Als die
Schiffe noch im Winter fuhren
Der
Winterverkehr war immer eine defizitäre Angelegenheit, bedeutete aber damals für
die Seeanwohner ein Stück Lebensqualität. In der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg
war es nicht außergewöhnlich, dass die Dampfschiffe in fremden Häfen übernachteten.
"Oftmals waren in besonders strengen Wintermonaten die Decken in den
Mannschaftsräumen beim Aufwachen an die Bordwand gefroren!", geht aus dem
zeitgenössischen Bericht eines Steuermanns hervor. "Nur in Ausnahmefällen
gestattete der Kapitän den Aufenthalt in einem der beheizten Salons oder in der
Kajüte!" Bei länger anhaltenden Minusgraden begannen die Häfen
zuzufrieren. Dann musste rund um die Uhr ein Dampfschiff als Eisbrecher
eingesetzt eingesetzt werden. Beschädigungen an den Schaufelrädern waren
keine Seltenheit. Zu den bekanntesten Episoden des Winterverkehrs zählt wohl
die Odysee des bayerischen Dampfers "Bavaria"
bei der Seegfrörne im Jahre 1880. Unter dem Kommando des legendären Kapitäns
Georg Riesch, wurde am 1. Februar der letzte, verzweifelte Versuch einer
Kursfahrt von Lindau nach Konstanz unternommen. Schon auf der Höhe von
Wasserburg musste sich die "Bavaria" durch ein ausgedehntes
Treibeisfeld kämpfen und erreichte nach drei bangen Stunden die Station
Langenargen. Kapitän Riesch wollte nach Einbruch der Dunkelheit sein Schiff
nicht weiter riskieren und beschloss deshalb, über Nacht in Langenargen liegen
zu bleiben. Am anderen Morgen setzte die "Bavaria" ihre Fahrt fort,
blieb aber in Höhe Hagnau in einem weiteren Packeisfeld stecken. Mit einer
Maschinenleistung von 400 PS zählte die "Bavaria" damals zu den stärksten
Personendampfern auf dem See und tatsächlich gelang es, das Schiff nach
riskanten, stundenlangen Manövern freizubekommen. Kurz vor Einbruch der
Dunkelheit erreichte die "Bavaria" schließlich den sicheren
Konstanzer Hafen. Eine Rückkehr nach Lindau, war aussichtslos, denn über Nacht
hatte sich über dem gesamten Konstanzer Trichter eine feste Eisdecke gebildet.
Bis auf den Kapitän, dem Maschinisten und einem Matrosen, kehrte die Besatzung
auf dem Landweg nach Lindau zurück. Bis zum 22. Februar blieb der
Schiffsverkehr auf dem Bodensee eingestellt. Nur der großen Dampffähre,
im Volksmund der "Kohlenfresser" genannt, gelang es dank der enormen
Wasserverdrängung, sich immer wieder einen Weg durch das Eis zu bahnen.
Im
Laufe des 20. Jahrhunderts lockerten sich die Hierarchien zwischen Kapitänen
und den Mannschaften. Die meisten Kurse wurden so eingerichtet, dass die
Schiffe am Abend wieder in ihre Heimathäfen zurückkehren konnten. Einen
letzten Schiffskurs mit Übernachtung in Überlingen gab es noch bis 1970,
allerdings nur über die warme Jahreszeit. Bei der österreichischen
Bodenseeschifffahrt wurde noch bis etwa 1955 das Mittagessen streng nach
Dienstgraden getrennt eingenommen. Kapitän, Steuermann, Kassier und Maschinist
dinierten im Speisesaal, während die Matrosen ihre Mahlzeiten im
Mannschaftsraum einnehmen mussten. Ab 1927 wurden zunächst auf dem Überlinger-
und Untersee die personalintensiven Dampfschiffe immer mehr zurückgezogen. An
ihre Stelle traten mittelgroße und kleinere Motorschiffe, die entscheidend dazu
beitrugen, das unvermeidliche Defizit während der kalten Jahreszeit abzuschwächen.
Als dann im Zweiten Weltkrieg der Dieseltreibstoff knapp wurde, dominierten auch
über das Winterhalbjahr noch einmal die kohlenbefeuerten Dampfschiffe. Sogar
die beiden großen, in Friedenszeiten nur von Mai bis September eingesetzten großen
Salondampfer "Stadt Überlingen"
und "Stadt Bregenz"
waren nun das ganze Jahr über unterwegs.
Ab 1952
wurde der Winterverkehr auf je drei Kurspaare zwischen Konstanz und Überlingen
reduziert. Auf dem Obersee wurde von nun an nur noch die Teilstrecke zwischen
Friedrichshafen und Konstanz über alle Zwischenstationen befahren. Hauptsächlich
verkehrten dann auf dieser Route die drei speziell für den Winterverkehr
entwickelten Schiffe "Kempten",
"Augsburg" und "Ravensburg".
Im Februar 1958 leistete auch noch das damals in Friedrichshafen stationierte Dampfschiff
"Hohentwiel" Winterdienst. Dieser schon damals außergewöhnliche
Einsatz eines Dampfschiffes in dieser Jahreszeit war mit einem vierwöchiges
Schulungsprogramm neuer Steuerleute verbunden.
Ab 1960
wurde dann der Verkehr auf diesen Teilstrecken endgültig eingestellt.. Ganzjährige
Schiffsverbindungen gab es von nun an nur noch zwischen Konstanz und
Meersburg und von Überlingen nach Dingelsdorf. Als im Februar 1963 der gesamte
Bodensee zuzufrieren begann, mussten neben den Kursschiffen auch die Fährschiffe
eine sechswöchige Zwangspause einlegen. Der ganzjährige Personenverkehr
zwischen Konstanz und Meersburg wurde 1974 endgültig eingestellt. Seit 1976
kreuzen an den Adventsonntagen wieder mehrere große Motorschiffe aus allen
Oberseehäfen über den See. Die gemütlichen Nachmittagsfahrten bilden seither
einen festen Bestandteil des jährlichen Ausflugsprogrammes der drei großen
Schifffahrtsunternehmungen. Zum Höhepunkt dieser Fahrten bei Kerzenschein und
vorweihnachtlicher Musik gestaltet sich der Besuch von St. Nikolaus mit Knecht
Rupprecht mit anschließender Bescherung der kleinen Fahrgäste. Das Finale
jeder Saison bilden die festlichen Tanzfahrten zum Jahreswechsel, während in
den Werften schon mit Hochdruck gearbeitet wird, um die Schiffe wieder für
einen neuen Feriensommer flott zu machen.