Wir brauchen nicht den Ozean...

Bodenseekapitäne aus verschiedenen Generationen

"Wir brauchen nicht den Ozean, wir brauchen nicht das Meer...!", sang einst im Mai 1976 ein gemischter Chor von Bodenseekapitänen aus allen drei Anliegerstaaten an Bord der "Konstanz" im Rahmen einer Musiksendung der inzwischen längst verstorbenen Moderatorin Maria Hellwig. Zahlreiche Bodenseekapitäne, seit 1962 offiziell "nur" noch als Schiffsführer bezeichnet, wissen aus ihrer aktiven Dienstzeit so manche heiteren, aber auch ernste Episoden zu berichten.

Echte Kapitäne mit einer nautischen Laufbahn gibt es seit etwa 1840. In den Anfangsjahren der Dampfschifffahrt hatte ein Kapitän hauptsächlich administrative Aufgaben zu erfüllen. Verantwortlich für die Schiffsführung war der meistens von einem Matrosen assistierte Steuermann. Erst nach Übernahme der privaten Dampfboot-Gesellschaften durch die Länderbahnen wurden die heute noch üblichen Laufbahnen vom Schiffsjungen und je nach Eignung bis zum Kapitän eingeführt. Zu den bekanntesten Kapitänen dieser frühen Jahre zählte unbestritten der Lindauer Georg Riesch. Als junger Steuermann hatte er am 11. März 1861 den Untergang des Dampfbootes "Ludwig" (I) überlebt und erhielt im Jahre 1905 noch für zwei Jahre das Kommando über den neuen Salondampfer "Lindau". Zu den bemerkenswertesten Episoden innerhalb seiner rund 66-jährigen Laufbahn zänlt wohl die Fahrt mit dem Dampfer "Bavaria" (I) durch den zufrierenden See noch Konstanz im Februar 1880. Georg Riesch starb hochbetagt im Jahre 1928.

Einer der letzten echten Dampferkapitäne war der Konstanzer Walter Schöller. Schöllers Laufbahn begann im Jahre 1921 als Schiffsjunge. Schon 1929 absolvierte er auf der "Stadt Meersburg" seine Prüfung zum Untersteuermann und erhielt 1937 sein Kapitänspatent. Während des Zweiten Weltkrieges war Schöller als Schiffsführer eines Fährbootes auf dem Djnepr abkommandiert, kehrte aber schon 1945 nach Konstanz zurück. Ab 1951 wurde er Stammkapitän auf dem großen Salondampfer "Stadt Überlingen". Schöller trug stets eine weiße, maßgeschneiderte Uniform. Seine braungebrannte Erscheinung brachte ihm bei den Kindern am Obersee den Spitznamen „Negus“ ein, während er am Überlinger See als „Chimborasso“ bezeichnet wurde. Bei der zweiten Wettfahrt um das Blaue Band am 17. Juni 1951, kam es zu einem spannenden Duell zwischen der „Stadt Überlingen“ und der von Kapitän Galluschka kommandierten "Austria", das der österreichische Spitzenreiter knapp für sich entscheiden konnte. Schöllers großes Erfolgserlebnis kam fast auf den Tag genau ein Jahr später, am 15. Juni 1952. Beim legendären „Dampferrennen“ gewann die „Stadt Überlingen“ mit fast vier Schiffslängen Abstand vor den Verfolgern „St. Gallen“, „Rhein“, „Lindau“ und „Hohentwiel“. Als die „Stadt Überlingen“, aus heutiger Sicht viel zu früh im Jahre 1963 ausgemustert wurde, ging auch Walter Schöller mit „seinem“ Schiff in den wohlverdienten Ruhestand. Er verstarb im Jahre 1974.

Mannschaftsfoto aus dem Jahre 1950 an Bord der "Stadt Überlingen".
Von links nach rechts; Obermatrose Albert Heider, Kapitän Karl Welte, Obersteuermann Karl Schwarz,
Steuermann Kapitän Victor Fuchs, Stuermann Josef Stemmer, zweimal Unbekannt.

(Nachlass Kapitän Schwarz/Sammlung Fritz)

Letzter Stammkapitän der legendären "Zähringen" war der ebenfalls aus Konstanz stammende Karl Schwarz. Als die "Zähringen" nach 72 Jahren ausgemustert wurde, wechselte Schwarz auf die im Frühjahr 1960 auf die aus Lindau nach Konstanz verlegte "Kempten". Eine weitere Persönlichkeit des ausklingenden Dampfzeitalters war der aus Diessenhofen stammende Ernst Rüegg, letzter Stammkapitän des legendären Flussdampfers "Schaffhausen". Da sich auf diesem flachgebauten Glattdeckdampfer das Sprachrohr zum Maschinenraum direkt beim Radkasten befand, stellte eine Frau aus dem Schwarzwald die Frage: "Was blase sie denn die ganze Zeit in des Rohr nei?" Prompt kam die Antwort: "Frischluft für den Maschinisten!" Als im Mai 1967 das Todesurteil über die „Schaffhausen“ gefällt wurde, kommandierte Rüegg zum letzten Mal seinen Dampfer auf der Fahrt zum Abwracken nach Romanshorn. Der Kessel war noch warm, als mit den Abbrucharbeiten begonnen wurde. Nach dem Ende des Dampfschiffes „Schaffhausen“ wartete auf Rüegg eine neue Aufgabe als Werftchef in Feuerthalen-Langwiesen, bevor er 1974 in den Ruhestand verabschiedet wurde.

Als einer der erfahrenen Kapitäne der jüngeren Generation sollte der 1944 in Konstanz geborene Heinz Maier nicht unerwähnt bleiben. Die Laufbahn des gelernten KFZ-Mechanikers begann im Jahre 1963. "Der Heinz ist bei allen Wetterlagen fast wie eine Lebensversicherung!", bestätigte sein langjähriger Stammkassier Waldemar Böhler. Maier war in der Lage, selbst bei größeren Windstärken an den ungeschützten Oberseestationen noch sicher anzulegen. Unzählige Freizeit-Skipper hat Heinz Maier mit seiner Besatzung aus der Seenot gerettet.  Besonders gerne erinnert sich Maier an die ehemalige "Schienerberg" und spätere "Meersburg". "Oje, wenn bei der "Meersburg" schon größere Wellen nur in Sichtweite kamen, fing sie an zu rollen!" Am 9. September 2009 wurde Heinz Maier an Bord seines Lieblingsschiffes "Karlsruhe" nach 46 bewegten Dienstjahren bei den BSB in den Ruhestand verabschiedet. Von der Schifffahrt kann er bis heute noch nicht loslassen und betreut an zwei Tagen in der Woche die Landestelle Dingelsdorf.

Verabschiedung von Kapitän Heinz Maier (links) mit Kapitän Stefan Grieble (BSB) und Johann Wüstner (VLB)
(Bild: Arnulf Dieth)

Innerhalb der langen und vielbewegten Geschichte der Bodenseeschifffahrt gab es unzählige Kapitäne die zuverlässig und verantwortungsbewusst bei allen Wetterlagen ihren Dienst auf den Dampf- und Motorschiffen verrichteten. Ihnen seien stellvertretend diese kleinen Episoden gewidmet.

(Karl F. Fritz)

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