MS Österreich: Eine Lady feiert 80. Geburtstag

Die alte Dame ist eine richtige Lady mit Charakter. Mit schmalem Bug kreuzt sie seit Jahrzehnten sicher und schnittig die Wellen des Bodensees und hält stabil allen Wettern stand. Das Motorschiff Österreich wird Ende Juli 80 Jahre alt. Sie ist damit das älteste motorgetriebene Fahrgastschiff auf dem Bodensee.

Die "Österreich" hat eine bewegte Geschichte hinter sich. "Wenn sie erzählen könnte, würde der Stoff Bücher füllen", ist sich Werner Reinstadler, Schifffahrtsleiter der Vorarlberg Lines, sicher. Das Schiff lief im Juli 1928 als Passagierschiff in Korneuburg, in einer Schiffswerft der ersten Donau-Dampfschifffahrtsgesellschaft an der Donau, vom Stapel - als richtig schmucker Ausflugsdampfer mit einer luxuriösen Inneneinrichtung. In den Kriegsjahren wurde sie von der deutschen Marine zum Kriegsschiff umfunktioniert und sollte gegen Ende des Krieges versenkt werden.

Doch die damaligen Kapitäne retteten die "Österreich" und brachten sie in einer Nacht- und Nebelaktion in Rorschach in der Schweiz in Sicherheit. Nach dem Krieg wurde sie wieder zum Fahrgastschiff zurückgebaut - allerdings ohne den früheren Luxus.

Auch die heutigen Kapitäne der Vorarlberg Lines schätzen die "Österreich" sehr. "Sie fordert uns, will mit ihrem V-12-Zylinder-Motor ganz anders bedient werden als die moderneren Schiffe mit Voith-Schneider-Motor." Alles an ihr sei gemütlicher und mit viel mehr Handarbeit verbunden. "Rein gefühlsmäßig ist das mit ihr noch viel mehr Schifffahren, weil uns die Technik nicht so viel abnimmt", schwärmt Kapitän Edgar Dietrich.

Beim Anlegen im Lindauer Hafen muss er richtig körperlich arbeiten. Für jeden der beiden Motoren hat er auf dem Außendeck einen extra Hebel und manövriert mit beiden im Vorwärts- und Rückwärtsgang, bis die alte Dame festgemacht werden kann. "Wir Kapitäne hoffen alle, dass sie renoviert wird, und uns noch lange erhalten bleibt, weil sie so ein schönes Schiff mit ganz viel Charakter ist", sagt Dietrich. "Solche Schiffe werden heute gar nicht mehr gebaut."

Im Steuerhaus ist der augenfälligste Unterschied zu sehen: Das original Steuerrad von 1928, ein schönes großes Holzrad, und auch die Messgeräte sehen richtig nostalgisch aus. Motoren und Antriebstechnik der MS Österreich wurden Ende 2006 generalüberholt und mit original Ersatzteilen instandgesetzt. Noch gibt es genügend Ersatzteile, um die Lady in Schuss zu halten, "weil wir in weiser Voraussicht alles aufgekauft haben, was noch auf dem Markt war", erzählt Reinstadler.

Als Eisbrecher eingesetzt

So lange es geht, werde die "Österreich" ihren Dienst versehen und die Überlegung, in dieses besondere Schiff zu investieren, stehe im Raum. Zum einen sei es die Geschichte, zum anderen ihre ruhigen Fahreigenschaften, was die "Österreich" so speziell mache: Bei so einem alten Kahn erwarte jeder, dass er klappert und vibriert.

Nicht so die "Österreich". Elegant, leise und ruhig pflügt sie durch die Wellen. "Sie ist das perfekte Schiff für den Bodensee und für seine Wind- und Wetterverhältnisse optimal geeignet", sagt Reinstadler. "Durch ihren V-Linienbug schneidet sie die Wellen des Sees und besitzt diese sensationelle Laufruhe", erklärt der Schifffahrtsleiter. "Wegen ihrer extremen Schnittigkeit und Stabilität wurde sie auch schon als Eisbrecher eingesetzt und machte den Weg für die anderen Schiffe frei." An ihrem Geburtstag, am 29. Juli, wird die "Österreich" ganz normal ihren Dienst verrichten und im Kursverkehr auf dem Bodensee unterwegs sein.

(Lindauer Zeitung v. 14.07.08)

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