Untersee. Als die «Arenenberg»
am Sonntag, 3. Oktober, um 18.10 Uhr in Schaffhausen anlegte, war dies scheinbar
ein Anlegemanöver wie andere auch. Dabei war es ein besonderes Ereignis, denn
der 61-jährige Kapitän Fritz Isler stand zum letzten Mal am Ruder, ehe er Ende
April nächstes Jahr in die Frühpension geht.
An jedem Halt ein Präsent
Es war ein schöner
Abschied für Fritz Isler, denn das Wetter für den Kurs 505/518 von
Schaffhausen über Kreuzlingen zurück nach Schaffhausen war noch einmal sehr
schön, und viele Passagiere nutzten diese Gelegenheit für einen
Schiffsausflug. Was kann sich ein Kurskapitän mehr wünschen? Zudem war der
Schaukasten auf der «Arenenberg» zu Ehren Islers mit alten Bildern geschmückt,
und an fast jeder Anlegestelle erwartete ihn eine Überraschung.
Andere Seen
befahren
Bis zum Ende
seiner Dienstzeit wird Fritz Isler auf der Werft noch mithelfen, damit auf den
Schiffen wieder alles in Ordnung ist. «Mir wird wohl erst nächsten Frühling,
wenn die neue Saison beginnt, richtig bewusst, dass jetzt alles anders ist»,
sagt der in Eschenz aufgewachsene und in Schaffhausen lebende Isler. Trotzdem weiß
er heute schon, was er dann machen wird. Er will in der Schweiz herumreisen und
als Passagier andere Seen befahren - in Ruhe und ohne Stress. Dafür habe ihm
bisher die Zeit gefehlt.
Stressfaktor
Schlauchboote
Isler hat sein
Kapitänspatent 1976 erworben, nachdem er 1964 als Matrose bei der
Schifffahrtsgesellschaft Untersee und Rhein angeheuert hatte. Vorher arbeitete
er bei der Bernina in Steckborn und hatte eine Berufslehre als Kleinmechaniker
absolviert. Zur Schifffahrt war er über einen Freund gekommen, der als
Maschinist bei der Schifffahrtsgesellschaft tätig war. In dieser Zeit hat sich
auf dem Untersee und Rhein vieles verändert. Als markanteste Entwicklung
bezeichnet Isler die starke Zunahme der Schlauchboote. «Es grenzt an ein
Wunder, dass wir diese Saison keine Unfälle hatten», sagt er. Das gelte vor
allem für den Rhein. «Und die Fahrt von Stein am Rhein nach Schaffhausen ist
purer Stress.». Aus diesem Grund würden Kursschiffe oft langsamer als erlaubt
fahren und es komme nicht selten vor, dass sie gar anhalten müssten, obwohl sie
grundsätzlich Vortritt hätten. «Das geht vielen Kapitänen auf die Nerven»,
sagt Isler offen. Probleme gibt es auch mit Schwimmern, vor allem bei warmem
Wasser und niedrigem Pegelstand. «Sie halten sich dann oft in den Fahrrinnen
der Kursschiffe auf», blickt er zurück und schüttelt den Kopf. Es sei deshalb
nicht erstaunlich, dass es bereits Tote gegeben habe. Als Kapitän sei ihm das
zwar nicht selber passiert, «trotzdem beschäftigt einen so etwas natürlich.»
Nicht zuletzt wegen dieser Entwicklung hat sich Isler für die Frühpensionierung
entschieden: «Die Arbeit ist mit viel Stress verbunden.»
Über 1,5
Millionen Fahrgäste
In 40 Jahren hat
Isler auch interne Veränderungen miterlebt. Er erinnert sich vor allem an die
Reduktion der Schiffsbesatzungen von vier auf drei Mitglieder, als der Matrose
gestrichen wurde. Damit sei der Druck auf heutige Besatzungen mit dem Kapitän,
einem Mechaniker und einem Kassier/Matrosen enorm gestiegen. Es gibt aber auch
Bereiche, in denen sich nicht viel verändert hat oder die Veränderungen nur
schrittweise eingeführt wurden, beispielsweise bei der Sicherheit.
Sicherheitsanpassungen wie sie derzeit diskutiert würden, habe es in 40 Jahren
nicht gegeben.
Weniger Platz
Nun fragt sich
Isler: Wie sollen Schifffahrtsgesellschaften das finanzieren und wo soll dieses
Material auf den Schiffen untergebracht werden? Doch mit solchen Gedanken muss
er sich bald nicht mehr befassen, außer er hat künftig als Passagier weniger
Platz als seine über 1,5 Millionen Fahrgäste, welche Isler als Kapitän in 28
Jahren beförderte.
(St. Galler
Tagblatt v. 19.10.04)