Ein schwimmendes Kulturdenkmal wird 80 Jahre alt

Die "Baden" – ein klassischer Zeuge lebendiger Schifffahrtsgeschichte

Für die Schiffsliebhaber gilt die klassische Silhouette der "Baden" mit dem markanten  Decksprung und dem kurzen Heckteil schon seit Jahren als Ikone. Aber auch Stammurlauber und Feriengäste wissen die breiten Seitengalerien und das schattenspendende Sonnensegel auf dem mittleren Oberdeck zu schätzen. Schon die ersten Entwürfe im Jahre 1933 sahen ein ausgesprochenes Sommerschiff mit einem großzügigen Angebot an Freideckplätzen vor. Bei ungünstiger Witterung bieten vier Fahrgasträume einen geschützten Aufenthalt für rund 200 Personen. Die „Baden“ überlebte politische Wechselbäder und mit viel Glück den Zweiten Weltkrieg, bevor ab 1950 für das Schiff eine konstante und friedliche Epoche begann. Bis 1959 überwogen bei den großen Einheiten der Konstanzer Flotte noch die Dampfschiffe, die dann innerhalb von wenigen Jahren der großen Ausmusterungswelle zum Opfer fielen. Zuerst schied im April 1960 der 72 Jahre alte Flottenveteran „Zähringen“ aus, gefolgt von der „Stadt Meersburg“ und schließlich die mächtige „Stadt Überlingen“, die nur noch 34 Jahre alt werden durfte.

Die „Baden“ war das erste Dreideck-Motorschiff aus der heute nicht mehr existierenden Bodanwerft in Kressbronn. Es ersetzte offiziell den aus dem Jahre 1877 stammenden und 1933 ausgemusterten Raddampfer „Greif“. Für das 1919 gegründete Unternehmen begann in den frühen 1930er Jahren eine erste Epoche der Hochkonjunktur. Es entstanden nicht nur neue Motorschiffe, sondern gleichzeitig wurde auch eine Reihe von Raddampfern modernisiert und umgebaut. Vor der „Baden“ hatten schon 11 Fahrgast- und drei Fährschiffe die Helling der Bodanwerft verlassen. Eine enge Verwandtschaft mit den beiden 1932/33 erbauten Vorgängerschiffen für den Hafen Romanshorn, der „Thurgau“ und der „Zürich“ bleibt unverkennbar. Ab 1929 beteiligte sich mit der Stahl- und Eisenbau-Gesellschaft in Deggendorf an der Donau ein weiteres Schiffbauunternehmen an der Erneuerung der Bodenseeflotte. Diese während des Ersten Weltkrieges entstandene Werft erhielt ihre Bauaufträge überwiegend von der Reichsbahndirektion Augsburg, die für den Hafen Lindau zuständig war. Eine einzige Ausnahme bildete im Jahre 1937 die „Karlsruhe“. Zeitgleich mit der „Baden“ begann in Deggendorf die Vormontage des Motorschiffes „Deutschland“, das den aus dem Jahre 1890 stammenden Dampfer „Nürnberg“ ex „Prinz Regent“ ersetzen sollte. So entstanden im Jahre 1934 zwei Dreideck-Motorschiffe von unterschiedlicher Charakteristik. Zugunsten einer größeren Innenraum-Kapazität  erhielt der bayerische Neubau keine seitlichen Galerien und war damit fast mit dem über viele Jahrzehnte größten Fahrgastschiff, der aus dem Jahre 1929 stammenden „Allgäu“ identisch. Während bei der „Baden“ im Anfangsstadium noch alternative Antriebsmöglichkeiten geprüft wurden, stand die Ausrüstung der „Deutschland“ mit Voith-Schneider-Propellern schon von vorneherein fest. Gegenüber dem klassischen Dampferheck der „Deutschland“ mit den ausfallenden Propelleranbauten in der Wasserlinie, erhielt die „Baden“ ein Spiegelheck, das aber unterhalb der Wasserlinie  weniger strömungsgünstig ausgebildet war. Das Ergebnis war eine sich steil auftürmende Hecksee, über viele Jahrzehnte eine unverkennbare Charakteristik der „Baden“. Erst nach späten Erkenntnissen im Jahre 1993, konnte die Schubwirkung durch den Anbau einer Heckschürze geringfügig verbessert werden. Trotzdem verlief die Abnahmefahrt am 21. Mai 1935 zufriedenstellend. Über eine mehrfach durchfahrene Distanz von acht Kilometern zwischen Unteruhldingen und Überlingen wurde eine Höchstgeschwindigkeit zwischen 26,6 bis 27,2 km/h ermittelt. Damit waren die Vorgaben der Deutschen Reichsbahn von 26 km/h voll erfüllt, weshalb auf eine  Abänderung der Heckkonstruktion verzichtet wurde. Außerdem wurde das Schiff in Konstanz dringend gebraucht, denn zum damaligen Zeitpunkt waren an großen Einheiten nur noch vier Raddampfer verfügbar. Innerhalb von 16 Jahren war die „Baden“ bereits das dritte Schiff unter diesem Namen. Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges war der damals 48 Jahre alte Salondampfer „Kaiser Wilhelm“ in „Baden“ umbenannt worden. Als er 1930 ausgemustert wurde, erhielt diesen Namen ein kleines 200-Personen-Motorschiff, das ab 1935 als „Hegau“ verkehrte. Die Namenslettern des Schriftzuges wurden bei allen drei Schiffen weiterverwendet.

Am 4. Juni 1935 wurde das neue Flaggschiff am Landungsplatz 11 im ehemaligen Güterhafen, der heute von den Freizeitskippern genutzt wird, offiziell in Dienst gestellt. Eine große Anzahl von Schaulustigen war eingetroffen, um dem Festakt beizuwohnen. Nach Ansprachen des Präsidenten der Reichsbahn-Direktion Karlsruhe und des Konstanzer Oberbürgermeisters, intonierte die aus Offenburg angereiste Eisenbahner-Musikkapelle die Nationalhymne, das Badnerlied und die Mühle im Schwarzwäldertal. Vom Heck des über die Toppen beflaggten Schiffes wehten damals noch die Reichsfarben schwarz-weiß-rot. An den neuen Zeitgeist erinnerte nur eine  kleine Hakenkreuzflagge am Göschenstock. Die Kommandobrücke schmückten frischgewundene Girlanden , die von der Konstanzer Stadtverwaltung gestiftet wurden. Für die geladenen Ehrengäste hatte der beliebte Schiffswirt Josef Braig ein gutbürgerliches Menü zubereitet. Es gab Flädlesuppe, gefüllte Rinderrolladen mit Beilagen und als Nachtisch verschiedene Cremen oder Vanilleeis. Dank der im Vergleich zu den später gebauten Schiffen mehr als großzügig ausgelegten Infrastruktur in den Unterdecksräumen, konnten die dienstbaren Geister der Bordgastronomie ungehindert schalten und walten. Erster Kapitän war der Konstanzer Ernst Rebstein, der bisher den Dampfer „Zähringen“ kommandiert hatte. Die Jungfernfahrt führte zunächst in den Überlingersee bis in Höhe Mainau-Unteruhldingen, dann ging es vorbei an Meersburg nach Friedrichshafen. Auch die „Häfler“ bereiteten dem neuen Stolz der badischen Flotte einen herzlichen Empfang. Die im Hafen liegenden Schiffe begrüßten die formschöne „Baden“ mit aufheulenden Mehrklangsirenen und Typhons. Von Friedrichshafen führte die Fahrt weiter nach Lindau und entlang der Rheinmündung am Schweizerufer wieder zurück nach Konstanz.

Der Obersee wurde für viele Jahre zum Haupteinsatzgebiet der „Baden“. Ein Lindauer Kapitän gestand einmal einem Konstanzer Kollegen: „Wir haben mit der „Allgäu“ zwar das größte, aber ihr habt mit Abstand das schönste Motorschiff der Flotte!“ Obwohl das Schiff für den Sommerverkehr gebaut war, wurde rasch erkannt, dass sich der hohe, langgezogene Bug auch optimal für Anlegemanöver bei niedrigen Wasserständen im Winter oder im Frühjahr eignete. An den trockenen Hochsommer des Jahres 2003, als der Pegel im August auf einen Wert von 2,63 m absank, erinnert sich der inzwischen im Ruhestand lebende Altkapitän Heinz Maier: „Selbst bei einem solch extremen, für diese Jahreszeit ungewöhnlichen Tiefwasserstand, gab es mit der „Baden“ kaum Verspätungen, da an sämtlichen Landestellen über den Bug stationiert werden konnte, was besonders die mobilitätseingeschränkten Fahrgäste zu schätzen wussten!“, berichtet der erfahrene Seemann.

Bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkrieges war die „Baden“ zwei täglich in Konstanz abgehenden Schnellkurspaaren nach Lindau mit kurzen Zwischenaufenthalten in Meersburg und Friedrichshafen zugeteilt. Für das Sonderfahrtenprogramm der NS-Gemeinschaft „Kraft durch Freude“ wurden bei der Konstanzer Flotte in der Regel der Dampfer „Stadt Überlingen“ und die neuere „Karlsruhe“ bevorzugt. Der Kriegsausbruch am 1. September 1939 führte zu einer unbefristeten Betriebsunterbrechung der „Baden“, die bis dahin auch während der Wintermonate die Oberseeroute befahren hatte. Erst mit der vermeintlichen Entspannung der Kriegslage im Juni 1940, wurde die „Baden“ zusammen mit neueren „Karlsruhe“ noch sporadisch für den Kurs- und Ausflugsverkehr verwendet. Erst nach dem Angriff auf die Sowjetunion, wurde die „Baden“ zusammen mit den anderen Motorschiffen auf unbestimmte Zeit stillgelegt. Nach dem ersten Luftangriff auf Friedrichshafen, musste im Juli 1943 auch die „Baden“ ihr weißes Kleid gegen einen dunkelgrauen Tarnanstrich eintauschen. Im Juli 1944 wäre die Laufbahn der „Baden“ beinahe zu Ende gewesen. Aus Sicherheitsgründen wurde das Konstanzer Flaggschiff zusammen mit den mittelgroßen Einheiten „Höri“ und „Schienerberg“ nach Ludwigshafen verlegt. Nach der alliierten Landung in der Normandie machten bald auch die taktischen Flugzeuge den süddeutschen Luftraum unsicher. Am 24. Juli 1944 wurden die in Ludwigshafen vertäuten Schiffe von einem Schwarm „P 51“-Mustang-Jagdbombern entdeckt und unter heftigen Beschuss genommen. Alle drei Schiffe erlitten schwere Beschädigungen und nur dank dem beherzten Eingreifen einiger Berufsfischer, die mehrere Einschusslöcher in Höhe der Wasserlinie mit Korkpfropfen abdichteten, blieb die „Baden“ schwimmfähig. Die einzig sichtbare, von einem 12,7 mm Geschosses verursachte Kriegsnarbe befindet sich auf einer Informationstafel mit den technischen Daten im Einstiegdeck. Insgesamt wurden bei der „Baden“ rund 400 Einschusslöcher festgestellt. Die in Ludwigshafen vertäuten Schiffe waren vermutlich nicht das eigentliche Angriffsziel der amerikanischen Jagdbomber, sondern mehrere in der Manzeller Bucht verankerte Dornier-Flugzeuge. Möglicherweise brachen deshalb die US-Piloten den Angriff vorzeitig ab. Nach einer provisorischen Reparatur auf der Konstanzer Werft, wurde die die „Baden“ vor dem Konstanzer Insel-Hotel verankert und diente von Ende 1945 bis 1949 den Offizieren der französischen Besatzungstruppen als schwimmendes Casino. Erst nach einer umfangreichen Generalüberholung, konnte die „Baden“ im Frühjahr 1950 ihren Liniendienst wieder aufnehmen.

Im Verlaufe der 1950er Jahre teilte sich die „Baden“ den Konstanzer Oberseekurs mit den Dampfschiffen „Stadt Überlingen“ und „Stadt Meersburg“. Im Winterhalbjahr 1954/55 wurden beide Voith-Schneider-Propeller zur Generalüberholung in Heidenheim ausgebaut. Aus ungeklärter Ursache drang am 22. Januar 1955 Wasser durch die Abdeckplatte eines Propellerbrunnens und das Schiff sackte mit dem Heck voraus auf den Grund des Konstanzer Werfthafens. Da sämtliche Schotträume geschlossen waren hielt sich der Schaden in Grenzen. Mit Hilfe der Konstanzer Feuerwehr gelang es, das Schiff innerhalb von zwei Tagen leer zu pumpen und wieder flott zu machen. Mit der Indienststellung der neuen „München“, war es ab dem August 1962 mit der Flaggschiffrolle der „Baden“ vorbei. Das Schiff verkehrte weiterhin schwerpunktmäßig auf dem Obersee, was sich erst mit der Neumotorisierung der „Karlsruhe“ im Jahre 1965 änderte. Nach und nach verlagerte sich das Einsatzgebiet der „Baden“ immer auf den Überlingersee. Im Jahre 1969 wurden auch bei der „Baden“ die beiden ursprünglichen Antriebsdiesel gegen eine neue Motorengruppe der Motorenwerke Mannheim des Typs MWM RH-435-S mit einer Leistung von 2 x 410 PS ausgetauscht. Im Laufe der Zeit wurde auch die „Baden“ immer wieder auf den neuesten Stand der Technik nachgerüstet. Ohne dass sich der äußere Gesamteindruck wesentlich veränderte, musste auch die „Baden“ der sich in stetigem Wandel begriffenen Reisekultur Tribut zollen. Die ursprünglichen Großmasten wurden 1964/65 durch einen kleinen Fockmast auf dem Dach des Steuerhauses und einen kleinen Flaggenstock auf dem Sonnendeck ersetzt. Als 1980 die Erste Klasse aufgehoben und eine Einheitsklasse eingeführt wurde, mussten die ursprünglichen Armlehnsessel in der der bisherigen „Halle 1. Platz“ einer einfacheren Bestuhlung für ein erweitertes Angebot an Sitzplätzen weichen. Nicht unbedingt schonend war eine mehrjährige Verwendung der betagten Einheit über die Wochenenden als Discoschiff.

Inzwischen hat die „Baden“ ihre einstige Jahrgängerin „Deutschland“, die 1965 nach Konstanz verlegt wurde und seit 1970 den Namen „Überlingen“ (IV) trug um 10 Jahre überlebt. Wenn auch beide Schiffe bauartbedingt erheblich voneinander abwichen, galten sie als Prototypen einer neuen Generation im Zeitalter des beginnenden Massentourismus. Schon zwei Jahre später konnte mit den Neubauten „Karlsruhe“ und „Schwaben“ zum ersten Mal eine ausgewogene Aufteilung an Innenräumen und Freideckplätzen umgesetzt werden. Bis weit in die 1960er Jahre, galten diese beiden Schiffe als Grundkonzeption zahlreicher Neukonstruktionen in dieser Größenordnung. So lässt sich auch eine enge Verwandtschaft der „Schwaben“ mit dem ersten Dreideck-Motorschiff „Linth“ für den Zürichsee unschwer nachvollziehen. Mit der neuen „Überlingen“ verabschiedete sich im Jahre 2010 die „Baden“ nach 75 Jahren aus dem bisherigen Heimathafen Konstanz. Unter vielerlei Flaggen und glimpflich überstandenen Kriegsjahren, war das Schiff ein fester und untrennbarer Bestandteil in der Hafenszene der Konzilstadt gewesen. Doch in Anbetracht des hohen Alters wie unter Berücksichtigung der historischen Bausubstanz, entschlossen sich die Bodensee-Schiffsbetriebe die „Baden“ aus dem stark frequentierten Überlingersee abzuziehen und nach Lindau zu verlegen. Bis dahin hatte das Schiff jährlich rund 30.000 Kilometer zurückgelegt und bis zu 300.000 Fahrgäste befördert. So mancher alte Konstanzer nahm den Abschied der „Baden“ nicht ohne stille Wehmut zur Kenntnis, vertröstete sich aber mit der Hoffnung auf eine lange Lebensdauer in der neuen Heimat. Besonders bei den betagteren Seeanwohnern lebt der trostlose Anblick unbarmherzig von den Schneidbrennern zerstückelter Dampfschiffe noch in wacher Erinnerung. Ein solches Ende sollte der „Baden“ langfristig erspart bleiben. Vielleicht war es eine Ironie des Schicksals, dass die „Baden“ auf den Tag genau  am 4. Juni 2014, 79 Jahre nach Indienststellung, zusammen mit mehreren anderen historischen Einheiten offiziell unter Denkmalschutz gestellt wurde. In Lindau wird der Flottenveteran überwiegend dem Ausflugsverkehr zugeteilt. Bei Engpässen muss die „Baden“ aber auch zur besonderen Freude der Schiffsliebhaber auch Kursdienst auf der Obersee-Längsroute leisten. Die Lindauer Schiffsbesatzungen haben die „Baden“ inzwischen ebenfalls fest ins Herz geschlossen. „Sie ist eine großartige alte Dame und ein maritimes Schmuckstück!“, bestätigt Schiffsführer Christian Sigel. Im August 2014 war die „Baden“ sogar über mehrere Wochen ein täglicher Dauergast in der alten Heimat Konstanz. Auch mit einem stattlichen Alter von 80 Jahren wird die Jubilarin als ein Stück lebendiger Schifffahrtsgeschichte und liebgewonnener Seeheimat noch lange ihre markante Kielwasserspur durch den Bodensee ziehen.                              

(Karl F. Fritz)

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