Von der Anlegestelle des badischen
Großherzogs
zum Schifffahrts-Terminal
Seit 140 Jahren wird die Insel Mainau regulär von den
Kursschiffen angefahren
An die einstige Bedarfslandestelle des großherzoglichen
Hofstaates erinnert auf der Insel Mainau noch der Landungsplatz Nummer eins. Der Anleger mit seinem kleinen Hafen und den auf einem Sockel
thronenden badischen Greifen entstand im Jahre 1854. Erst 20 Jahre später wurde die Insel Mainau offiziell in das Liniennetz der
Dampfschifffahrt eingebunden. Noch bis nach dem Zweiten Weltkrieg galt die Insel Mainau als offizielle Schiffslandestelle für die
nahegelegenen Gemeinde Litzelstetten. Als Großherzog Friedrich I. im Jahre 1856 die Regierungsgeschäfte übernahm, erhob er die Insel Mainau
zu seiner Sommerresidenz. Die Anreise aus Karlsruhe erfolgte bis zum Bau der Eisenbahn noch per Kutsche und einer kleinen militärischen
Eskorte des badischen Leibgrenadier-Regimentes. Das Großherzogspaar bewohnte die Insel in der Regel von Mai bis Anfang Oktober. Nachdem im
Jahre 1873 die Schwarzwaldbahn fertiggestellt war, zog es das Landesoberhaupt auch häufig vor, ohne großes Aufsehen an der Station Reichenau
den Zug zu verlassen. Mit einer Droschke und nur wenigen Begleitern ging es dann durch die unberührten Wälder des Bodanrück auf dem Landweg
zur Mainau. Der großherzoglichen Sommerresidenz verdankte auch ab 1872 das damals ganze 16.000 Einwohner zählende badische Landstädtchen
Konstanz den Sitz einer kaiserlichen Oberpostdirektion. Das stattliche, von 1889-1891 im wilhelminischen Stil erbaute Hauptpostgebäude,
befindet sich seit 1998 im Besitz der Sparkasse Bodensee und bildet einen nicht mehr wegzudenkenden Bestandteil der Konstanzer
Stadtsilhouette. Erst im Jahre 1937 wurde die Oberpostdirektion Konstanz aufgelöst und Freiburg unterstellt. Als Schiffslandestelle wurde
die Insel Mainau nur von April bis Oktober regelmäßig angefahren. Da Waldhaus Jakob und Staad der Überlingersee-Route zugeordnet waren,
wurden diese Stationen von den Oberseeschiffen nicht angelaufen. Diese Streckenführung, in der auch die Konstanzer Vororte mit einbezogen
waren, unterstreicht ganz besonders den lokalen Charakter der Schifffahrt auf dem Überlingersee. Von Meersburg wurden die Kurse entlang des
nördlichen Ufers über Unteruhldingen nach Überlingen und Dingelsdorf weitergeführt. Als Umsteigestation auf die Salemer-Talbahn endete der
erste Streckenabschnitt in Unteruhldingen, der im Kursbuch mit 15,1 Kilometern ausgewiesen war. Dann wurde die Entfernung nach Überlingen
und Dingelsdorf mit 12 Kilometern noch einmal separat aufgeführt. Nach dem Bau der Bahnlinie von Stahringen nach Überlingen, galt die
Gemeinde Dingelsdorf ab 1897 als die offizielle Endstation der Großschifffahrt. Dingelsdorf unterstand zwar der Amtsbezirk Konstanz, war
aber durch keine offizielle Landverbindung mit der Stadt verbunden. Der gesamte Personen- und Güterverkehr wurde ebenso wie die
Postbeförderung über Überlingen abgewickelt. Erst ab 1916 war eine über den Bodanrück führende Lokalbahn vorgesehen, die aber wegen des
inzwischen ausgebrochenen Ersten Weltkrieges nicht mehr gebaut wurde. Ebenfalls nicht mehr ausgeführt wurde der Bau einer Uferbahn von
Unteruhldingen über Meersburg-Immenstaad nach Kluftern, die zum damaligen Zeitpunkt eine unliebsame Konkurrenz für die Dampfschifffahrt
bedeutet hätte.
Nach der Reichsgründung von 1871 rückte die Insel Mainau immer mehr in den
Mittelpunkt des öffentlichen Interesses. Alljährlich im Juni kam Kaiser Wilhelm I. auf die Insel, um seine Tochter Luise und seinen
Schwiegersohn Großherzog Friedrich I. einen einwöchigen Besuch abzustatten. Meistens führte die Fahrt mit der Bahn von der Reichshauptstadt
Berlin nach Konstanz, wo der Monarch den festlich herausgeputzten Salondampfer "Kaiser Wilhelm"
bestieg, der seinen Namen trug. Aus dieser Zeit existieren auch noch einige lustigen Anekdoten über den alten Kaiser mit seinem
unverkennbaren Backenbart. An einem besonders föhnigen Frühsommertag hatte die "Kaiser Wilhelm" mit seinem hohen Gast den Konstanzer Hafen
verlassen und nahm Kurs zur Insel Mainau. Gutgelaunt gesellte sich der Kaiser zum Kapitän auf die Kommandobrücke um die eindrucksvoll über
den See schimmernde Alpenpracht zu bewundern. Besonders die wuchtigen Berge der Alpsteingruppe schienen den Kaiser zu beeindrucken. Denn
auch für das Staatsoberhaupt, der ja überwiegend in Berlin residierte, war ein solches Alpenpanorama kein alltäglicher Anblick. Des Kaisers
Hand deutete nach Süden und stellte gleichzeitig dem Kapitän die Frage nach den Bergnamen der Alpsteingruppe. Prompt erhielt er zur Antwort:
"Majeschtät, des isch de Säntis!" "Und der zweite Gipfel?", wollte der Kaiser wissen. "Das ischt der Altmann, der kleinere Bruder vom
Säntis!". Des Kaisers Blick schweifte weiter noch Südosten auf die Berge des Rhätikons und die Vorarlberger Voralpenberge. "Kennt er auch
die Namen der anderen Berge?" Da geriet der Kapitän leicht in Verlegenheit und meinte: "Des gehört alles noch dazu!" "Ja haben die denn
keine Namen?" Da war es mit der Weisheit des Kapitäns am Ende. "Mit Verlaub ehrwürdige Majeschtät, aber das dahinten sind lauter
Privatberge....!"
Bei den sogenannten „Kaiserfahrten“ wurde für die Bordgastronomie extra Personal
des Konstanzer Insel-Hotels zur Verfügung gestellt, das sich damals im Besitz des Grafen Eberhard von Zeppelin, dem Bruder des
„Luftschiffgrafen“ befand. Auf einer dieser Fahrten, ließ sich der alte Kaiser von einem livrierten Kellner einen „Schoppen“ Reichenauer
Weines servieren. Er begutachtete mir fachmännischem Blick den in der Karaffe funkelnden Rotwein und meinte zufrieden zu seiner kleinen, eng
vertrauten Hofgesellschaft: "Endlich kann ich mir einmal ein Glas Wein ohne die Anwesenheit hochdotierter Persönlichkeiten zu Gemüte
führen….!“
Sein Enkel und Nachfolger, Kaiser Wilhelm II. kam zum ersten Mal anlässlich seiner
Antrittsbesuche an den süddeutschen Fürstenhöfen am 29. September des sogenannten "Dreikaiserjahres" 1888 auf die Insel Mainau. Insgesamt
waren aber Besuche am Bodensee seltener, als jene seines Großvaters. Als Großherzog Friedrich I. am 28. September 1907 auf der Insel Mainau
verstarb, wurde der Sarg mit den sterblichen Überresten mit der "Kaiser Wilhelm" nach Konstanz überführt und von dort auf einen Sonderzug
nach der badischen Landeshauptstadt Karlsruhe geleitet. Weitere prominente Gäste auf der Insel Mainau waren König Gustav V. von Schweden mit
seiner Gattin Victoria, der Tochter von Großherzog Friedrich I. und Urgroßmutter der heutigen, gräflichen Familie Bernadotte. Am 31. August
1909 trafen sich auf der Insel der österreichische Kaiser Franz Josef I., König Wilhelm II. von Württemberg und der bayerische Prinz Ludwig
III. Gastgeber waren Großherzog Friedrich II. und seine Mutter, die Großherzogswitwe Luise. Der württembergische König kam mit seiner neuen
Motoryacht „Kondwiramur“, Kaiser Franz Josef I. mit dem Salondampfer „Kaiserin Elisabeth“.
Als die „Kaiserin Elisabeth“ anlegte und die Regimentskapelle des Konstanzer Infanterie-Regimentes 114 zur Begrüßung des hohen Gastes die
mit der deutschen Nationalhymne identische österreichische Kaiserhymne intonierte, drängten sich die enthusiastisch gestimmten Passagiere
des im See wartenden Kursdampfers „Zähringen“ so vehement auf die Steuerbordseite, dass der
Dampfer eine erhebliche Schlagseite erhielt und bis zur Scheuerleiste am Radkasten eintauchte. Kapitän und Mannschaft bangten um ihr Schiff
und appellierten an die Besonnenheit der Fahrgäste. Aber alle Bemühungen und Aufforderungen der Besatzung gingen in dem euphorischen Jubel
unter. Damals gab es auch noch keine Lautsprecher-Anlagen auf den Schiffen. Kurz entschlossen trat der besorgte Kapitän an das Sprachrohr
und nahm unter Volldampf die Fahrt in Richtung Staad und Konstanz auf. Innerhalb von weniger Minuten richtete sich die „Zähringen“ wieder
auf und erreichte ohne Verspätung den Konstanzer Hafen. Gegen den Kapitän konnte wegen der nicht ausgeführten Landung auf der Mainau kein
Vorwurf erhoben werden, da er im Interesse der Sicherheit gehandelt hatte.
Auch der Großherzog benutzte bei seinen Sommeraufenthalten auf der Insel Mainau
als populärer und gerngesehener Gast die badischen Bodensee-Dampfschiffe zu einer Fahrt durch den Überlingersee. Ein besonderes, beinahe
kameradschaftliches Verhältnis bestand zwischen dem Landesoberhaupt und den Kapitänen Sulger und Bruder der Dampfschiffe „Kaiser Wilhelm“
und „Zähringen“. Einmal beauftragte der Kapitän einen Matrosen, für seine Königliche Hoheit einen gepolsterten Stuhl aus dem Salon auf die
Kommandobrücke zu bringen. Aber der Großherzog winkte ab und meinte: „Machen sie nur keine Umstände, Herr Kapitän. Nur an Land steuere ich
das Staatsschiff in einem gepolsterten Sessel!“ Ein anderes Mal zogen auf der Fahrt zwischen Überlingen und Dingelsdorf immer dichtere
Schleierwolken auf. Der Großherzog fragte den Kapitän, ob sich das Wetter ändern würde und erhielt prompt zur Antwort: „Gleich sind mer in
Dingelsdorf, Herr Großherzog, no könnet sie di Klohüsli selber rieche…!“
Als im Jahre 1932 der neue Inselherr und Enkel von Großherzog Friedrich I., Graf
Lennart Bernadotte in mühevoller Pionierarbeit den Mainaupark ausforstete und neugestaltete, war die Zahl der Inselbesucher noch
vergleichsweise bescheiden. Immerhin waren es im Jahre 1936 schon rund 40.000 Personen, die vor allem die Schlossanlage und den berühmten
Rosengarten besichtigten. Aber erst nach dem Zweiten Weltkrieg, entwickelte sich die Insel Mainau dank der Schaffenskraft und der
unerschöpflichen Kreativität von Graf Bernadotte innerhalb von wenigen Jahren zur Touristenattraktion Nummer eins am Bodensee. Bald reichte
der Landungsplatz 1 für den von Jahr zu Jahr zunehmenden Kurs- und Sonderverkehr nicht mehr aus. Immer häufiger kam es vor, dass mehrere
Schiffe in der „Warteschleife“ vor der Insel standen und auch im Kursverkehr gab es erhebliche Verspätungen. Dieses Problem wurde durch den
Bau einer neuen und großzügigen Steganlage im Jahre 1958 „entschärft“.
Obwohl die Insel Mainau im Liniennetz der
Bodenseeschifffahrt offiziell „nur“ den Status einer Zwischenstation einnimmt, wird der Schiffsverkehr inzwischen auf fünf Landungsplätzen
abgefertigt. An stark frequentieren Tagen sind es oft zwischen 20- und 30.000 Fahrgäste, die mit der „Weißen Flotte“ die Blumeninsel
besuchen.
(Karl F. Fritz