Vor
80 Jahren im Obersee versenkt
Bei der
Indienststellung am 21. Juni 1887 durch die damalige Schweizerische
Nordostbahn-Gesellschaft, war die neue "Helvetia" eine ebenso elegante
wie stattliche Einheit. Gemeinsam mit der zwei Wochen zuvor in Dienst gestellten
österreichischen "Kaiserin
Elisabeth", zählte die "Helvetia" zu den ersten
Bodenseeschiffen, die von Anfang an mit einer elektrischen Beleuchtungsanlage
ausgerüstet waren, die von einem Laval-Dampfgenerator gespeist wurde. Das
Beispiel dieser beiden Schiffe machte sofort Schule und bis 1896 waren alle älteren
Dampfschiffe bis auf wenige Ausnahmen mit Dampfgeneratoren zur Stromerzeugung
nachgerüstet worden.
Der
markant geschwungene Clipperbug der „Helvetia“ erinnerte noch an die
Anfangszeit der Dampfschifffahrt auf dem Bodensee, denn damals war von den
anderen Unternehmen längst die schon seit Jahren übliche, senkrechte
Stevenform bevorzugt worden. Eine weitere Eigenheit war die Tatsache, dass die
„Helvetia“ erst im Jahre 1904, bei der Fusion der Nordostbahn durch die
Schweizerischen Bundesbahnen mit einem Großmast und der damals bei allen
Bodenseeschiffen üblichen Signalrahe ausgerüstet wurde.
Die
„Helvetia“ war das erste „echte“ Salonschiff der Romanshorner Flotte und
war ebenso wie die anderen „Zeitgenossen“ in der damals
Bodensee-spezifischen Halbsalonbauweise abgeliefert worden. Wie die Mehrzahl der
damals auf dem Bodensee verkehrenden Dampfschiffe, entstammte auch die
„Helvetia“ aus den Werkstätten der namhaften Zürcher Maschinenfabrik
Escher Wyss & Cie. Das Zeitalter der Salonschiffe hatte auf der Schweizer
Seite mit einem Umbau der „Zürich“
im Jahre 1884 begonnen. Der stattliche, zunächst für 550 und später für 700
Personen zugelassene Dampfer verkehrte das ganze Jahr über auf den damals von
den schweizerischen Schiffen befahrenen Verbindungen von Romanshorn nach
Friedrichshafen und Lindau sowie auf der Route Rorschach-Lindau. Der Hecksalon
mit seinen Nebenräumen war mit neobarocken Stilelementen ausgestaltet, die
Sitzmöbel mit grünem Samtplüsch überzogen. Die Zweizylinder-Verbundmaschine
mit einer Leistung von 500 Pferdestärken verlieh der “Helvetia“ eine
durchschnittliche Höchstgeschwindigkeit von 25,5 km/h. Für den Neubau mussten
von der Schweizerischen Nordostbahn-Gesellschaft 273.234 Franken aufgewendet
werden.
Mit
einer Leerverdrängung von 273,4 Tonnen erwies sich die „Helvetia“ bald als
ein sehr robustes und seetüchtiges Schiff, das ohne nennenswerte
Schwierigkeiten auch die heftigsten Stürme auf dem Obersee abreiten konnte. Über
das Sommerhalbjahr war die „Helvetia“ auch häufig als Sonderschiff
unterwegs. Zahlreiche Ausflugsfahrten führten an das benachbarte deutsche Ufer
nach Meersburg, die Insel Mainau, Überlingen und sogar bis nach Bodman.
Besonders beliebt waren in den Hochsommermonaten auch die Fahrten auf dem damals
noch für große Einheiten schiffbaren Alten Rhein bis nach Rheineck.
Einer
der ersten Höhepunkte innerhalb der 45-jährigen Laufbahn war die Rolle der
„Helvetia“ als Beleuchtungsschiff im Konstanzer Hafen. Anlässlich des
ersten Besuches des neugekrönten Kaiser Wilhelm II. am 29. September 1888 auf
der Insel Mainau und in Konstanz, wurde die „Helvetia“ von der
Stadtverwaltung der Konzilstadt für die späten Abendstunden als
„Leuchtgirlandenschiff“ angemietet. Diese Rolle war eigentlich der neuen „Zähringen“
zugedacht, die aber wegen eines im August erlittenen Maschinendefektes in der
Werft lag.
Als im Mai 1932 das neue Motorschiff „Thurgau“ dem Querverkehr zwischen Romanshorn und Friedrichshafen zugeteilt wurde, sollte die „Helvetia“ gegen Jahresende aus der Flottenliste gestrichen werden. Aber das Ende kam früher als erwartet. Am 21. August lief die „Helvetia“ zu einer der letzten Sonderfahrten nach Lindau aus. Auf der Rückfahrt brach vermutlich wegen Materialermüdung ein Radarm des backbordseitigen Schaufelrades. Die manöverierunfähige „Helvetia“ musste von der „St. Gallen“ nach Romanshorn eingeschleppt werden. Da das Schiff ohnehin zur Ausmusterung vorgesehen war, wurde auf eine Reparatur verzichtet. In den Monaten September und Oktober wurde der Dampfer samt der Maschinen- und Kesselanlage unter dem großen Hammerkran im Romanshorner Werfthafen vollständig ausgeschlachtet.
Am 27.
Oktober wurde der ausgeweidete Schiffsrumpf von der „Thurgau“ auf die
Seemitte geschleppt. Das Ehrengeleit gab der letzte, für die Romanshorner
Bodenseeflotte gebaute Dampfer „Rhein“
aus dem Jahre 1906. Nach Öffnen der Bodenventile versank die Schale der
„Helvetia“ unter dem Sirenengeheul der Begleitschiffe mit wehender Bugflagge
für immer im „Tiefen Schweb“ zwischen Romanshorn und Langenargen.