vor 100 Jahren...

„Bavaria“ war für ein knappes Jahr 
das schnellste Dampfschiff in
Mitteleuropa

Im Jahre 1911 bewilligte der bayerische Landtag eine Summe von 600.000 Reichsmark für zwei Neubauschiffe, um die überalterten, 1869 in Dienst gestellten Dampfer „Bavaria“ (I) und „Ludwig“ (II) zu ersetzen. Den Zuschlag für das erste Schiff erhielt wieder die berühmte Lokomotiv- und Maschinenfabrik J.A. Maffei in München, seit 1889 „Hoflieferant“ der bayerischen Bodenseeschifffahrt. Schon im Juli 1911 wurde in der Maffeischen Werft in Regensburg mit der Vormontage begonnen. Die Zweizylinder-Heißdampfmaschine samt Kesselanlage stammten aus dem Werk Hirschau in München. Die einzelnen Segmente trafen gegen Jahresende mit der Eisenbahn in Lindau ein. Für den Transport wurden insgesamt 22 Güterwaggons benötigt, die im Seehafen auf Trajektkähne rangiert und in den damaligen Werfthafen geschleppt wurden. Der neue Dampfer lief am 21. Juni 1912 in Lindau vom Stapel. Noch ahnte die Lindauer Bevölkerung nicht, dass die neue „Bavaria“, deren Namen schon von vorne herein feststand, das letzte Dampfschiff für die stolze bayerische Bodenseeflotte sein sollte.

Denn der zweite Neubau, der den Dampfer „Ludwig“ ablösen sollte, musste unmittelbar nach dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges im August 1914 storniert werden. Als neuer Repräsentant der Inselstadt auf dem Bodensee, bot die „Bavaria“ einen stattlichen Eindruck. Das Schiff war über 58 Meter lang und konnte bis zu 800 Personen an Bord nehmen. Das Prunkstück war der vom Nürnberger Innenarchitekten Werner Höllfritsch im funktionalen Jugendstil ausgestaltete Hecksalon, der später noch durch mehrere Bilder des bekannten Malers Zeno Diemer eine noch vornehmere Note erhielt. Die beiden Schaufelräder wurden von einer Zweizylinder-Heißdampfmaschine mit einer Höchstleistung von rund 1000 Pferdestärken angetrieben. Für die normale Kursgeschwindigkeit von 22 Stundenkilometern mussten 590 PS aufgewendet werden.



Jungfernfahrt mit Ziel Insel Mainau am 01.08.1912


Am 1. August 1912 absolvierte der neue Dampfer seine Jungfernfahrt, die auf die Insel Mainau führte. An Bord befanden sich zahlreiche Honoratioren der Landesregierung, der Eisenbahndirektion Augsburg und der Königlich Bayerischen Dampfschifffahrts-Inspektion in Lindau. Zu den geladenen Gästen zählte selbstverständlich auch als „Bauherr“ der Reichsrat Hugo von Maffei. Außerdem durften noch 200 Lindauer Schulkinder kostenlos mitfahren. Bei strahlendem Sonnenschein und gutgelaunten Gästen an Bord, verließ die „Bavaria“ den Seehafen und nahm Kurs auf die Insel Mainau. In der Höhe von Meersburg entboten die badischen Dampfschiffe „Stadt Meersburg“ und „Kaiser Wilhelm“ dem jüngsten Spross der bayerischen Flotte mit aufheulenden Mehrklangpfeifen und Flaggensignalen einen freundlichen Willkommensgruß. Auf der Insel Mainau sangen die Lindauer Kinder der Großherzogswitwe Luise ein Ständchen, das mit Kuchen und heißer Schokolade belohnt wurde.



Der von Werner Höllfritsch entworfene Salon der "Bavaria"

Auf die Ehrengäste wartete im Torkelkeller, dem heutigen Comturey-Restaurant eine festlich gedeckte Tafel. Einige der aus Altbayern stammenden Gäste konnten oder wollten sich jedoch nicht mit dem ausgeschenkten Konstanzer Bier anfreunden und sehnten sich nach dem gewohnten bajuwarischen Gerstensaft auf der „Bavaria“ zurück. Auf der Rückfahrt am späten Nachmittag legten sich die Heizer vor den beiden Kesseln mächtig ins Zeug. Tatsächlich erreichte die „Bavaria“ auf dieser Fahrt eine konstante Geschwindigkeit von 30,3 Stundenkilometern, die bis nach Lindau gehalten werden konnte. Damit war die „Bavaria“ das erste Bodenseeschiff, das eine Geschwindigkeit von mehr als 30 km/h erreichte. Als der Dampfer bei Einbruch der Dunkelheit zurückkehrte, erstrahlte der Lindauer Seehafen zum ersten Mal im Schein der heute an lauen Sommerabenden so selbstverständlich gewordenen Hafenbeleuchtung. Bis zum Juli 1913 blieb die „Bavaria“ das schnellste Schiff auf Mitteleuropas Binnenseen. Dann erreichte der heute noch verkehrende Vierwaldstättersee-Dampfer „Gallia“ auf seinen Probefahrten sage und schreibe 31,2 Stundenkilometer. Aber mindestens bis zum Jahre 1929 blieb der Nimbus der „Bavaria“ als schnellstes Bodenseeschiff ungebrochen. Auch die am 1. Mai 1913 in Dienst gestellte württembergische „Hohentwiel“, erreichte auf der Abnahmefahrt zwischen Bregenz und Konstanz „nur“ 29,13 km/h.

Die bis 1000 PS leistende Maschinenanlage der "Bavaria"

04. Februar 1929 "Bavaria" und "Nürnberg" eingefroren im Lindauer Hafen

Nach einem Großumbau im Jahre 1932, bei dem sich das Schiffsgewicht um rund 28 Tonnen erhöhte, verringerte sich die Geschwindigkeit der „Bavaria“ auf 27,5 Stundenkilometer. Wie die meisten Bodenseedampfer, wurde auch die „Bavaria“ nach Saisonende 1958 im Rahmen der Flottenerneuerung stillgelegt und zum 1. April 1959 aus der Flottenliste gestrichen. Im Jahre 1961 besiegelten die Schneidbrenner eines Konstanzer Schrottunternehmens das Schicksal über die Laufbahn eines der schnellsten, schönsten und elegantesten Dampfschiffe auf dem Bodensee.

(Text und Bilder: Karl F. Fritz)

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