Das MS Zürich als "Frisco-Desert-Liner"
MS St. Gallen wirbt als "Landbier Schiff"
MS Konstanz und MS München mit dem Schriftzug
"Interboot"
Das "Apfelschiff" MS Stuttgart
War im Jahr 2000 als Werbeträger für eine Kunstausstellung
unterwegs - MS Austria
Farbige Werbeflächen
auf dem einst makellosen Weiß von Schiffen der BodenseeSchifffahrtsgesellschaft.
Die Werbung begeistert nicht alle. Es sei eine Verschandelung der schönen
Schiffe.
«Schiffli fahred uf em See, wie wenn's all Tag Sunntig wär»
heißt es im Kinderlied. Blendend weiß stellt man sich die Schiffe auf der großen
blauen Fläche vor. So fuhren diese denn auch jahrzehntelang, an Sonntagen im
Sommer mit Ausflüglern voll gestopft. Doch die Passagierzahlen sanken von Jahr
zu Jahr, Familienausflüge mit dem eigenen Auto oder gar eigenem Boot wurden möglich.
Die bis 1995 noch als SBB-Flotte fahrenden Schiffe verfügten über einen breit
gefächerten Ausflugs- und Kursfahrplan.
Käse- und Mostschiff
Aber wie die Schifffahrt wieder beleben? Wie die Leute vom
Hinterland an den See locken? Eduard Schökle, anfangs der Neunzigerjahre Chef
Marketing des SBB-Geschäftsbereichs Bodensee: «Wir suchten etwas Auffallendes,
um auf die Kursfahrten aufmerksam zu machen. Gleichzeitig wollten wir mit
Sponsorenbeiträgen unsere finanzielle Lage verbessern. Das Käse- und
Mostschiff sponserten die Firma Thurella und die Tilsiterorganisation. Die ‹Säntis›,
später auch die ‹Zürich› wurden
dekoriert.» Auf den Fahrten wurde eine Portion Tilsiter und ein Halbliter Most
angeboten. Schökle und die Sponsoren wurden vom sofortigen Umsatzzuwachs überrascht.
Marke Dessertliner
Der Erfolg rief nach weiteren Ideen. Warum nicht mit Glaces
an heißen Sommertagen eine Schifffahrt anpreisen? Die Frisco-Findus war bereit,
als Sponsor eines Schiffes einzusteigen. Die Werbung musste vom Ufer her
sichtbar sein und bei Uferfahrten einen positiven Effekt erzielen. Benno Bischof
vom Atelier Bischof AG in Tübach konstruierte auf der «Zürich»
Werbeaufbauten, die dem Winddruck auf dem See standhalten konnten. Gemäss Marco
Maurino, Key Account Manager bei Frisco, wurde das auf «Dessertliner» getaufte
Schiff rasch beliebt, besonders bei Kindern auf Schulausflügen. «Heute ist das
Wort «Dessertliner» schon fast eine Marke. Und so erfolgreich, dass auch auf
dem Genfersee ein Schiff als Dessertliner fährt», sagt Maurino. Man glaubt
ihm, wenn man Pedalofahrer auf dem See nicht von einem Dampfschiff, sondern vom
Dessertliner reden hört.
Rot bemalt - das Landbierschiff
Seit auch das Schiff «St.
Gallen» rot bemalt zum «Landbierschiff» der Brauerei Schützengarten
umgetauft wurde, gibt es aber viele Stimmen am See, welche die beiden
Werbeschiffe als Verschandelung der weißen Flotte bezeichnen. Insbesondere das
starke Rot wird als offensiv empfunden. «Die Schweizer Schiffe müssen doch weiß
sein, wie auch die Schiffe der deutschen und österreichischen
Schifffahrts-Gesellschaften», sagt ein Rorschacher. «Von einer weißen Flotte
kann doch nicht mehr gesprochen werden.» Maurino versteht solche Aussagen: «Diese
Reaktionen gab es auch am Genfersee. Die Bodensee Schifffahrtsgesellschaft
suchte Geld und fand die Schiffe als Plattform für Werbung. Sie musste sich
fragen, ob sie sich eine weiße Flotte überhaupt noch leisten konnte.» Maurino
glaubt, dass man ein Kursschiff eher als Werbeträger tolerieren könne als zum
Beispiel den historischen Raddampfer
«Hohentwiel». Laut Ernst Zingg, Verkaufsdirektor der Schützengarten, hat
sich die anfängliche Aufregung über das rote Landbierschiff gelegt; «Werbung
soll und darf auffallen. Das Schiff ist ein Riesenerfolg, besonders die Fahrten
mit Landbier und Landbierwurst. Die Passagierzahlen wurden gesteigert. Alle
profitieren.» Über Geschmack lässt sich bekanntlich streiten. «Es gibt auch
Befürworter. An den Dessertliner hat man sich gewöhnt, hingegen das Rot des
Landbierschiffs ist noch gewöhnungsbedürftig», sagt Martin Böller, Geschäftsführer
der Schweizerischen Bodensee Schifffahrtsgesellschaft AG. «Wir sind auf die
namhaften Sponsorenbeiträge angewiesen. Nebst anderen Einnahmen helfen sie,
dass wir nach einigen Jahren Defiziten erstmals wieder schwarze Zahlen
schreiben.»
Auch weiße Schiffe
Den Nostalgikern am See bleibt der Trost, dass nicht alle
Schweizer Schiffe mit Werbung «verunstaltet» werden. Die schönen Schiffe «Säntis»
und «Thurgau» ziehen weiterhin ihre
Bahnen in makellosem Weiß zwischen den Ortschaften am See, ein Bild, wie man es
seit Jahrzehnten gewohnt ist.
Hochzeitsschiff
Werbung auch auf Schiffen des Schifffahrtsbetriebs Rorschach?
Geschäftsführer Kurt Reich bezeichnet diese Schiffe als zu klein, um als
Werbeträger zu wirken. Aufbauten und Anschriften wären schwierig anzubringen.
Reich glaubt auch, dass seine Gäste, welche die Rorschacher Schiffe oft für
Hochzeitsfahrten buchen, kaum ein mit Werbung versehenes Schiff akzeptieren würden.
Und Geschäftsleute, die Schiffe für Geschäftsausflüge einplanen, können auf
Werbung für andere Unternehmen gut und gern verzichten.
(St. Galler
Tagblatt v. 19.06.04)