Allen Kapriolen der Natur und dem Wandel der
Zeit
erfolgreich die Stirn geboten
Die Schifffahrts-Gesellschaft Untersee & Rhein feiert im April 2015 ihr
150-jähriges Jubiläum
Wer die 150-jährige Geschichte der Schifffahrts-Gesellschaft Untersee & Rhein
Revue passieren lässt, muss immer wieder den Überlebenswillen dieses traditionsreichen Unternehmens bewundern. Denn die im Jahre 1864
gegründete Gesellschaft sieht sich nicht nur in fast regelmäßigen Abständen den enormen Wasserstands-Schwankungen auf der See- und
Stromstrecke ausgesetzt, sondern war auch mehrfach von den politischen Wechselbädern des vielbewegten 20. Jahrhunderts betroffen. Die
Schifffahrts-Gesellschaft mit Sitz in Schaffhausen ist das größte und älteste private Unternehmen im Bereich des Bodensees. Besonders der
Streckenabschnitt zwischen Stein am Rhein und Schaffhausen gilt als die am schwierigsten zu befahrende Schifffahrtsroute der gesamten
Schweiz. In den vergangenen Jahren war bei Saisonbeginn wegen des niedrigen Wasserstandes kein durchgehender Verkehr möglich. Zwischen Stein
am Rhein und Diessenhofen mussten die Fahrgäste mit Bussen befördert werden. Erreicht der Konstanzer Pegel einen Wert von mehr als 4,50 m,
kann die niedrige Holzbrücke zwischen Diessenhofen und Gailingen nicht mehr unterfahren werden. Die Unterbrechung der Fahrt in zwei Etappen
erfordert einen vermehrten Schiffseinsatz und einen damit verbundenen, größeren Personalaufwand.
Eine erste schweizerische Dampfboot-Gesellschaft wurde im Jahre 1850 gegründet.
„Stadt Schaffhausen“ hieß der erste Dampfer, der nicht nur auf dem Untersee, sondern
auch in den deutschen Oberseehäfen zum ersten Mal die Schweizerflagge zeigte. Mit einer für damalige Verhältnisse überdurchschnittlich
leistungsstarken Maschine von rund 200 Pferdestärken, erreichte das Schiff in stehenden Gewässern eine Geschwindigkeit von 19,5 km/h. Mit
diesem von der englischen Maschinenfabrik Robinson & Russel erbauten Dampfer war es zum ersten Mal möglich, die Strecke von Schaffhausen
über Konstanz nach Rorschach und Lindau in einem Tag zu bewältigen. Der Personen- und Güterverkehr florierte so gut, dass die Flotte
zwischen 1853 und 1855 um drei weitere Dampfschiffe vergrößert werden konnte. Aber schon ab 1855 entwickelte sich die Schweizerische
Nordostbahn-Gesellschaft mit dem Ausgangshafen Romanshorn zu einem ernsthaften Konkurrenten der Schaffhauser Dampferflotte. Die von
Winterthur nach Schaffhausen führende Trasse der sogenannten Rheinfallbahn wurde noch vor der Betriebseröffnung von der Nordostbahn
vereinnahmt. Nach einem im Dezember 1856 abgeschlossenen Fusionsvertrag, gingen die vier Schiffe der Schaffhauser
Dampfschifffahrts-Gesellschaft am 1. Januar 1857 in den Besitz Nordostbahn über. Mit einem Bestand von sechs Raddampfern verfügte nun die
Schweiz rund 10 Jahre lang über den größten und leistungsfähigsten Schiffspark auf dem Bodensee. Aber im Laufe der Jahre wurden zugunsten
der Querverbindungen auf dem Obersee immer mehr Schiffe von Schaffhausen abgezogen. Ab etwa 1860 an verkehrte nur noch ein Schiff auf der
Untersee- und Hochrheinstrecke. Bis 1863 hatte sich auch noch die bayerische Flotte am Verkehr nach Schaffhausen beteiligt, aber auch die
Lindauer Schiffe wurden nach Eröffnung der Eisenbahnlinie Waldshut-Konstanz ebenfalls zurückgezogen.
Damit waren die Gemeinden am Untersee und Hochrhein in ein verkehrspolitisches
Abseits geraten. Wie schon in den Jahrhunderten zuvor, musste sich die Uferbevölkerung wieder mit den althergebrachten Rudernachen oder
Weidlingen behelfen. Besonders die größeren Städte und Gemeinden konnten und wollten sich mit diesem untragbaren Zustand abfinden. Unter
dem Vorsitz des Frauenfelder Regierungsrates Philipp Gottlieb Labhardt wurde am 19. Mai 1864 in Diessenhofen eine neue
Dampfboot-Gesellschaft aus der Taufe gehoben. Schon im Frühjahr 1865 konnte mit den Dampfschiffen
„Arenaberg“ und „Rheinfall“ wieder ein regelmäßiger Liniendienst zwischen Schaffhausen und
Konstanz aufgenommen werden. Beide Schiffe stammten aus der Zürcher Maschinenfabrik Escher Wyss & Cie und konnten 250 Personen oder 20
Tonnen Frachtgut befördern. Die mit einer Zweifach-Expansionsmaschine von 140 PS ausgerüsteten Schiffe erreichten im ruhenden Wasser eine
Geschwindigkeit von 21 Stundenkilometern. Schon im ersten Jahr wurde ein Betriebsüberschuss erwirtschaftet, sodass schon 1867 mit der
„Schweiz“ ein weiteres Schiff in Dienst gestellt werden konnte. Die „Schweiz“ war gleichzeitig
das erste, von der 1834 gegründeten Winterthurer Maschinenfabrik Gebrüder Sulzer gebaute Dampfschiff. Am 20. Dezember 1869 erlitt das
aufstrebende Unternehmen einen herben Rückschlag, als nach dem Ablegen von der Station Berlingen der Kessel des Dampfers „Rheinfall“
explodierte. Das Schiff sank innerhalb weniger Minuten, wobei fünf Todesopfer zu beklagen waren. Als Unfallursache wurde ein Versagen der
Kesselspeisepumpe vermutet. Die „Rheinfall“ konnte 1871 aus sieben Metern Tiefe wieder gehoben und instandgesetzt werden. Unter dem neuen
Namen „Neptun“ erreichte das Schiff ein hohes Betriebsalter von 74 Jahren. Der ebenfalls geborgene und vorbildlich restaurierte Dampfkessel
kann heute an der Station Berlingen begutachtet werden.
Am 1. Juni 1870 wurde mit dem Dampfer
„Hohenklingen“ ein weiterer Neubau in Dienst gestellt. Nach dem Unglück der „Rheinfall“
witterten die badischen Staatsbahnen Morgenluft und beteiligten sich nun mit dem kleinen Dampfer „Mainau“
ebenfalls am Unterseeverkehr. Dadurch wurde die „Hohenklingen“ überzählig und im Jahre 1872 gegen eine Summe von 70.000 Franken an die
württembergischen Staatseisenbahnen verkauft. In Friedrichshafen erhielt das Schiff zunächst den Namen „Christoph“, der aber 1878 einem
neuen Salondampfer übertragen wurde. So wurde aus der ehemaligen „Hohenklingen“ die
„Mömpelgard“, benannt nach dem heutigen Montbeliárd in der burgundischen Pforte, das damals zu den Besitztümern der württembergischen Krone
zählte. Nach 30-jährigem „Exil“ kehrte der Dampfer im Jahre 1902 nach Schaffhausen zurück und verkehrte wieder unter seinem angestammten
Namen „Hohenklingen“.
Nur ein kurzes Gastspiel gab der Doppelschraubendampfer
„Rhein“, der 1891 speziell für die Marktfahrten zwischen den Hörigemeinden und Radolfzell gebaut
wurde. Er wurde schon acht Jahre später auf den Murtensee verkauft, wo er noch bis 1921 unter dem Namen „Morat“ verkehrte.
Trotz strömenden Regens wurde der 6. Mai 1913 zu einem besonderen Festtag für
die Gesellschaft. Es war die Indienststellung des letzten und größten Flussdampfers
„Schaffhausen“ mit einem Fassungsvermögen von 400 Personen. Konstrukteur des von den Gebrüdern Sulzer gelieferten Schiffes war der
legendäre, von den Faröer-Inseln stammende Pfarrersohn Gunnar Hammershaimb, der sich vor allem beim Bau zahlreicher Schiffe für den
Genfersee einen guten Namen geschaffen hatte. Keiner der geladenen Ehrengäste ahnte damals den Ersten Weltkrieg voraus, der das rund 50
Jahre alte Unternehmen in eine erste, ernsthafte Krise stürzen sollte. Die „Schaffhausen“ verdrängte die inzwischen altersschwach gewordene
„Arenaberg“ in die Reserve. Das Schiff wurde 1918 stillgelegt und 1924 verschrottet.
Erst als 1924 der heimatverbundene Lehrer Emil Oettli aus Gottlieben das Amt
des Dampfboot-Verwalters übernahm, schienen die mageren Kriegs- und Nachkriegsjahre überwunden. Bald darauf war bei sämtlichen Dampfschiffen
Oettlis „Handschrift“ zu erkennen. Seiner Idee entstammten die silbergrauen Kamine und die in einer dezenten grünen Farbe gestrichenen
Schiffsrümpfe. Aber Oettli erkannte auch die Zeichen einer neuen Zeit. Für schwächer frequentierte Rand- und Nebenkurse mietete er ab 1925
von den Konstanzer Motorboot-Betrieben die „Gustav Prym“ und die größere
„Konstanz“ an, die noch heute und in gut erhaltenem Zustand für Sonderfahrten verwendet wird.
Aus der „Gustav Prym“, benannt nach dem Erfinder des Druckknopfes, wurde ein schmuckes Dampfboot. Die „Konstanz“ ging 1936 ganz in den
Besitz der Gesellschaft über. Seither ist die Stadt Konstanz als Aktionär an dem Unternehmen beteiligt.
Die Motorschiffe „Arenenberg“
und „Munot“ läuteten im Jahre 1936 ein neues Zeitalter ein. Beide Schiffsrümpfe entstanden bei
Gebrüder Sulzer, wurden in Konstanz und in Romanshorn eingewassert und zum Endausbau auf die Bodanwerft nach Kressbronn geschleppt. Mit den
beiden Motorschiffen änderte sich auch der Firmennamen, der von Dampfboot-Gesellschaft in Schifffahrts-Gesellschaft abgeändert wurde. Der
nach Inbetriebnahme der beiden Motorschiffe kaum noch eingesetzte Dampfer „Schweiz“ feierte noch sein 70-jähriges Betriebsjubiläum im Rahmen
einer Sonderfahrt nach Radolfzell. Danach wurde es still um den altgedienten Veteranen, der ebenso wie das „Neptünli“, der ehemaligen
„Rheinfall“ nach Kriegsbeginn 1939 ausgemustert und abgewrackt wurde.
Nach Ausbruch des Zweiten Weltkrieges durften die deutschen Untersee-Stationen
nicht mehr von Schweizerschiffen angelaufen werden. Ab Juni 1940 wurde trotz der vermeintlichen Entspannung der Kriegslage auch der
Konstanzer Seerhein gesperrt. Ausgangs- und Endstation war nun Gottlieben. Die Motorschiffe verkehrten noch bis Mitte 1941 nach einem
eingeschränkten Fahrplan, aber dann wurden nur noch mit den Dampfschiffen „Schaffhausen“ und „Hohenklingen“ gefahren. Wegen der in der
Schweiz vorherrschenden Kohlenknappheit wurde auf beiden Schiffen Buchen- und Tannenholz verfeuert. An den Stationen Schaffhausen, Stein am
Rhein und Gottlieben waren ständig zwei Mann des Personals mit Sägen und Spalten des Feuerholzes beschäftigt. Wenn auch keine
ausländischen Fahrgäste mehr befördert werden konnten, so blieben bis etwa 1944 die Frequenzen stabil. Vor allem waren es Schulklassen und
Werktätige, die sich trotz der sich verschärfenden Kriegslage den Genuss einer romantischen Stromfahrt nicht nehmen lassen wollten. Der von
Kapitän Alfred Blattner kommandierten „Hohenklingen“ fiel die Ehre zu, im Mai 1946 als erstes schweizerisches Dampfschiff wieder den Hafen
von Konstanz anzulaufen. Ab 1949 hatte sich auch der Verkehr auf dem Untersee und Hochrhein wieder weitgehend normalisiert.
Die schmucken Motorschiffe
„Kreuzlingen“ und „Stein am Rhein“ ersetzten 1956/57 den überalterten Dampfer
„Hohenklingen“, von dem vielfach behauptet wurde, nur noch von der Farbe und der Tradition zusammengehalten zu werden. Seine denkwürdige
Abschiedsfahrt führte am 15. Oktober 1957 nach dem einstigen Heimathafen Friedrichshafen, wo der 87 Jahre alte Dampfer von einem Ulmer
Schrottunternehmen abgewrackt wurde. Das letzte Dampfschiff, die „Schaffhausen“ war 1954 von der rußigen Kohlen- auf eine rationellere
Schwerölfeuerung System OMA umgestellt worden.
Schon zu Beginn der 1960er Jahren wurde es absehbar, dass auch die komfortablen
Schwesterschiffe „Kreuzlingen“ und „Stein am Rhein“ mit einem Fassungsvermögen von 350 Personen dem wachsenden Verkehrsaufkommen nicht mehr
gewachsen waren. An stark frequentierten Sommertagen waren diese Schiffe oft restlos überfüllt. Im Jahre 1963 beschloss der Verwaltungsrat
den Bau eines geeigneten Großraum-Motorschiffe mit einem Fassungsvermögen von 600 Personen, wie sie seit den 1950er Jahren auf dem
Luganersee verkehrten. Das neue Schiff lief im Februar 1965 in Kressbronn vom Stapel und erhielt den Namen
„Thurgau“. Um das Angebot an Ausflugs- und Charterfahrten zu verbessern, wurde aus Duisburg das
Ausflugsschiff „Lore“ erworben, das unter dem Namen „Ursula“ ausschließlich auf Hochzeits- und
anderen Gesellschaftsfahrten unterwegs war. Im Jahre 1983 verabschiedete sich die „Ursula“ auf den Hallwilersee. Der Saisonstart der neuen
„Thurgau“ war alles andere als vielversprechend. Schon im Mai 1965 zeichnete sich ein Rekord-Hochwasser ab, das sämtliche Brücken
unpassierbar machte. Im Juni 1965 konnte der Dampfer „Schaffhausen“ noch einmal die Vorteile seiner gegenüber mit den modernen
Salonschiffen geringeren Freibordhöhe demonstrieren, doch sein Ende war schon damals nur noch eine Frage der Zeit. Die Würfel über das
endgültige Schicksal fielen während der im Konstanzer Konzil abgehaltenen Aktionärsversammlung. Am 24. Mai 1967 machte die „Schaffhausen“
zum letzten Mal Dampf auf und fuhr noch mit eigener Kraft zum Abwracken nach Romanshorn. Am 24. Mai 2012 wurde eine Vereinigung gegründet
mit dem Ziel, ab 2020 wieder ein Dampfschiff nach dem Vorbild der „Schaffhausen“ auf der See- und Stromstrecke in Fahrt zu setzen.
Im Mai 1970 wurde eine neue
„Schaffhausen“ in Dienst gestellt. Die neue Einheit wurde als erstes Schiff durch Schottel-Ruderpropeller angetrieben, die neben einer
optimalen Manöverierfähigkeit auch einen geringeren Wenderadius in den engen Flussschleifen ermöglichen. Mit einem Fassungsvermögen von 700
Personen gilt das Flaggschiff der Untersee- und Rheinflotte außerdem als größtes schweizerisches Fahrgastschiff im Bereich des Bodensees.
Eine neue „Arenenberg“ ersetzte 1983 das nicht mehr den gestiegenen Komfortansprüchen
entsprechende Schiff von 1936.
Im Jahre 1997 verabschiedete sich auch das Schwesterschiff „Munot“. Das damals
61 Jahre alte Schiff wurde nach Holland verkauft und durch einen komfortableren Neubau abgelöst.
War die Schaffhauser Gesellschaft in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts fünfmal durch extreme Hochwasserperioden behindert, so musste
im August 2003 der durchgehende Verkehr wegen eines extrem niedrigen Wasserstandes aufgegeben werden. Als der Konstanzer Pegel auf einen
Tiefstand von 2,63 m sank, konnte nur noch die Strecke von Ermatingen bis nach Steckborn befahren werden. Durch die entstandenen
Umsatz-Einbußen des Hochwasserjahres von 1999, sah sich die Gesellschaft genötigt, das Motorschiff „Kreuzlingen“ im Jahre 2001 an einen
privaten Unternehmer zu verkaufen.
Ebenso wie die früheren Glattdeckdampfer mit
ihren umlegbaren Schornsteinen, sind heute die schmucken und gepflegten Motorschiffe der Schifffahrts-Gesellschaft Untersee & Rhein
untrennbar mit der romantischen See- und Flusslandschaft verbunden. Bei mehreren Schiffen wurden in den vergangenen Jahren Fahrgasträume und
Mobilar auf ansprechende Art und Weise erneuert. Alle vier großen Schiffe sind mit hydraulisch absenkbaren Steuerhaus- Oberteilen und
Sonnenzelten ausgerüstet. Für das leibliche Wohl sorgt eine leistungsfähige und vielseitige Bordgastronomie. Die ständig wechselnden
Eindrücke der natürlich gebliebenen Fluss- und Seelandschaft, bieten dem Fahrgast bei jeder Witterung ein unvergessliches Erlebnis.
(Karl F. Fritz