Vor 50 Jahren verabschiedete sich mit dem „Mainaule“
ein Stück Überlingersee-Heimat

Den Namen der Blumeninsel verschwand im Jahre 2006 bis auf weiteres bei der Bodenseeschifffahrt

Seit dem Verkauf des Ausflugsschiffes „Mainau“ im Jahre 2005/6 auf den Plattensee, ist der Namen der Blumeninsel bei der Bodenseeflotte auf unbestimmte Zeit verschwunden. Innerhalb der vergangenen 150 Jahre gab es insgesamt vier Schiffe mit dem Namen „Mainau“. Die erste  „Mainau“ stammte aus dem Jahre 1864 und war bis zur Ausmusterung das kleinste Schiff der badischen Dampferflotte. Innerhalb seiner 33-jährigen Dienstzeit war der eher unscheinbare, für 150 Personen zugelassene Dampfer in mehrere Unfälle verwickelt. Nachdem er bei einem Anlegemanöver in Iznang durch einen knapp unter die Wasseroberfläche reichenden Pfahlstummel eine Radschaufel verloren hatte, strandete er während eines Novembersturmes im Jahre 1884 östlich der Landestelle Reichenau. Vermutlich reichte die Maschinenleistung von  105 PS nicht für ein Landemanöver bei größeren Windstärken und hohem Seegang aus. Das verbogene Steuerbord-Schaufelrad konnte mit Hilfe des aus Konstanz herbeigeholten Güterschleppbootes „Möve“ vor Ort repariert werden. Dabei wurde das Schiff landseitig durch aufgestapelte Holzbohlen und auf der Seeseite durch die „Möve“ abgestützt. Nur einen Monat später, geriet die „Mainau“ auf einem Oberseekurs wieder in einen starken Weststurm und wurde auf eine Untiefe bei der Friedrichshafener Schlosskirche getrieben. Dieses Mal wurde das  Backbord-Schaufelrad in Mitleidenschaft gezogen. Dem Dampfer „Wilhelm“ (II) gelang es, die „Mainau“ freizuschleppen und sicher in den Hafen einzubringen. Der Schaden konnte auf der Friedrichshafener Schiffswerft innerhalb von drei Tagen behoben werden. Wegen seiner geringen Kapazität im Personen- und Güterverkehr konnte der kleine, wenn auch vielseitig verwendbare Dampfer mit dem wachsenden Frequenzanstieg bald nicht mehr mithalten. Der kleine und oft blessierte Dampfer wurde 1897 stillgelegt und abgewrackt. Noch im selben Jahr wurde der Namen „Mainau“ auf die aus dem Jahre 1858 stammende „Stadt Konstanz“ (II) übertragen. Der Namen „Stadt Konstanz“ war um diese Zeit schon für einen geplanten neuen Neubau vorgesehen. Die zweite „Mainau“ wurde mehr als doppelt so alt, wie die wesentlich kleinere Namensvorgängerin. Neben Kurseinsätzen auf dem Ober- und Überlingersee diente die „Mainau“ auch als Schleppdampfer auf der Eisenbahn-Trajektroute zwischen Konstanz und Bregenz. Als im Jahre 1924 die Deutsche Reichsbahn-Gesellschaft den Betrieb auf den Untersee ausweitete, wurde der alte Dampfer nach Radolfzell verlegt. Die Konstanzer Rheinbrücke wurde nur in Ausnahmefällen passiert. Denn gegenüber den Dampfschiffen aus Schaffhausen, musste der Kamin manuell und mit Hilfe von zwei schweren Ketten niedergelegt werden. Mit dem ersten Doppelschrauben-Motorschiff „Stadt Radolfzell“ konnte ab 1926 der Fahrplan des sogenannten „Höri-Dienstes“ weiter verdichtet werden. Wechselweise blieb immer ein Schiff über Nacht in Öhningen stationiert, um frühmorgens den ersten Kurs über die deutschen Höri-Gemeinden nach Radolfzell zu übernehmen. Schon 1874 war in Öhningen ein Kohlendepot angelegt worden, das bei Bedarf auch von den Dampfschiffen aus Schaffhausen genutzt wurde. Als im Jahre 1927 das neue Motorschiff „Höri“ auf dem Untersee aufkreuzte, hatte die alte „Mainau“ ausgedient. Der Dampfer wurde zurückgezogen und im Frühjahr 1929 in Konstanz verschrottet.

Das dritte und wohl bekannteste Schiff unter dem Namen „Mainau“ lief im Frühjahr 1928 auf der Bodanwerft vom Stapel. Das 1919 gegründete Unternehmen hatte in den Jahren zuvor schon die Doppelschraubenschiffe „Stadt Radolfzell“ und „Höri“ abgeliefert. Die „Höri“ gab als Schwesterschiff der „Mainau“ nur ein kurzes Gastspiel auf dem Untersee. Denn bauartbedingt konnte dieses Schiff die Konstanzer Rheinbrücke nicht unterfahren. Den Bedeutung eines eigenständigen Unterseeverkehrs hatten die verantwortlichen Dienststellen der Deutschen Reichsbahn wohl zu wörtlich genommen. Bei jeder Überführung in die Konstanzer Werft mussten die hohen Masten, Kamin und Steuerhaus demontiert werden. Ab 1930 wurde die „Höri“ zusammen mit der „Mainau“ nur noch auf dem Überlingersee eingesetzt. Erst zu Beginn der 1930er Jahre war mit den Neuzugängen „Reichenau“, „Mettnau“ und „Schienerberg“ ein durchgehender Schiffsverkehr von Radolfzell bis nach Konstanz möglich. Die „Mainau“ war von Anfang an auf dem Überlingersee zuhause. Da dieses Schiff mit einer vierköpfigen Besatzung auskam, wurde schon 1928 der erst 33 Jahre alte Dampfer „Stadt Überlingen“ (I) stillgelegt. Im Jahre 1925 war vom Reichsbahn-Zentralamt eine Umrüstung der „Stadt Überlingen“ auf einen dieselhydraulischen Radantrieb geplant. Vermutlich steckte diese neue Technik noch in den Kinderschuhen, weshalb das Umbauprojekt wieder zu den Akten gelegt wurde. Wäre dieses revolutionäre Antriebssystem realisiert worden, so hätte der aus dem Jahre 1895 stammende  Dampfer sicher eine längere Lebensdauer erreicht. So aber wurde die „Stadt Überlingen“ ausgeschlachtet und die robuste Schale als Kiesschiff von der Baggergesellschaft Meichle & Mohr weiterverwendet. Besonders in den ersten Betriebsjahren wurden die neuen Motorschiffe von den Fahrgästen eher zwiespältig beurteilt. Ausschlaggebend mochte ein heftiger Nordweststurm gewesen sein, der in den Abendstunden des 8. Dezember 1928 über den Überlingersee hereinbrach. Schon zwischen Staad und Meersburg begann die „Mainau“ so heftig zu rollen, dass im Hecksalon mehrere Fensterscheiben eingedrückt wurden. Zwischen Unteruhldingen und Überlingen geriet die „Mainau“ in ein dichtes Schneetreiben, dass die  Schiffsführung jegliche Orientierung verlor. Aus heutiger Sicht nicht mehr nachvollziehbaren Gründen, ließ der Kapitän das Schiff stoppen und so lange treiben, bis das Wetter wieder aufklarte. Als an Land die ersten Lichter ausgemacht werden konnten, befand sich die „Mainau“ auf Seemitte zwischen Dingelsdorf und Nußdorf. Das Schiff nahm wieder Fahrt auf und steuerte Überlingen an, um die verängstigten und teilweise seekranken Passagiere abzusetzen. Am darauffolgenden Tag berichtete die Lokalpresse mit einem bissigen Kommentar über die Odyssee der „Mainau“: „Seit einiger Zeit scheint die Deutsche Reichsbahn nur noch Spielzeug-Schiffe, anstelle von seetüchtigen Dampfern für den Liniendienst zu bevorzugen!“ Hohn und Spott erntete die „Mainau“ auch von einem Berufspendler: „Gegenüber einem Dampfschiff kommt die „Mainau“ schon ins Rollen, wenn sie aus größerer Distanz Wellen sichtet!“ Aber allen Unkenrufen zum Trotz, bewährten sich diese für 300 Personen zugelassenen „Spielzeug-Schiffe“ fast vier Jahrzehnte lang gut. Besonders auf den lokalen Routen trugen diese Einheiten entscheidend dazu bei, die unvermeidbaren Defizite im damals für die Bevölkerung noch lebensnotwendigen Bedarfsverkehr abzubauen. Als dritte Einheit kam 1932 die etwas kleinere „Baden“ hinzu, die 1935 in „Hegau“ umbenannt wurde und als einzige kleinere Einheit auf dem Bodensee durch einen Voith-Schneider-Propeller angetrieben wurde. Ab 1960 wurde der ganzjährige Linienverkehr zwischen Konstanz und Überlingen aufgegeben. Von nun an beschränkte sich der Winterdienst nur noch auf den Pendelverkehr zwischen Konstanz und Meersburg und von Dingelsdorf nach Überlingen. Damit waren über die kalte Jahreszeit auch die „Mainau“ und die „Höri“ beschäftigungslos geworden. Beide Schiffe wurden nur noch in Ausnahmefällen für Wintereinsätze herangezogen. Von Ende Oktober bis zum Frühjahr verkehrte jetzt überwiegend die „Schienerberg“, die damals als einziges Fahrgastschiff mit einem Radargerät ausgerüstet war. Im Winterhalbjahr 1960/61 erhielten die „Höri“ und die „Mainau“ auf der Bodanwerft seitliche Stabilitäts-Anbauten, wodurch die ursprüngliche Tragkraft von 300 auf 400 Personen erhöht werden konnte. Beinahe über die gesamte Saison waren beide Schiffe an Wochentagen als unzertrennliches „Gespann“ im täglichen Wechsel auf den vier Schnellkurspaaren zwischen Konstanz und Überlingen im Einsatz. Zwischenhalte gab es nur auf der Insel Mainau und in Unteruhldingen, weshalb die Fahrzeit nur eine Stunde und fünf Minuten betrug. Schon ab 1952 kam es zu einer Vereinbarung zwischen der Deutschen Bundesbahn und der Motorboot-Gesellschaft Bodman, während des Sommerfahrplans einen Sonntagskurs in den westlichen Überlingersee einzurichten. Dieser Zusatzkurs sollte die beliebten, bis 1940 veranstalteten „Wanderfahrten“ neu beleben. Bei schönem Wetter verkehrte in der Regel ein großes Schiff, was besonders vom Überlinger Publikum gerne angenommen wurde. Besonders für die Jugend in Sipplingen und Ludwigshafen war es eine kleine Sensation, wenn einmal in der Woche anstelle der bescheidenen „Bodman“ (I) ein großer Dampfer oder ein Dreideck-Motorschiff auf diesem „Nebenkriegsschauplatz“ aufkreuzte. Nach dem Ausscheiden der Dampfschiffe „Zähringen“ und „Stadt Meersburg“ wurde ab 1961 überwiegend die "Mainau" diesem Kurs zugeteilt. Besonders die Stammgäste aus Konstanz und Überlingen konnten sich mit der Entscheidung nicht anfreunden, dass anstelle einer großen Einheit jetzt nur noch ein kleineres Schiff und dazu ohne Bordrestaurant auf dem Kurs nach Bodman verkehrte. So manche Wandergruppe deckte sich vor dem Fahrtantritt mit Bier oder hochprozentigen Getränken ein, was von einigen Besatzungsmitgliedern stirnrunzelnd zur Kenntnis genommen wurde. Allmählich begann auch das Interesse an dieser einst so beliebten und attraktiven Ausflugsfahrt zu schwinden. Ein letztes Mal verkehrte die „Mainau“ am Sonntag, den 19. September 1965 auf diesem Kurs. Das Kommando führte der inzwischen längst verstorbene Kapitän Heiner Hotz, der auf der abendlichen Rückfahrt beiläufig erwähnte, dass die Tage der „Mainau“ wohl gezählt seien. Schiffe der sogenannten "Holzbankklasse" könnten dem Reisepublikum nicht mehr länger zugemutet werden. Da sich der Lokalverkehr über das Winterhalbjahr ohnehin nur noch auf die Verbindung Konstanz-Meersburg beschränke, gäbe es für solche Schiffe keine Verwendung mehr. Die Ausmusterung ließ dann auch nicht mehr lange auf sich warten und im Jahre 1966 gab es für die „Mainau“ keinen neuen Frühling mehr. Damit wurde auch die traditionelle Sonntagsfahrt nach Bodman zu Grabe getragen. Nach der offiziellen Streichung aus der Flottenliste zum 1. Dezember1965, lag das Schiff in abgetakeltem Zustand verwaist an der Konstanzer Außenmole. Im Sommer 1966 wurde die „Mainau“ noch von Kunstmalern als schwimmendes Atelier genutzt, endete aber dann ein Jahr später auf dem Gelände des „Klein Venedig“ unter dem Schneidbrenner. Heute erinnert so gut wie kein Relikt mehr an das „Mainaule“, wie dieses am Anfang umstrittene, aber formschöne Schiff in den letzten Betriebsjahren von den Besatzungen liebevoll genannt wurde.

Eine vierte „Mainau“ wurde im Jahre 1973 vom Meersburger Schifffahrtsbetrieb Xaver Unser in Dienst gestellt. Das von der Luxwerft in Mondorf erbaute 300-Personen-Schiff verkehrte im Zubringerdienst zur Insel Mainau und wurde 1980 von den Bodensee-Schiffsbetrieben der Deutschen Bundesbahn übernommen. Nachdem die BSB im Jahre 1989 auch die „Uhldingen“ erwarben, wurde die „Mainau“ als Rundfahrten-Schiff nach Lindau verlegt. Seit 2006 verkehrt das Schiff als „Klara“ auf dem Plattensee in Ungarn. Damit verschwand der Schiffsnamen „Mainau“ auf unbestimmte Zeit vom Bodensee. Als eines der wenigen Motorschiffe dieser frühen Generation überlebte neben der „Arche“ ex „Mettnau“ auch die „Höri“, die in den letzten Betriebsjahren noch den Namen „Überlingen“ (I) trug. Nach mehrfachem Besitzerwechsel dient das 1968 aus dem Verkehr gezogene Schiff seit vielen Jahren als China-Restaurant „Hu-Bien“ auf dem Vorflutgelände des Alten Rheins bei Gaissau.

(Karl F. Fritz)

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