So versank die alte Herrlichkeit

  Nirgendwo sinken die Tage und Nächte schneller hinab
In die Vergangenheit als auf See
Sie scheinen wie die Perlen des Kielwassers zurückzubleiben
Auf dem sich das Schiff auf zauberhafte Weise fortbewegt!
Joseph Conrad „Spiegel der See“

Erinnerungen von Schiffshistoriker Karl F. Fritz

Teil 2

Der Februar brachte oft auch einen ersten Hauch von Frühling. Tiefblau schimmerte der See und auf den Sandbänken im „Aletrain“ tummelten sich Hunderte von Bleßhühnern und Möven.  Aus der Ferne leuchteten in tiefem Weiß die Berge herüber. Größte Aufmerksamkeit galt jetzt natürlich der Flotte. Wenn dann auf der „Baden“ oder der „Zähringen“ die weißen Bänke aufgereiht wurden, dann war der Frühling nicht mehr weit. Der erste echte Frühlingsbote war im März die „Austria“. Auch wenn die Frequenzen mehr als bescheiden waren, so kehrte doch auf dem See das Leben wieder zurück.

Es war in den Pfingstferien 1958, als meine Eltern beschlossen, mit mir einen Schiffsausflug nach Überlingen zu unternehmen. Es regnete in Strömen, als wir am Landungsplatz 3 in Konstanz das neue überholte Motorschiff „Mainau“ bestiegen. Im Schiffsinneren roch es noch nach frischer Farbe und Reinigungsmitteln. Ich glaube mich auch noch daran zu erinnern, dass der Deckmatrose Otto Müller gegenüber meinem Vater beiläufig erwähnte, die „Mainau“ sei erst vor zwei Tagen aus der Werft gekommen. Die „Mainau“ und ihr Schwesterschiff „Höri“ waren damals die ältesten Motorschiffe der Konstanzer Flotte, aber für den Lokalverkehr auf dem Überlingersee noch unverzichtbar. In diesen Jahren gab es nach Überlingen noch eine Schnellverbindung, die viermal täglich und nur mit Zwischenhalten in Staad, der Insel Mainau und Unteruhldingen in Konstanz ablegte.

Wir ließen uns im geschlossenen Teil des Einsteigdecks, der sogenannten „Holzbahnklasse“ nieder. Zwischen den Glasabschlußwänden, deren Türen zum offenen Vorschiffdeck führten, befanden sich der Niedergang zur Kajüte II. Klasse und die Schiffskasse. Diese Vorschiffskajüte war sehr spartanisch eingerichtet und verhältnismäßig dunkel, deshalb wurde sie kaum noch von den Fahrgästen genutzt. Das einzige Tageslicht kam durch mehrere Bullaugen an beiden Seiten des Vorschiffs. Durch die Schiffsmitte zog sich der Maschinenschacht, wo man durch zwei Glasscheiben auf die Antriebsmotoren sah. Die erheblichen Vibrationserscheinungen der noch nicht gummielastisch gelagerten Motoren waren auf dem gesamten Schiff spürbar.

Es regnete unvermindert heftig weiter und bald lief das Wasser in kleinen Bächen unter den Eingangstüren in das Schiffsinnere. Die „Mainau“ umrundete das Eichhorn und nahm direkten Kurs in den Überlingersee. Vor dem Bug tauchte schemenhaft die Silhouette des damals modernsten Fährschiffes der Konstanzer Verkehrsbetriebe, der „Hegau“ auf. Obwohl es buchstäblich Bindfäden regnete, ging auf der Insel Mainau eine größere Anzahl an Fahrgästen an Bord. Nach Unteruhldingen begann es etwas aufzuhellen und mit einer langen Rauchfahne kam der Dampfer „Zähringen“, der das erste Frühkurspaar befuhr, von Dingelsdorf herüber. Die auffallend langgestreckte Silhouette, der selbstbewusst aufragende Kamin mit der charakteristischen „Rußtreppe“ und den an einen Zylinderhut erinnernden Rauchabschluss sehe ich noch heute vor mir. Von Unteruhldingen ging es direkt nach Überlingen, wo die „Mainau“ planmäßig  um 10.05 Uhr eintraf. Auf dem Programm stand eine Besichtigung des St. Nikolausmünsters und des historischen Rathauses auf der Hofstatt. Das Mittagessen nahmen wir in dem direkt am Landungsplatz gelegenen Gasthaus „Fauler Pelz“ ein und durch das Fenster entdeckte ich die zum Stoppmanöver rückwärts arbeitenden Schaufelräder der „Stadt Meersburg“. Da meine Eltern die Schwächen ihres Sprößlings für die Bodenseeschiffe kannten, gestanden sie mir zu, die Ankunft des Dampfers zu beobachten, zumal der Regen inzwischen etwas aufgehört hatte. Die „Stadt Meersburg“ war nur mäßig besetzt und mehrere Fahrgäste, die entweder witterungsbedingt oder nur deshalb an Bord blieben, um eine Überlingersee-Rundfahrt ohne Zwischenaufenthalt zu unternehmen, standen dicht gedrängt um den warmen Kaminmantel, der durch den geschützten Teil des Oberdecks führte.

Als wir gegen 14.00 Uhr mit der „Zähringen“ die Heimfahrt antraten, begannen sich die Schleusen des Himmels abermals zu öffnen. Doch im Schiffsinneren empfing uns jene wohltuende Wärme, wie sie nur den Dampfschiffen zueigen war. Am offenen Maschinenoberlicht roch es nach Kohle und Schmieröl. Matrose Walter Nolte, damals erst ein Jahr bei der Schiffahrt tätig, bot mir zum Sitzen einen stoffbespannten Klappstuhl an. Auf das Klingelzeichen von der Brücke folgte das Kommando „Langsam vorwärts“.

(Karl F. Fritz)  

Teil 3

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