Zeitgeist-Spuren an
Schiffen
Zu aktuellen Diskussionen:
Schiffe verlängerten früher die Bahn über den See und fielen mit Kunst statt
Werbung auf
Ältere Rorschacher
erinnern sich lebhaft an das ursprüngliche Erscheinungsbild der
SBB-Motorschiffe <<Thurgau>>
und <<Zürich>>
.
Wieder entdeckte kunsthistorische Zusammenhänge und die Umgestaltung des
Hafenareals geben Anlass, Spuren zu folgen
.
Mitten in der
Weltwirtschaftskrise, in den Jahren 1932 und 1933, beschafften die
Schweizerischen Bundesbahnen ihre ersten Diesel-Motorschiffe für den
Personenverkehr auf dem Bodensee
.
Der Privatbahn-Tradition des 19
.
Jahrhunderts folgend, wurden diese neuen Schiffe nicht etwa nach den
Seeanliegern, sondern nach den einstigen Nordostbahn-Kantonen
<<Thurgau>> und <<Zürich>> benannt
.
Denn die SBB-Schifffahrt auf dem Bodensee geht, was heute fast vergessen ist,
auf den Trajekt- oder Güterverkehr der Nordostbahn-Linie Zürich–Winterthur–Romanshorn
zurück
.
Ursprünglich ist die Thurtallinie als Teil einer geplanten Zürichsee-Bodensee-Bahn
aktenkundig
.
Von
Künstler Albert Oesch
Bemerkenswert,
aber fast unbekannt sind die Hintergründe der ursprünglichen Bugwappen und
Schriftzüge der beiden Schiffe
.
Der junge und außerordentlich vielseitige St
.
Galler Künstler Albert Oesch (1907–1936) war der Gestalter dieser Elemente
.
Beeindruckend intensiv erscheint das viel zu kurze Leben und Wirken Oeschs im Rückblick
.
Als Künstler hat er sein Hauptwerk (Glasmalereien und Bildhauerarbeiten) wohl
in der Laurentiuskirche Flawil hinterlassen
.
Oesch gehörte aber auch zu den aktiven Förderern der kirchlichen Jugendarbeit
jener Zeit
.
Diese Arbeit war letztlich hochpolitisch und erwies sich als wirksame Kraft
gegen nationalsozialistische und kommunistische Sammlungsbewegungen der
1930er-Jahre
.
Zurück zu den SBB
und der Schifffahrt: In den Jahren 1958 bis 1960 wurden die beiden Schiffe
<<Thurgau>> und <<Zürich>> dem neuen Zeitgeist
entsprechend umgebaut
.
Nüchtern, zeitlos und windschnittig könnte das neue äußere Erscheinungsbild
umschrieben werden
.
Die ursprüngliche Bugzier ging durch die Umbauten verloren, die
Ursprungsgestalt dieser Schiffe ließ sich allerdings nie ganz verbergen
.
Wandel
in Rorschach
Der dramatische Rückzug
der Eisenbahnen aus einst bedeutenden Segmenten des Güterverkehrs hat auch in
Rorschach seine Spuren hinterlassen
.
Die einst populäre Rorschacher «Güterex» am Hafen, die den Stückgutverkehr
durch die Bahn vermittelte, wurde bedeutungslos
.
Eine als ineffizient wahrgenommene Transportart hatte abzudanken
.
Mit dem kürzlich
abgeschlossenen Abbruch dieses großen Güterschuppens am Rorschacher
Hafenbahnhof wurde also auch eine Epoche des Gütertransports sichtbar
verabschiedet
.
Ein großer freier Platz harrt nun einer sinnvollen Nutzung
.
Das Bild des
Rorschacher Hafenareals hat sich durchgreifend geändert
.
Ist der neue Freiraum nun die Lösung oder eine vom weitem sichtbare Lücke
oder Pendenz?
Quellen: Liechti,
Meister, Gwerder: «Die Geschichte der Schiffahrt auf Bodensee, Untersee und
Rhein», Verlag Meier, Schaffhausen, 1981; Herausgeberin Katholische
Kirchgemeinde Flawil: «Die Laurentiuskirche in Flawil 1935/1995»
.
(Anton
Heer/St. Galler Tagblatt v. 16.06.06)