt zu sein für einen langen Tag, der oft bis Mitternacht mit Arbeit ausgefüllt ist. Jürgen Müller ist in seiner Erscheinung nicht unbedingt ein typischer Schiffsführer: In seiner schwarzen Hose und dem frisch gebügelten weißen Hemd kommt er eher leger daher.
Seit 1969 steuert er das überwiegend von Touristen genutzte Linienschiff MS Bodman. Er ist damit der dienstälteste Schiffsführer der Motorbootgesellschaft. Seit er denken konnte, wollte er diesen Beruf ergreifen. "Ich habe schon als Kind in den Schulferien im Bodmaner Hafen ausgeholfen." Nun schippert er seit fast 40 Jahren auf dem Bodensee im Kreis. Seine Stationen: Bodman, Ludwigshafen, Sipplingen, die Marienschlucht und schließlich Überlingen.
Langweilig wird es ihm dabei jedoch nie: Kaum sind wir auf dem See, packt er sein Fernglas und betrachtet ein Oldtimer-Segelboot genauer. "Hier gibt es immer etwas zu sehen." Im Zentrum seiner Aufmerksamkeit stehen auch die Besucherzahlen auf dem Schiff. "Seit der Sperrung der Marienschlucht sind sie drastisch zurückgegangen. Es wird höchste Zeit, dass hier etwas passiert."
Auch die Veränderungen durch den Klimawandel sind dem Schiffsführer nicht entgangen. "Die Stürme werden jedes Jahr häufiger und heftiger", stellt er besorgt fest. Gerade hat er diese Worte ausgesprochen, da erscheint aus Richtung Bodman das rhythmische Zeichen einer Unwetterwarnung. Es blinkt 90 Mal pro Minute - Das bedeutet Sturm. Im schlimmsten Falle müsse man in die Mitte des Sees fahren und dort warten, bis das Unwetter vorbei sei. "Es dauert maximal 15 bis 20 Minuten", erklärt er in beruhigendem Ton. "Hier im Überlinger See wird es für dieses Schiff nie gefährlich." Der Obersee hingegen berge viel größere Gefahren.
Angst hatte Jürgen Müller in den letzten Jahren wohl eher um seinen Arbeitsplatz. Früher sei er das ganze Jahr fest angestellt gewesen. "Seit zwei Jahren bin ich von Oktober bis März arbeitslos." Seine Stimme verrät seinen Groll darüber. "Das bedeutet einen starken finanziellen Verlust für mich." Die Motorbootgesellschaft Bodman begründet die Maßnahme mit der Verpachtung der Fährschiffes Großherzog Ludwig an die BSB Konstanz. "Seitdem haben wir im Winter für Herrn Müller keine Beschäftigungsmöglichkeit mehr", erklärt Holger Lortz, Geschäftsführer der Motorbootgesellschaft MS Bodman.
Schiffsführer sein: Das ist für Jürgen Müller eine Lebensentscheidung. "Ich fahre an sechs Tagen die Woche. Heute Abend findet zusätzlich die wöchentliche Mondscheinfahrt statt." Neben dem Steuern des Schiffes muss er dafür sorgen, dass alles reibungslos funktioniert: Dies erfordere eine tägliche Kontrolle der Maschinen, des Öls und des Kraftstoffes. Doch trotz aller Kontrolle: Ausfälle und Unvorhergesehenes könnte immer passieren. "Die alte MS Bodman ist oft liegen geblieben." Da habe es dann nur eine Lösung gegeben: Hilfe rufen und sich abschleppen lassen.
Die Zukunft der MS Bodman stehe weiter in den Sternen, weiß Holger Lortz. "Wir hoffen, sie noch bis zum Ende der Saison 2008 halten zu können", sagt er. Klarheit über die Zukunft des Schiffes gebe es jedoch frühestens Ende August. Bis dahin wisse man, ob der Pachtvertrag für die Großherzog Ludwig von der BSB Konstanz verlängert wird oder ob man das Schiff 2008 zurücknehmen müsse. Das würde das Ende der MS Bodman bedeuten.
Ein Schiffsführer verlässt das Schiff immer zuletzt. Ob das auch bei Jürgen Müller so sein wird, ist noch ungewiss. Sein Arbeitstag endet heute erst kurz vor Mitternacht, als er nach der Mondscheinfahrt über Ludwigshafen und Sipplingen wieder in Bodman einfährt. Dann leint sein Kollege Marco Meyer-König das Schiff an und Müller macht seinen abschließenden Kontrollgang, bevor er als Letzter das Licht ausmacht. Dann geht es nach Hause.
(Susanne
Ebner/Südkurier
v. 22.08.07)